Daniel Levy: Wie Tottenham zum europäischen Vorbild wurde
England 28.September.2019 Werner Sonnleitner
Ein aus der Insel verwurzelter Verein hat sich in den letzten Jahren im Schatten der potentiell wohl reicheren Klubs an der Spitze des englischen Fußballs etabliert. Die Rede ist von den Tottenham Hotspurs. Sportlich wie wirtschaftlich hat sich der Verein als solide arbeitender Klub in der oberen Tabellenregion gefestigt, der gut und gerne als Vorbild hergenommen werden kann. Ein oder besser gesagt der Grund abseits des grünen Rasens ist der britische Unternehmer und Edelfan Daniel Levy. Seit 2001 führt er als Chairman die Geschicke mit hoher Leidenschaft und dem nötigen Gespür im Norden Londons.
Der Beginn einer Liebe samt der Übernahme des Klubs
Der Anfang der Geschichte liest sich, wie sie sich mehrfach auf den Fußballplätzen dieser Welt zuträgt: Der kleine, 1962 geborene Daniel Philip Levy wird vom Vater zu einem Match dessen Herzensklub mitgenommen. In dem Fall waren es die Tottenham Hotspurs, die da gegen die Lokalrivalen von Queens Park Rangers spielten. Seit diesem Nachmittag ist auch der kleine Daniel Fan der „Spurs“. Eine Liebe die nachhaltig wären sollte und für beide Seiten in der Folge zur Erfolgsgeschichte mutieren sollte.
Nach Abschluss des Wirtschaftsstudiums in Cambridge gründete Daniel Levy gemeinsam mit Joe Lewis die Investmentgesellschaft „Enic“. Als mittlerweile treuer Fan der „Spurs“ versuchte er mit seinem Unternehmen schon vor der Jahrtausendwende mehrmals vergeblich seinen Herzensklub vom bei den Fans unbeliebten Alan Sugar loszueisen. Am 20. Dezember 2000 klappte schließlich ein weiterer Übernahmeversuch und die Gesellschaft kaufte für 22 Mio. Pfund die „Spurs“. Bis 2007 erhöhte man deren Beteiligung am Klub fortlaufend bis auf 85,55 %, seit 2012 befindet sich der Verein im Privatbesitz von „Enic“ rund um Levy.
Der wirtschaftliche Vorzeigeklub
Tottenham verfolgt seit der Übernahme des englischen Multimillionärs eine sparsame, wirtschaftlich durchaus vernünftige Personalkostenpolitik, sei es für Transfers als auch bei den Spielergehältern. So machten die „Spurs“ in der Saison 2017/18 einen Gewinn von 113 Millionen Pfund und damit den größten wirtschaftlichen Erfolg eines Fußballklubs aller Zeiten.
Im November 2017 wurde Levy bei den Football Business Awards zum CEO des Jahres gewählt, mit einem Salär von 6 Millionen Pfund ist er zudem der bestbezahlteste Funktionär der Liga. Als Chefverhandler laufen alle Fäden bei Levy höchstpersönlich zusammen, sei es punkto neuer Sponsoren als auch bei Spielerverpflichtungen. Der längst dienende Chairman der Premier League zählt als beinharter Verhandler, Sir Alex Ferguson bezeichnete einmal das Feilschen um Dimitar Berbatov schmerzvoller als seine Hüftoperation.
Man investiert in Steine statt Beine
So machte nicht zuletzt Levy den Klub zukunftsfit, stellte ihn auf stabile Beine. Denn punkto Infrastruktur wurde nachhaltig aufgerüstet. 2012 bezog der Klub das neue, moderne Trainingszentrum. Im April diesen Jahres wurde dann das 62.000 Plätze fassende „Tottenham Hotspur Stadium“ eröffnet, welches die alte White Hart Lane ablöste. Um zirka eine Milliarde Pfund, die anders als zum Beispiel in Österreich der Verein weitgehend ohne öffentliche Gelder selbst zu stemmen hat, wurde ein wahres Schmuckkästchen errichtet. Alles durchgehend unter der strengen Augen des Präsidenten, der jeden Schritt von der Konstruktion bis zu den fertigen Details über seinen Schreibtisch laufen ließ. Die nötige Balance zwischen Fan und Geschäftsmann dürfte er – laut englischen Beobachtern – dabei ganz gut unter einen Hut bringen.
Sportliche Erfolge
Die ersten Trainer unter Levy’s Ägide waren mit Glenn Hoddle, Jacques Santini und Martin Jol mäßig erfolgreich. Juande Ramos gewann 2008 immerhin die erste und in der Folge auch einzige Trophäe in der Levy-Ära, nämlich den Ligacup. Doch dazu später mehr.
Abseits von Trophäen sollte der Beginn der wahren Erfolgsgeschichte mit dem 25. Oktober 2008 datiert sein, da übernahm Harry Redknapp. Mit ihm gelang es den „Spurs“ in die Phalanx der gestandenen und oder neureichen Top-Teams einzudringen, um so aus den großen fünf die „Big-Six“ zu machen. Mit einem Top-4-Finish in der Folgesaison und der darauffolgenden erstmaligen Teilnahme an der Champions League machte man auch international wieder auf sich aufmerksam. Nicht zuletzt, weil der Titelverteidiger Inter Mailand eliminiert wurde.
2012 wollte man den nächsten Schritt gehen, da übernahm der frühere Chelsea- und Porto-Coach Andre Villas-Boas das Zepter. Nach dem Abgang von Gareth Bale für eine damalige Rekordsumme, stotterte der Motor etwas und der Portugiese wurde im Dezember 2013 von Tim Sherwood als Interimscoach bis Saisonende ersetzt.
Das Goldhändchen bei der Trainerbestellung
Im darauffolgenden Sommer 2014 verpflichtete Levy eine der interessantesten Traineraktien der Liga, Southamptons Mauricio Pochettino. Unter ihm schafften zahlreiche Akademiespielern – wie Harry Kane, Danny Rose, Ryan Mason, Nabil Bentaleb oder Andros Townsend – den Sprung in die Kampfmannschaft. Dazu verstärkte man sich mit aufstrebenden aber noch nicht zu fertigen Topstars gereiften, späteren Leistungsträgern. Beispiele dafür sind Christian Eriksen, Son Heung-min oder Dele Alli, die alle erst bei den „Spurs“ unter dem Argentinier den großen Durchbruch schafften.
In den Meisterschaften 2015/16 und 2016/17 kämpfte man zwar erfolglos aber immerhin bis zum Schluss um den Titel, jeweils mit einer der jüngsten Premier League Mannschaften aller Zeiten. Seit da an ist der Top-4-Platz einzementiert und die „Spurs“ sind ein Fixkandidat in der europäischen Königsklasse. Dort verpasste man im Sommer im Endspiel gegen Liverpool den ersten ganz großen Titel in der Amtszeit Levy’s.
Die fehlenden Titel
Womit wir noch beim einzigen Manko wären – die fehlenden Titel. Kaum einer bewundert nicht die freche Spielweise, die vernünftig kluge Personalpolitik oder die sportliche wie wirtschaftliche Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren. Aber all dies mit „Silverware“ zu garnieren und einen Pokal zu stemmen, gelang dieser goldenen Generation noch nie. In der Liga wird es auch heuer kaum etwas zu holen geben, schon zehn Punkte fehlen auf Tabellenführer Liverpool. Am Samstag geht es gegen Southampton mit Ralph Hasenhüttl und Kevin Danso. Auch der Champions League Start verlief holprig, bei Olympiacos verspielte man eine 2:0 Führung und steht vor dem Spiel gegen die Bayern nächste Woche damit schon etwas unter Zugzwang. Im Ligacup blamierte man sich dieser Tage gegen Colchester. Trotzdem – der Verein wurde in der Vergangenheit auf Schiene gebracht, um auch in Zukunft national wie international eine bedeutende Rolle spielen zu können.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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