Bei Swansea City erntete Brendan Rodgers sehr viel Lob. Seine Seite stand maßgeblich als Beispiel für eine Mannschaft, die durch ballbesitzorientiertes Kurzpassspiel auch mit individuell unterlegenen Spielern Achtungserfolge feierte. Sie kehrten vom destruktiven Defensivspiel und dem auf Konter ausgelegten Offensivfußball kleinerer Mannschaften ab und konzentrierten sich darauf, dem Gegner möglichst wenig Zeit am Ball zu überlassen. Gegen größere Mannschaften hielten sie möglichst lange den Ball in den eigenen Reihen, sehr oft auch tief in der eigenen Hälfte – dem Gegner wurde die Spielzeit geraubt, es kostete ihn Nerven und Arbeit im Pressing.
Vielen Mannschaften erging es auch so, dass sie sich nicht nur nicht daran anpassen konnten, sondern in ihrer kollektiven Kompaktheit auseinandergerissen wurden. Anstatt gegen solche Mannschaften ein aggressives Mittelfeldpressing zu spielen und dann in die freien Räume dahinter zu kommen oder den Ball in die Abwehr zurücklaufen zu lassen, mussten sie weiter vorne pressen. Dieses Abwehrpressing bedeutete viel Laufarbeit für die Stürmer, insbesondere auch deswegen, weil die Hintermänner nicht mitschoben.
Hier öffneten sich dann Lücken und Swansea konnte sich etwas vorarbeiten und im Zweifelsfall wieder zurückspielen, was einen Neubeginn des Pressingspielchens für den Gegner bedeutete. Waren ausreichend Lücken vorhanden, gingen sie in den Angriff über und riskierten durchaus auch Ballverluste, was ihnen schließlich einen ungemein positiven Ruf einbrachte. Für Manager Rodgers bedeutete dies einen weiteren Aufstieg.
Vom Novizen zur Trainerhoffnung des ehemaligen Rekordmeisters
Ähnlich wie Stramaccioni und Thomas Tuchel musste er aufgrund einer Knieverletzung seine Karriere beenden. Bereits im Alter von nur 20 Jahren war der Traum vom Profifußball für den Nordiren vorbei. Der Verteidiger hatte es von Ballymena United aus seiner Heimat bis zum zweiten Team Readings geschafft, wo er sich auf dem Sprung in die erste Mannschaft befand. In den folgenden Jahren spielte er zwar noch in den Niederungen des Amateurfußballs, beschäftigte sich aber bereits mit seiner Zukunft im Fußball. Sein großes Ziel: Fußballtrainer. In den folgenden Jahren hospitierte er in vielen Ländern, besonders gerne in den Niederlanden und in Spanien, woraus er eine fußballerische Idee entwickelte.
Doch nicht nur von seinen Ansichten her unterscheidet er sich vom klassischen britischen Trainer, er verkörpert wie bspw. Louis van Gaal das ganzheitliche Prinzip. Das bedeutet, dass er sämtliche Aspekte – auch außerhalb des Platzes – in seine Arbeit mit den Spielern einfließen lässt. Im Gegensatz zum früheren Bayerntrainer macht er das aber nicht mit Strenge, sondern als „Kumpel“ der Spieler. Wenig verwunderlich, dass seine erste Stelle im Fußballbusiness jene des Jugendkoordinators und „Teambetreuers“ war. Er stand jungen Spielern nahe, begleitete sie auf ihrer persönlichen und fußballerischen Entwicklung. Diese Arbeit mit jungen Spielern und oftmals auch psychologischen Aspekten wirkt bis heute nach.
Später wurde er auch Trainer in Reading und feierte Erfolge, was ihn zu Chelsea lotste. Dort erhielt er ebenfalls eine Jugendmannschaft und wurde später sogar von José Mourinho zum Trainer der zweiten Mannschaft befördert. Daraufhin versuchte er sein Glück als Hauptverantwortlicher einer Profimannschaft beim FC Watford in der zweiten Liga. Er rettete sie vom Abstieg und wechselte im nächsten Jahr zu seinem Heimatverein Reading. Jedoch nicht, ohne sich den Unmut Watfords zuzuziehen. Er versprach ihnen lange Zeit, auf alle Fälle weiterhin Coach zu bleiben und wechselte letztlich doch nach Reading. Die Ablöse von einer Million verschmerzte den Abgang allerdings.
Nach einem guten Start folgte eine Dürreperiode, was bereits nach einem halben Jahr zur Entlassung führte. Er übernahm Swansea City und stieg als erster Trainer mit einem walisischen Team in die Premier League auf, wo sie in der Folgesaison den beeindruckenden elften Platz belegten. Der Wechsel zu Liverpool schien nach der Dalglish-Entlassung als die logische Konsequenz.
Seine Ziele mit den Reds
Bei Liverpool will Rodgers die Mentalität des „besonderen Vereines“, welche der Klub seit Shankly und Paisley sein Eigen nennt, wieder stärker propagieren. Er will sich am „pass and move“-Spielstil der damaligen Zeit orientieren, welchen er in seiner eigenen Art und Weise bei Swansea spielte. Allerdings sagte er auch, dass er für Titel auch seinen schönen Fußball tauschen würde.
Damit kann man sich bereits ableiten, wie dieser Fußball aussehen wird. Eine klare Orientierung an Swansea gegen stark pressende schwache Mannschaften wird es sicherlich geben. Den Gegner müde laufen lassen und dann zuschlagen, das entspräche dem „tiefen Ballbesitzspiel“ der Waliser. Doch sobald die Gegner tiefer stehen, was es bei Swansea selten gab, muss das Spiel in die Höhe verlagert. Der Vorteil mit dem mitspielenden Torhüter im Aufbauspiel, welchen Rodgers sehr wichtig findet, fällt somit weg. Stattdessen wird wohl mit einer höheren individuellen Qualität versucht werden, den Ball auch in diesen Zonen in den eigenen Reihen laufen zu lassen.
Die Frage ist, wie Rodgers gegen überlegene Mannschaften spielen lässt und wie er das Spielermaterial, welches ihm zur Verfügung steht, einschätzt. Hält er – wie viele Liverpool-Fans auch – das Team für einen Kandidaten für die Top-Vier oder sieht er es auf den Plätzen danach? Falls er seine Mannschaft rein nominell eher als Kandidaten für die Plätze 5-8 einschätzt, dann wird er gegen Tottenham und Co. versuchen, sich eher tief zu positionieren und das Swansea-Spiel durchsetzen. Ein „Liverpool-Way“ wie gegen tiefstehende Mannschaften ist nicht zu erwarten, vielmehr scheint sogar ein konterorientiertes Spiel möglich. Insbesondere auch, weil auf Schlüsselpositionen die nötigen Spieler für ein Tiki-Taka fehlen.
Wie könnte die Mannschaft aussehen?
Der Fokus liegt klar auf dem Einbauen von spiel- und passstarken Akteuren. Pepe Reina im Tor entspricht zumindest dem Anforderungsprofil eines modernen Torhüters durchaus und bietet einen sicheren Rückhalt. Auf den defensiven Flügeln besitzen sie eher Spieler, die über ihre Geschwindigkeit und Flankenstärke kommen, als über das Kombinationsspiel. Glen Johnson und Jose Enrique dürften jedoch nicht in Frage gestellt werden: sie sind offensiv gut, defensiv solide und an guten Tagen internationale Klasse.
Problematisch wird es auf der Position neben Agger. Der Däne erfüllt die Anforderungen an einen modernen Innenverteidiger, der den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren lassen kann, ist jedoch verletzungsanfällig. Sein Partner dürfte wohl einer aus Wilson, Kelly, Coates oder Skrtel werden. Altstar Carragher ist aufgrund mangelnder Dynamik und Schwächen im Aufbauspiel für dieses System nicht tragbar. Der Hüne Coates hat sich jedoch noch nicht wirklich in der Premier League eingefunden und wie Wilson und Kelly fehlt es ihm noch an Erfahrung. Letzterer ist zumindest ein flexibler Spieler und kann auch auf den Außen spielen, doch ob das zum Stammspieler reicht? Sollte niemand neues kommen, läuft es wohl auf Skrtel hinaus. Der ist zwar am Ball ebenfalls nur Durchschnitt, defensiv und im direkten Zweikampf allerdings eine Bank.
Die Position vor der Abwehr ist fix besetzt. Lucas Leiva verkörpert internationale Klasse und ist ein sauberer Spieler als Sechser: kaum Ballverluste, sehr gute Defensivleistungen, lediglich die Kreativität geht ihm etwas ab. Dies könnte Steven Gerrard als zweiter Sechser kompensieren, dann dürfte die Abwehr jedoch vor große Probleme gestellt werden. Es ist eher wahrscheinlich, dass Adam, Gerrard, der zurückgekehrte Aquilani und Jordan Henderson sich um die zwei Plätze vor Lucas in einem 4-3-3 streiten werden – falls kein neuer Spieler verpflichtet wird. Mit Jay Spearing gäbe es einen weiteren interessanten Spieler für diese Position. Ein hart arbeitender und technisch sauberer Spieler, der womöglich mit Lucas eine solide Doppelsechs hinter Gerrard bilden könnte. Als Ersatz gäbe es noch Jonjo Shelvey, dem man aber maximal eine Bankrolle zutrauen sollte.
Offensiv wird es, ob bei einem 4-2-1-3 oder einem 4-1-2-3, auf drei Stürmer hinauslaufen. Nach dem Abgang von Kuyt stehen mit dem bisherigen Flop Joe Cole, der vergangene Saison gar in die französische Liga verliehen wurde, und Stewart Downing (letzte Saison 0 Scorerpunkte) zwei als gescheitert geltende Flügelspieler. Dennoch könnten sie in den Planungen eine Rolle spielen, denn nur Suarez dürfte seinen Platz im Außensturm sicher haben. Bellamy ist eher ein Joker, während Dani Pacheco bei seiner Leihe in Madrid nur zu wenig Einsatz kam. Mehr Möglichkeiten gibt es vorne: Suarez kann als Stürmer aushelfen, Borini ist eine hervorragende Neuverpflichtung, die perfekt ins System passt und Carroll bietet eine Option für hohe Bälle und als Zielspieler. Voraussichtlich wird er den Verein verlassen, da ihm die Bank droht – Borini könnte jedoch die Neuverpflichtung der Saison werden. Vorausgesetzt, dass noch gute Mitspieler kommen oder sich die vorhandenen Spieler überraschend entwickeln. Ob das System Rodgers dabei hilft? Die Zeit wird’s zeigen.
Rene Maric, abseits.at
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