Der einst schillernde Name verblasst allmählich. Glanzlos im grauen Tabellenmittelfeld. Die Fanfare der Champions League vergessen. Leere Ränge. Verdrossene Fans. So euphorisch die Saison... Die Gunners in der Krise – Quo vadis, Arsenal?

Der einst schillernde Name verblasst allmählich. Glanzlos im grauen Tabellenmittelfeld. Die Fanfare der Champions League vergessen. Leere Ränge. Verdrossene Fans. So euphorisch die Saison mit den Verpflichtungen von David Luiz, Nicolas Pépé und Kieran Tierney begonnen hatte, herrscht nun weitestgehend Ernüchterung im Norden Londons. Wiedermal sind die Top-4 außer Reichweite und mittlerweile bangt man sogar um die internationalen Startplätze. Wie konnte es dazu kommen? Wo liegen die Probleme? Ist die Ära des Erfolgs endgültig vorbei und müssen die Anhänger der Gunners ihre hohen Erwartungen nach unten schrauben oder brodelt unter der staubigen Oberfläche verstecktes Potenzial, das nur darauf wartet entfesselt zu werden?

Der Glanz alter Tage verblasst…

Lange dauert es, bis man den Namen Arsenal Football Club in der Tabelle endlich zu Gesicht bekommt. Jahre ist es her, als man zuletzt die Chöre der UEFA-Champions-League-Hymne durch das Emirates Stadium schallen hören durfte. Zuletzt war man lediglich Dauergast in der verhältnismäßig glanzlosen Europa League. Selbst in den letzten Saisonen der lebenden Legende Arsène Wenger, war man weit vom früheren Erfolg entfernt und auch sein Nachfolger Unai Emery konnte an die ehemaligen Glanzzeiten des Klubs nicht anschließen. Das Team verfehlte abermals das Ziel der Top-4 und auch im Europa League Finale musste man eine herbe 0:3-Schlappe gegen den Lokalrivalen aus London hinnehmen. Die Mannschaft irrt identitätslos im Mittelfeld der Tabelle. Das magische Kurzpassspiel der Vergangenheit, obwohl so inständig von den Fans herbeigesehnt, wurde seither nie wieder erreicht. Zuletzt fiel man lediglich durch haarsträubende Abwehrfehler und Skandale außerhalb des Platzes auf. Die Fans fragen sich also zu Recht – Quo vadis, Arsenal?

Eine Momentaufnahme

Wirft man einen Blick auf den aktuellen Kader der Gunners, stellt man sich die Frage wofür diese Mannschaft stehen soll? Möchte man zum dominierenden Offensivspiel und aktivem Pressing der Vergangenheit zurückkehren, fehlt es offensichtlich an geeignetem Spielermaterial. In der Schaltzentrale einer jeden Fußballmannschaft, im Mittelfeld, ist der Kader mit klingenden Namen, wie Xhaka und Özil gespickt. Ohne Frage haben diese Spieler diverse Qualitäten im Weltklasse-Format, allerdings gehören Pressing und Laufbereitschaft nicht dazu. Das Spiel der Gunners wirkt lethargisch und behäbig. In der Offensive fehlt es trotz hochkarätiger Namen an der nötigen Durchschlagskraft und in der Defensive hat man mittlerweile 24 Tore in der aktuellen Premier League Saison zugelassen. Im Vergleich dazu hat Crystal Palace, die aktuell auf dem 10. Tabellenplatz rangieren, lediglich 18 Tore erlaubt, aber auch in der Offensive hat man bereits 20 Tore weniger als Manchester City erzielt. Man findet sich also nicht grundlos in der Nichtigkeit der Tabelle wieder.

Die Defensive

In der Defensive hat man in den letzten Spielzeiten mit Mustafi, Sokratis und David Luiz erfahrene, aber äußerst fehleranfällige Spieler verpflichtet. Keiner dieser Spieler genießt das Vertrauen der Fans oder des Neo-Coaches Freddie Ljungberg, der sich aufgrund der schwachen Leistungen immer wieder zur Rotation gezwungen fühlt. Hier muss in den kommenden Transferperioden ohne Zweifel nachgelegt werden. Mit Bellerín, Holding und Neuzugang Tierney stehen hoffnungsvolle junge Spieler im Kader, die jedoch verletzungsanfällig sind und sich immer wieder von längeren Verletzungspausen zurück kämpfen müssen. Bei Kolasinac hat man das Gefühl, dass er lediglich eine Notlösung darstellt und keinesfalls der Wunschspieler ist, der die linke Seite beackern soll und im letzten Drittel die tödliche Flanke in den Strafraum schlägt. Maitland-Niles ist ein äußerst talentierter Spieler, der jedoch auf seiner Wunschposition als rechter Außenstürmer nicht zum Zug kommt und lediglich als Notfall-Lösung auf der rechten Abwehrseite agiert. Vor allem gegen die Kaliber der Premier League hatte er immer wieder seine Probleme in der Defensive und konnte vorwiegend im Angriffsspiel glänzen. Des Weiteren ist das Experiment Chambers als rechter Verteidiger gescheitert, sodass er zuletzt sogar auf seiner angestammten Position in der Innenverteidigung eingesetzt wurde und dort auch durchaus zu überzeugen wusste. Allerdings hat man bei den Verantwortlichen nicht das Gefühl, als würde man langfristig auf ihn bauen. Mit dem jungen Franzosen Saliba hat man bereits eine Neuverpflichtung für die kommende Saison zu vermelden, aber man wird nicht herumkommen, einen maßgeblichen Umbruch einzuleiten und dem französischen Supertalent einen Abwehrchef an die Seite zu stellen, um den überraschenden Abgang des Ex-Kapitäns Laurent Koscielny endgültig kompensieren zu können.

Das Mittelfeld

Im Mittelfeld hat die leihweise Verpflichtung von Dani Ceballos aus Sicht der Gunners nicht den erwünschten Effekt erzielt und auch Lucas Torreira steht seit Wochen unter herber Kritik – er liebäugelte zuletzt sogar mit Abwanderungsgedanken in Richtung Italien. Im Mittelfeld fehlt es Arsenal an Agilität und Schnelligkeit, die Spieler wirken seit Wochen verunsichert. Dies äußert sich vor allem bei Balleroberung, da hier bevorzugt der sichere Pass nach hinten oder auf die Seite gewählt wird. Es fehlt an Spielern die das Zepter in die Hand nehmen, sich ein Herz fassen und den Ball schnell in die gegnerische Hälfte tragen. Der junge Joe Willock würde viele dieser Qualitäten mitbringen, allerdings fehlt es ihm noch etwas an Konstanz und wird wohl noch einige Spiele benötigen, bis er zum Stammspieler avanciert. Guendouzi ist ein weiterer klingender Name der jungen Garde der Gunners. Dass der Spieler über enormes Potenzial verfügt ist unbestritten, aber auch er wirkte zuletzt nicht immer sattelfest und zudem überspielt. Nicht ganz unbegründet hat ihn der neue Trainer zuletzt nur von der Bank ins Spiel gebracht. Außerdem ist er eher defensiv orientiert und kein schnellkräftiger Achter oder Zehner, den Arsenal so dringend benötigen würde, aber auf jeden Fall ein Spieler auf den man in Zukunft bauen muss und auch wird. Xhaka der die Behäbigkeit wie kein anderer Spieler im aktuellen Kader verkörpert und dem man zuletzt sogar aufgrund seines Fehlverhaltens die Schleife abgenommen hatte, wird seither auch immer wieder mit Wechselgerüchten in Verbindung gebracht und somit eine äußerst fragliche Aktie für Zukunft des Teams. Zu erwähnen wäre noch Mesut Özil, der unter Unai Emery oftmals nicht in den Kader berufen wurde und hauptsächlich auf der Ersatzbank vorliebnehmen musste. Obwohl in den vergangenen Wochen die Rufe nach mehr Spielzeit lauter wurden und er aufgrund dessen wieder vermehrt auf dem Rasen stehen durfte, blieb auch er weit unter den Erwartungen und hat in der aktuellen Premier-League-Saison lediglich einen Assist zu Buche stehen.

Der Angriff

Der Sturm ist mit Weltklassespielern gespickt und hier fehlt es dem Team definitiv nicht an Qualität. Mit Aubameyang, Lacazette und dem Neuzugang Nicolas Pépé hat man das Prunkstück des Kaders ganz klar in der Offensive. Allerdings sollte ein skeptischer Blick auf die Kaderplanung geworfen werden, da sowohl Lacazette, als auch Aubameyang, ihre stärkste sowie bevorzugte Position in der Mitte des Angriffs haben, wodurch der zukünftige Trainer, wie er auch heißen möge, vor dem Dilemma stehen wird, entweder einen Spieler nicht auf seiner besten Position spielen zulassen oder auf die Flügel zu verzichten und einen der Spieler auf die Bank vertrösten zu müssen. Mit Saka, Martinelli und Reiss Nelson verfügt man über drei blutjunge Angreifer, denen ohne Zweifel eine glorreiche Zukunft bevorsteht, aber man wird diesen Perspektiv-Spielern, wohl noch etwas Zeit geben müssen, bevor man die Früchte endgültig ernten können wird.

Die Zukunft

Leitet man in den kommenden Wochen und Monaten einen größeren Umbruch ein, trennt sich von Altlasten vergangener Saisonen, führt die jungen Wilden kontinuierlich weiter an das Niveau der Premier League heran und verstärkt sich punktuell mit qualitativen Spielern, steht einer erfolgreichen Zukunft dieser jungen Generation, die möglicherweise eines Tages an die Klasse der sogenannten Invincibles schnuppern können wird, nichts mehr entgegen.

Vor allem aber mangelt es an einem unumstrittenen Abwehrchef, der die Verteidigung an der Hand nimmt und durch das Spiel führt. Des Weiteren fehlt es an Spielern im zentralen Mittelfeld die Schnelligkeit sowie Agilität mitbringen und gleichzeitig das Auge für den freien Mitspieler haben, um die pfeilschnelle Spitze der Gunners bedienen zu können, damit man endlich wieder auf dem nationalen sowie internationalen Parkett ganz oben mitspielen kann.

Fazit

Potenzial ist da. Daran besteht kein Zweifel. Die Gunners stehen aber vor entscheidenden Wochen und Monaten. Verpasst man abermals den Einzug in die Champions League, ist nicht ausgeschlossen, dass Spieler wie Aubameyang und Lacazette ihre Tore demnächst für einen anderen Arbeitgeber erzielen werden. Blickt man jedoch auf die zahlreichen, vielversprechenden Talente im Kader, lässt das die Herzen der Fans mit Sicherheit höherschlagen. Kombiniert der zukünftige Trainer dieses geballte Potenzial mit punktuellen Verstärkungen sowie einer passenden Philosophie, ist der Weg zurück in die Top-4 und darüber hinaus, lediglich eine Frage der Zeit.

Manuel Plaschka, abseits.at

Manuel Plaschka