Vor dem Start der Europameisterschaft 1996 gab es einige Skandale um Gastgeber England und deren Star Paul Gascoigne. Dennoch zog man am Ende ins Halbfinale ein – und Gascoigne wurde zu einem der gefeierten Spieler des Turniers.
Es ist wohl eines der ikonischsten Bilder in der Europameisterschafts-Geschichte. Paul Gascoigne liegt auf dem Rasen, während ihn seine Kollegen Steve McManaman, Alan Shearer und Jamie Redknapp den Inhalt einer Trinkflasche in den geöffneten Mund spritzen. Gascoigne hatte zuvor im Gruppenspiel der EM 1996 gegen Schottland das 2:0 für England erzielt.
Und was für ein Treffer das war! Mit seinem linken Fuß lupft „Gazza“ den Ball über den gegnerischen Verteidiger Colin Hendry. Ehe der sich orientieren kann – und der Ball den Boden berührt-, zieht Gascoigne mit rechts ab. In diesem Moment war Gastgeber England im Turnier angekommen; nach dem ersten Gruppenspiel stand am Ende noch ein enttäuschendes 1:1 gegen die Schweiz auf der Anzeigentafel.
Dass ein Tor des damals 29-jährigen Gascoigne die Initialzündung gab, wird in der Fußballsprache gerne mit dem Wort „ausgerechnet“ umschrieben. Denn noch kurz vor Beginn der EM, forderte die englische Öffentlichkeit seine Streichung aus dem Kader der „Three Lions“.
Der Grund war ein amtliches Saufgelage während der Vorbereitung. Die bestritt das Team in Hongkong – um mehr Ruhe vor der eigenen Presse zu haben. Ein Plan, der hätte funktionieren können… wenn der Nachtclub nicht die Fotos von feiernden Spielern an den heimischen Boulevard weitergegeben hätte.
Und so prangte es auf dem Titel der „Sun“, ein Foto von einem schon etwas derangiert drein blickenden Gascoigne – mit zerrissenem Shirt und einer Flasche in der Hand. Zu seiner Ehrenrettung: McManaman und Teddy Sheringham geben im Hintergrund kein deutlich besseres Bild ab. Doch die volle Breitseite richtete sich vor allem gegen Gascoigne. „Seht euch Gazza an – ein betrunkener Trottel ohne Stolz“, schrieb das Blatt anklagend.
Auf dem Flug von Hongkong zurück nach London benahmen sich die Spieler erneut daneben; die Fluglinie zeigte bei der Polizei einen Schaden von rund 5000 Pfund an. Zwei Fernseher und ein Tisch sollen dabei in Mitleidenschaft gezogen worden sein
Die Empörung im Mutterland des Fußballs war dementsprechend groß. Trainer Terry Venables jedoch ließ sich in seine Planungen nicht hineinreden und stellte sich vor seine Spieler. Die Mannschaft dankte es ihm mit dem Einzug ins Halbfinale – dort war im Elfmeterschießen gegen Deutschland Schluss.
Gascoigne gehörte zu den besten Spielern des Turniers. Trainer-Legende Otto Rehhagel sagte in der Sport Bild über seine Leistung: „Er wurde als Säufer beschimpft, der keine Kondition mehr habe, und strafte alle Lügen. Für mich war er der Top-Spieler der EM, sein Stern strahlte heller als je zuvor.“
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