Die Tabelle der englischen Premier League versetzt in Staunen. Nicht nur das der FC Liverpool die Tabelle mit neun Punkten Vorsprung anführt – hinter den Reds steht nach 13 absolvierten Spielen Leicester City auf Rang zwei. Zusätzlich tummeln sich die Wolverhampton Wanderers und Aufsteiger Sheffield United unter den ersten Sechs. Findet in England ein Paradigmenwechsel statt? Ist das Ende der klassischen Top six eingeläutet?
Das Abschlusstableau der Premier League gab in den letzten Jahren ein gewohntes Bild ab. Auf den ersten sechs Plätzen standen in wechselnder Reihenfolge folgende Teams: Manchester City, Manchester United, Chelsea FC, Arsenal FC, die Tottenham Hotspur und der Liverpool FC. Das letzte Mal als dies anders war: die Saison 2015/16.
Den Fußballromantikern geht bei dem Gedanken an diese Saison wohl immer noch das Herz auf: Leicester City wurde Meister und Southampton FC landete immerhin auf dem sechsten Platz. Liverpool und Chelsea schafften damals nicht den Sprung auf die ersten sechs Ränge. Doch danach brach sie an, die Dominanz der genannten Vereine.
Nach dem Ende dieser Saison jedoch gibt die Tabelle vielleicht ein anderes Bild ab. Die beste Chance darauf, die großen Sechs durcheinander zu wirbeln, hat sicher Leicester City. Die könnten damit die Nachfolge von sich selbst antreten. Denn die letzte Mannschaft, die es auf einen der Champions-League-Plätzen schaffte und nicht zu den etablierten Top Teams gehörte war… Leicester 2016.
Die Foxes haben aktuell 29 Zähler auf dem Konto und sich damit bereits ein Polster von acht Punkten auf den fünften Platz erspielt. Mit nur acht Gegentreffern stellt die Mannschaft von Brendan Rodgers momentan die beste Defensive der Premier League. Offensiv zeichnet sie dabei eine hohe Effizienz aus. So führt Leicester die Torschuss/Tor-Ratio an, eine Statistik, die zeigt, wie viele Tore pro Torschuss fallen. Leicester kommt hierbei auf einen Wert von 0,42. Außer Manchester City erzielt zudem niemand so viele Tore innerhalb des Strafraums (26).
Laut den Expected Goals ist Leicester jedoch eine Mannschaft, die vor allem offensiv stark overperformt: die erzielten Tore übersteigen die Expected Goals gleich um 11,83. Ein Leistungsabfall könnte also kommen. Jedoch zeigt sich das Team ziemlich stabil, gewann die letzten fünf Spiele in Folge und verfügt über eine junge, hungrige Mannschaft. Und mit Jamie Vardy hat Leicester den derzeit besten Torjäger in den eigenen Reihen. Auch das Vorhersagemodell von FiveThirtyEight sieht sie Stand jetzt am Ende unter den Top vier.
Laut diesem Modell würden es Tottenham und Manchester United letztlich aber doch noch unter die ersten Sechs schaffen. Sheffield United und die Wolverhampton Wanderers müssten sich am Ende mit einem Platz im Mittelfeld zufrieden geben.
Zumindest für Sheffield wäre das ein großer Erfolg. Die Mannschaft von Trainer Chris Wilder spielt das erste Mal seit der Saison 2006/07 wieder in der besten Liga Englands und galt vor der Saison als krasser Außenseiter. Doch Wilders taktische Kniffe stellen die gesamte Premier League aktuell vor Probleme. Der plakativste Schachzug sind sicherlich die „overlaping centerbacks“. Einer der Innenverteidiger aus der Dreierkette rückt dabei auf die Außenposition, während sich zum Beispiel ein zentraler Mittelfeldspieler in die Abwehr fallen lässt. So kreieren sie Überladungen.
Das Erfolgsgeheimnis der Blades ist laut Statsbomb jedoch die Tatsache, dass außer Manchester City niemand eine höhere Qualität der Schüsse aufweist: ein Versuch von Sheffield hat einen Expected-Goals-Wert von 0,12.
Teams wie Leicester, Wolverhampton oder Sheffield profitieren dabei natürlich von der Schwäche der etablierten Top Teams. Die Frage, ob Arsenal überhaupt noch zu diesen gezählt werden kann, stellt sich bereits seit den letzten Tagen von Arsene Wenger. Unter dessen Nachfolger Unai Emery hat sich das Team bislang nicht weiterentwickelt.
Vor allem defensiv hat Arsenal Probleme, lässt 16,8 Schüsse des Gegners zu (drittschlechtester Wert der Liga). Laut den Expected Goals steht Arsenal mit Platz acht sogar aktuell besser da, als das Team eigentlich sollte (Platz 13). Alles keine besonders ermutigenden Zahlen. Ob Emery am Ende der Saison noch auf der Trainerbank sitzen wird, ist daher sehr fraglich.
Der Lokalrivale von Tottenham hat einen Trainerwechsel bereits vorgenommen, und hat Maurcio Pochettino durch Jose Mourinho ersetzt, der die ersten beiden Pflichtspiele gleichmal gewinnen konnte. Ob die Verpflichtung des Portugiesen für die langfristige Entwicklung des Klubs jedoch die beste Entscheidung war, wird sich zeigen. Bei seinen ehemaligen Klubs hat er jedenfalls einiges an zerschlagenem Geschirr hinterlassen.
Zudem hat Tottenham einige unzufriedene Spieler in den eigenen Reihen. Christian Eriksen beispielsweise wollte den Verein im Sommer unbedingt verlassen. Und trotz sieben Toren in der Liga spielt Stürmer Harry Kane keine sonderlich überragende Saison; vor allem die wenigen Schussversuche (nur 2,7 pro Spiel) fallen dabei negativ auf.
Eine Mannschaft die eigentlich laut den Zahlen viel besser dastehen sollte als sie es tut, ist Manchester United. Das überrascht etwas anhand der bis dato gezeigten Leistungen. Doch laut den Expected Points haben die Red Devils 7,35 Punkte zu wenig geholt. Dennoch ist es erstaunlich, wie ein Klub mit diesen finanziellen Mitteln in den letzten Jahren derart abstürzen konnte. Ein Grund dafür ist sicherlich die fehlende sportliche Kompetenz auf der Managementebene. Dort wurden in der jüngeren Vergangenheit einfach zu viele durchschnittliche Spieler zu absurd überhöhten Preisen geholt.
Ob letztlich das Ende der Top sechs gekommen ist, wie die Überschrift bewusst reißerisch fragt, ist trotz des bisherigen Saisonverlaufs eher fraglich. Schließlich sind noch einige Spiele zu absolvieren. Anhand der negativen Entwicklung von Arsenal zu urteilen, könnte jedoch vielleicht bald öfters ein Platz unter den besten Sechs freiwerden.
Auch die Beziehung Tottenham/Mourinho löst zunächst einmal eher Skepsis aus. Zudem gilt Besitzer Daniel Levy als ziemlich knausrig. Einige der Leistungsträger werden den Verein wohl überdies in der näheren Zukunft verlassen, wodurch eventuell ein Neuaufbau anstehen könnte. Das würde Mannschaften wie Leicester, Wolverhampton, aber auch Everton oder einem Team, das noch niemand auf der Rechnung hat, die Möglichkeit eröffnen, die bisherigen Strukturen ab und an aufzulösen. Das würde die Premier League sicher nochmals interessanter machen.
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