Guardiolas Manchester City (1): Der Tormann
England 10.April.2016 David Goigitzer 0
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Pep Guardiola mit Ablauf dieser Saison seinen Arbeitgeber wechselt. Es geht nach Manchester City, wo er auf seinen alten Weggefährten Txiki Begiristain trifft. Erwarten wird ihn dort vor allem finanzielle Freiheit, kaum ein Spieler dürfte zu teuer werden. Aber auch ein Team, das ganz und gar nicht nach Peps Stil spielt und diese Saison schon katastrophale Leistungen abliefert. Wie auch bei den Bayern wird der Katalane einiges umstrukturieren müssen. Welche Spieler könnte er holen, welche könnten gehen und welche Formationen könnten mit diesem Spielermaterial gespielt werden? Dies ist natürlich eine spekulative Thematik, dennoch versuchen wir Antworten auf die Fragen, die die Fußballwelt im Sommer bewegen werden, zu finden. Der Einfachheit halber werden wir uns nicht mit Spielern beschäftigen, die beim FC Bayern unter Vertrag stehen, oder Stammspieler beim FC Barcelona sind. Alle Statistiken wurden im Vergleich zudem erhoben aus Spielern, die mindestens 15 Einsätze diese Saison hatten. Auf der Basis der einzelnen Fazits über die Mannschaftsteile werden am Ende dieser Serie die möglichen Formationen besprochen.
Der Torwart
Bei City stehen im Moment drei Torhüter im Kader: Stammtorwart Joe Hart (28), der zweite Torwart Willy Caballero (34), der Hart diese Saison einige Male ersetzte, und Richard Wright (38). Diskutiert wird hier nur die Position des Einser-Torwarts.
Hart steht seit 2006 bei den Citizens unter Vertrag, nach vielen Leihgeschäften, unter anderem zu Birmingham City und den Blackburn Rovers wurde er 2010 das letzte Mal zurückgeholt – dieses Mal um endlich die Position des „Einsers“ zu übernehmen. Seitdem bestritt er 337 Spiele für die Citizens und kassierte ebenso viele Gegentore, 132 Spiele blieb er ohne Gegentore. In dieser Zeit qualifizierte er sich bis auf 2010/11 von da an jede Saison für die Champions League und bestritt insgesamt 58 internationale Partien (Uefa-Cup, Europa League, Champions League, inkl. Quali) und bekam 64 Gegentore, 17 Partien blieb er ohne selbige. Für die englische Nationalmannschaft bestritt er bisher 57 Spiele, 32 ohne Gegentore, 39 Gegentore insgesamt. Kurz gefasst: Hart ist ein international erfahrener Mann und fest etabliert als der beste englische Torwart. Doch qualifiziert ihn das für Peps Spiel? Wird der in Shrewsbury geborene Modellathlet Citys Nummer Eins bleiben, oder wird er einen Konkurrenten bekommen, wenn nicht sogar diesem komplett weichen müssen?
Hart ist hervorragend auf der Linie und hat dies bereits auf hohem Niveau bewiesen, wie zum Beispiel gegen Barcelona 201:
Im Schnitt hält er 4.6 Schüsse pro Match. Seine Reflexe sind stark, er hält Schüsse mit allen möglichen Körperteilen und kommt meist schnell runter bei flachen Schüssen. Hart ist also ein klassischer Shotstopper der Gattung Oliver Kahn. Sein Passspiel könnte durchaus strategischer veranlagt sein, als man dies von einem Premier-League-Torwart vielleicht erwarten könnte. Durch mangelnde Einbindung im Aufbauspiel ist dies jedoch schwer zu beurteilen, vereinzelte Szenen zeigen jedoch durchaus Ansätze von Übersicht und guter Passtechnik. Seine hoch weggeschlagenen Bälle kommen meist recht genau und gehen selten ins Out, jedoch kommen sie manchmal zu kurz. Das letzte Wort ob seiner spielerischen Fähigkeiten ist also noch nicht wirklich gefallen. Er ist diesbezüglich durch die Bank solide und liegt im Overall Rating auf whoscored.com auf Platz 10.
Hart spielt unter Anlaufen des Stürmers einen guten Pass auf seinen Sechser, um das gegnerische Pressing auszuspielen.
Der Engländer hat jedoch auch durchaus seine Probleme: Zwar ist seine herausragende Stärke das Abwehren von Schüssen, jedoch muss man das Wort Abwehren betonen, denn Hart fängt nur sehr selten Bälle. Ob Schüsse oder Flanken, Hart faustet, leitet ab und blockt, und dies oft auch in eine kontrollierte Richtung. Jedoch verhindert das fehlende Fangen, dass der Ball nach gehaltenen Schüssen sauber in der Mannschaft gehalten werden kann. Konter können dadurch selten eingeleitet werden, eine saubere Zirkulation noch weniger. Dies ist ein großer Minuspunkt, bedenkt man die Besessenheit nach Kontrolle des Pep Guardiola. Ebenfalls problematisch: Seine Position wenn der Ball weiter weg vom Tor ist. Ganz abgesehen davon, dass seine fehlende Einbindung im Spielaufbau auch an ihm und seiner vielleicht schwachen Freilaufbewegungen liegen könnte, steht Hart oft sehr weit weg von seiner Viererkette, sei es in oder ohne Ballbesitz. Manchester City spielt eine recht hohe Abwehrlinie, um im höheren Mittelfeldpressing Druck aufzubauen und auf Abseits spielen zu können. Hart hält jedoch oft zu großen Abstand zur Abwehrlinie, sodass er Pässe in den Rücken der Verteidigung nicht wirklich effektiv abfangen kann. Er ist nicht von der Gattung Manuel Neuer, der ja oft einen Libero spielt. Ohne mitschiebenden Torwart ist es sehr risikoreich eine hohe Abwehrlinie zu halten, und dies ist eine der wichtigsten Kriterien für Guardiolas Defensivspiel. Hohes Pressing, aggressives Gegenpressing und ballorientiertes Verschieben in Horizontale und Vertikale sind absolut verpflichtend. Hart würde bei einer solchen Spielweise ein großer Risikofaktor sein. Zudem ist er zwar stark bei Schüssen aus kurzer Distanz, außerhalb des Strafraumes hat er aber Schwächen in der Positionierung und erhält immer wieder vermeidbare Tore.
Die Linie zeigt die ungefähre Höhe der Abwehr zum Zeitpunkt des Passes in die Tiefe in den Lauf von Ibrahimovic. Hart stand dann noch in seinem eigenen Strafraum.
Joe Hart ist also ein grundsolider, starker Torwart, der seine Qualitäten durchaus aufblitzen lässt.. Jedoch fehlt ihm einiges zur absoluten Weltspitze, welche ja Guardiolas Anspruch ist.
Mögliche Ersatzkandidaten
Gerüchte. Manche lieben sie, die anderen verachten sie. Um die Behandlung der möglichen Kandidaten für eine Ablöse Harts zu erörtern lassen wir uns von Gerüchten inspirieren und belegen diese mit Statistiken und Beispielen.
Top- Kandidat #1: Marc-André ter Stegen
Seit einigen wenigen Wochen kursiert das Gerücht, dass der junge deutsche Torwart im Sommer vom FC Barcelona zu Manchester City wechseln soll. Der ehemalige Gladbacher spielt nur in den Pokal-Bewerben für die Katalanen und ist mit dieser Rolle natürlich unzufrieden. Sein Anspruch ist es die Nummer Eins zu sein. Der FC Barcelona plant sicherlich damit ter Stegen mittelfristig aufzubauen und auf Jahre hinaus als Stammtorwart zu behalten. Ob der gebürtige Mönchengladbacher, der seine Fußballerkarriere bei der Borussia aus seinem Heimatort begann, die Geduld und das Vertrauen in die Vereinsführung hat, ist aber fraglich. Hat er diese nicht, ist ein Abgang zu Manchester City durchaus eine logische Möglichkeit. Der deutsche Schlussmann ist statistisch einer der sichersten Passspieler in Europas Torhüterzunft (whoscored.com Rating 7.0), seine Passgenauigkeit liegt bei atemberaubenden 86%! Das ist ein Wert von dem manche Feldspieler nur träumen können. Seine Technik ist sehr sauber, er kann weite und kurze Bälle präzise und scharf mit beiden Füßen spielen, läuft sich stets passend frei und hat eine sehr gute Übersicht. Situativ sah man ihn bereits eine Torhüterkette bilden, eine Augenweide für jeden Progressiv-Taktiker. Er spielt das Pressing des Gegners immer wieder geschickt aus. Sei es durch Schnittstellenpässe, Verlagerungen oder gezielte Heber hinter den Pressingwall auf den freien Mitspieler.
Ter Stegen ist aber auch im „klassischen“ Torhüterspiel zurzeit eines der größten Talente der Welt. Im Gegensatz zu Hart bewegt er sich stets hoch mit der Kette mit, er ist trotz seiner für Tormänner nicht atemberaubenden Körpergröße (1,87 m) sehr sicher bei Flanken, fängt diese meist souverän runter. Auch bei den „Saves“ liegt er vor Hart, 2.8 schafft er im Schnitt pro Spiel. Hart, wie oben bereits erwähnt, liegt bei knappen 2. Aufgrund seines noch jungen Alters ist der 23-Jährige eine Investition in die Zukunft. Die Angst vor Unerfahrenheit hat Guardiola prinzipiell sowieso nicht, aber bei ter Stegen gäbe es dieses Argument auch nicht. Er hat in der Champions League bereits zu Genüge seine Qualität gegen die weltbesten Stürmer bewiesen.
Ter Stegen bildet eine Dreierkette mit seinen Innenverteidigern, lockt das Pressing des Gegners durch kurzes Andribbeln an und spielt danach einen scharfen Pass auf Alba.
Top Kandidat #2: Samir Handanovic
Der 31-jährige Slowene hat den Großteil seiner Karriere in Italien verbracht, wo er für Lazio, Trevios, Rimini, Udinese aufgelaufen ist und dies seit zwei Jahren für Inter Mailand tut. Seit seiner Zeit bei Udinese, eine der größten Talenteschmieden Europas, ist das Können des großen Slawen (1,93 m) bekannt. Er ist ebenfalls ein begnadeter Passspieler (whoscored.com Rating 7.03), seine Passgenauigkeit liegt mit 69 % jedoch deutlich unter der ter Stegens. Dies liegt aber auch an seiner Einbindung, oftmals muss er den Ball eher klären, als produktiv herausspielen. Der Slowene liegt jedoch bei den Saves vor Hart und ter Stegen, mit 3.2 Paraden pro Spiel. Auffallend ist, wie lange er stehen bleibt, bis er auf den Schuss reagiert.
Handanovic bleibt lange stehen und warten auf den Schuss vom Stürmer des Gegners und hält diesen auch.
Vor allem bei Eins-gegen-Eins-Duellen macht sich der gebürtige Ljubljaner groß und zwingt den Stürmer zu einer Handlung. Er spekuliert nicht, sondern verkürzt klug die Winkel und leitet viele seiner gehaltenen Schüsse geschickt vom Tor weg, sodass Nachschüsse selten sind. Aufgrund seiner Körpergröße hat er eine große physische Präsenz im Strafraum die er bei hohen Bällen zu nutzen weiß. Viele der Flankenbälle fängt er, im Gegensatz zu Hart, ebenfalls sehr sicher. Bei Weitschüssen ist Handanovic‘ Stellungsspiel überragend, er nutzt seine Größe um etwas weiter vorne stehen zu können und somit kann er viele Schüsse aus der zweiten Reihe entschärfen. Seine Abstände zur Viererkette im Verschieben halten sich verhältnismäßig gering, dies liegt jedoch auch an der prinzipiell eher tieferen Ausrichtung Inters.
Fazit
Joe Hart ist einer der wichtigsten und etabliertesten Spieler Manchester Citys und für viele Fans und Experten nicht wegzudenken. Sein Fähigkeitenprofil passt jedoch nicht wirklich zum Geschmack Pep Guardiolas, was einen ungewollten Abgang nicht zu unwahrscheinlich macht. Ter Stegen und Handanovic wären definitiv eine Verbesserung auf dieser Position. Pep könnte natürlich auch aufgrund der Vereinstreue zuerst an ihm festhalten und ihm eine „Chance“ geben und sehen, wie er sich mit der Mannschaft weiterentwickelt. Dies tat er zum Beispiel bei Bastian Schweinsteiger, der dann dennoch zu Manchester United ging, nach einer nicht ganz zufriedenstellenden Zeit bei den Bayern unter Guardiola.
David Goigitzer, abseits.at
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David Goigitzer
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