Helden von Istanbul 2005: Was aus den letzten Liverpool-Europacupsiegern wurde?
England 18.Mai.2016 Werner Sonnleitner 0
Vor knapp elf Jahren entstanden im Atatürk Stadion zu Istanbul neue Liverpooler Klublegenden. In dieser Nacht schrieb die Elf von Rafa Benitez Geschichte, als nach einem 0:3 Pausenrückstand das Champions-League-Finale gegen den AC Milan noch gedreht wurde. Jetzt steht der FC Liverpool wieder in einem Europacup-Finale. Zeit um nachzuforschen, was aus den Helden von damals eigentlich geworden ist. Die Protagonisten haben sich mittlerweile in der ganzen Welt verstreut, die weiteren Karrieren sind ebenfalls äußerst unterschiedlich verlaufen.
Jerzy Dudek (43, Polen, Tormann, # 1, Karriereende)
Spielte zwar sieben Jahren in Liverpool, war aber oft nur die Nummer zwei. Doch in Istanbul war er zur Stelle und als Elferheld entnervte er mit Hampelmann-Einlagen die Rossoneris. Die darauffolgende Ode an ihm „Du the Dudek“ stürmte die britischen Charts. Sportlich verlor der Pole danach an Pepe Reina seinen Stammplatz, so wechselte er 2007 zu Real Madrid als Backup und kam vorwiegend im Cup zum Einsatz. Vier Jahre verbrachte er bei den Königlichen, dann hing Dudek die Handschuhe an den Nagel. Dem Fußball ist er heute in erster Linie als Botschafter treu geblieben. So bei der Heim-Euro 2012 oder beim Europa-League Finale 2015 in Warschau.
Djimi Traoré (36, Mali, Linker Verteidiger, # 18, Karriereende)
Der Außenverteidiger wechselte ein Jahr nach dem Wunder von Istanbul zu Charlton und von dort in die weite Fußballwelt. Neun Stationen umfasste die Reise, ehe er bei den Seattle Sounders 2014 seine aktive Karriere ausklingen ließ und in den Trainerstab wechselte. Nun ist er Co-Trainer beim MLS-Club und pfeift so unter anderem Andreas Ivanschitz im Training den Marsch.
Sami Hyypiä (42, Finnland, Innenverteidiger, # 4, Karriereende)
Der blonde Abwehrhüne dominierte von 1999 weg für ein Jahrzehnt die Innenverteidigung der Reds. Ehe es für zwei Saisonen in die Bundesliga zu Leverkusen ging, wohin er später – nach einer Lehrzeit als Co-Trainer beim finnischen Team – als Coach zurückkehrte. Nach nur einem Sieg aus zwölf Partien war das Engagement schnell wieder vorbei. Bei Brighton trat er nach sechs Monaten wegen Erfolgslosigkeit zurück. Jetzt coacht er den Schweizer Erstligisten FC Zürich, der drei Spieltage vor Schluss gegen den Abstieg kämpft.
Jamie Carragher (38, England, Innenverteidiger, #23, Karriereende)
Einer der meist unterschätztesten Abwehrspieler seiner Generation streifte über 700-mal das Trikot der Reds über und beendete 2013 die Karriere als „One-Team-Player“ in seiner Heimatstadt. Neben einem Pub versüßt er sich die Fußballerpension als Kolumnist bei der Daily Mail. Dazu machte er sich als knallharter Analyst bei den Livematches auf Sky UK gemeinsam mit Gary Neville – seinem Rivalen aus aktiven Zeiten – einen Namen.
Steve Finnan (40, Irland, Rechter Verteidiger, # 3, Karriereende)
Spielte für fünf Jahre in Liverpool, ehe er über Espanyol Barcelona und Portsmouth 2010 seine Karriere ausklingen ließ. Das Leben des Iren nahm im Jänner vor dem Endspiel in Istanbul eine tragische Wendung, als er mit überhöhter Geschwindigkeit in Liverpool einen Fußgänger überfuhr, der später seinen Verletzungen erlag. Finnan wurde zwar verhaftet aber nicht verurteilt. Seit seinem Karriereende engagierte er sich für soziale Projekte in Gambia. Vom Fußballgeschäft hat er sich ganz verabschiedet, er arbeitet nun in einer Immobilien-Agentur in London.
Xabi Alonso (34, Spanien, Zentrales Mittelfeld, # 14, FC Bayern)
Der spanische Mittelfeldstratege startete an der Seite von Steven Gerrard und mit dem Champions-League-Pokal seine Karriere richtig durch. Bei Benitez später etwas zu wenig wert geschätzt, kehrte der Spanier gerne in seine Heimat zu Real Madrid zurück. Dort fügte er seiner Titelsammlung einen weiteren CL-Titel, spanische Meisterschaft und Pokal, sowie zwei Europa- und eine Weltmeisterschaft hinzu. Mit deutschen Meistertellern im Gepäck soll nächstes Jahr dann mit dem dritten Verein die europäische Königsklasse gewonnen werden, was bislang nur Clarence Seedorf gelang.
Steven Gerrard (35, England, Zentrales Mittelfeld, # 8, LA Galaxy)
Der Kapitän und Mr. Liverpool zog mit Alonso im Zentrum die Fäden, gemeinsam bildeten sie eines der dynamischsten Mittelfeldduos ihrer Zeit. Der Local Lad wechselte zum Finale seiner Karriere in die MLS zu Los Angeles Galaxy. Eine Rückkehr an die Anfield Road ist wohl nur eine Frage der Zeit, vielleicht sogar in den Betreuerstab von Jürgen Klopp, wohl eher aber in einer anderen Funktion hinter den Kulissen seines Herzensvereins.
Jon Arne Riise (35, Norwegen, Linkes Mittelfeld, # 6, Aalesunds FK)
Bei AS Monaco schaffte der Defensivmann den Durchbruch, ehe er zur Jahrtausendwende an die Anfield Road gelotst wurde. Dort erlebte er sieben feine Jahre am linken Flügel. Bei der AS Roma und dem FC Fulham stand er danach weiterhin im europäischen Rampenlicht. Bei APOEL Nikosia reichte es in der Champions League nur zu 49 Einsatzminuten gegen Paris SG im Oktober 2014. Nach einem kurzen Gastspiel in Indien landete der Rotschopf im März dieses Jahres wieder bei seinem Stammklub. Beim FK Aalesunds in Norwegen wird die Profi-Karriere dort enden, wo sie vor knapp zwanzig Jahren begonnen hat.
Luis García (37, Spanien, Rechtes Mittelfeld, # 10, Central Coast)
In „La Masia“ das Kicken gelernt, schaffte er mit den Reds den großen Durchbruch. 2007 wechselte er zu Atlético Madrid, danach versuchte er sich bei Santander, in Griechenland, Mexiko und Indien, war dazwischen vereinslos, ehe er Anfang dieses Jahres in der australischen A-League andockte. Bei den Central Coast Mariners erzielte der Offensivmann als Stammspieler zwei Treffer in der abgelaufenen Saison für das abgeschlagene Tabellenschlusslicht. Ob sein im Sommer auslaufender Vertrag verlängert wird ist noch nicht bekannt.
Milan Baros (34, Tschechien, Stürmer, # 5, Mladá Boleslav)
Der Finaltorschütze wurde nach dem Finalsieg von Aston Villa abgeworben. Von da an wurde er aber bei kaum einem Verein länger glücklich. Seine Stationen führten in nach Lyon, Portsmouth, Galatasaray, Ostrau, Antalyaspor schlussendlich zu Mladá Boleslav, wo der Angreifer seit Sommer auf Torjagd geht. Mit sechs Treffern in 20 Einsätzen hält der Stürmer den Traum vom tschechischen Vizemeistertitel und der damit einhergehenden Champions-League-Quali weiter am Leben.
Harry Kewell (37, Australien, Stürmer, # 7, Karriereende)
Bei Leeds acht Jahre zum Superstar gereift, ging der Australier für fünf Jahre für die Reds auf Torjagd. Danach folgten noch drei bei Galatasaray. Ausgerechnet in der Stadt, wo das Finalwunder passierte, wurde das Sturmduo wiedervereint. Für drei Jahre gingen Kewell/Baros gemeinsam auf Torjagd und erzielten in Summe 72 Treffer in der türkischen Süperlig. Nach einem einmonatigen Gastspiel in Katar hing Kewell noch ein Jahr in seiner Heimat in Melbourne an, ehe er 2014 die Schuhe an den Nagel hing. Glaubt man Spekulationen, so könnte der türkische Publikumsliebling im Sommer als Trainer zu Galatasaray zurückkehren.
Didi Hamann (42, Deutschland, Defensives Mittelfeld, # 16, Karriereende)
Vom Bayern München über Newcastle ging die Reise nach Liverpool. Dort erlebte er seinen sportlichen Höhepunkt, ehe es danach über Bolton, Manchester City („bevor die Scheichs einstiegen“ wie er ständig peinlich berührt darauf angesprochen betont) und MK Dons 2011 die Karriere beendete. Ein leichter Schlaganfall als aktiver Spieler 1997 sorgte für Bestürzung. Nach der Scheidung stürzte der Bayer in ein Loch aus Wett- und Alkoholsucht inklusive Führerscheinentzug. Doch der Kämpfer fightete sich ins Leben zurück und war bei den Großereignissen als TV-Experte für den irischen Sender RTE vor Ort. Ehe er nun in seiner Heimat bei Sky und Spiegel Online das Fußballgeschehen analysiert.
Vladimir Smicer (42, Tschechien, Stürmer, # 11, Karriereende)
Für den Einwechselspieler war das Finale sein letztes Spiel im Reds-Dress. Zuerst in Bordeaux, dann bei seinem Jugendclub Slavia Prag ging eine schillernde Karriere inklusive Vize-Europameistertitel zu Ende. Seine Versuche fortan als Manager des tschechischen Nationalteams oder als Abgeordneter für das Europa-Parlament waren weniger erfolgreich. Nun sitzt er im Vorstand von Slavia Prag und möchte den Hauptstadtklub wieder an die tschechische Spitze bringen.
Djibril Cissé (34, Frankreich, Stürmer, # 9, Karriereende)
Bis der Name „Andy Carroll“ die Anfield Road erreichte, galt Djibril Cissé als das teuerste Missverständnis der Vereinsgeschichte. Für 20 Millionen 2004 aus Auxerre geholt, konnte sich der Offensivmann nie wirklich in Liverpool durchsetzen. Danach folgten Gastspiele bei Marseille, Sunderland, Panathinaikos, Lazio Rom, QPR, Al-Gharafa, Kuban Krasnodar, Bastia und Saint-Pierroise. Im vorigen Sommer beendete er mit nur 33 Jahren seine sportliche Karriere. Für Schlagzeilen sorgt der Franzose weiterhin. Neben seinen Auftritten bei den französischen Dancing Stars, war er auch bei der Sex-Tape-Affäre an der Seite von Karim Benzema einer der Angeklagten.
Rafa Benitez (56, Spanien, Trainer, Newcastle)
Bis 2010 stand der Spanier bei den 350 Spielen der Reds an der Seitenoutlinie. Den so lang ersehnten Meistertitel konnte auch er nicht einfahren. Danach folgten Stationen bei Inter Mailand, Chelsea, Neapel und Real Madrid, ehe er im Frühjahr an der Tyne bei Newcastle anheuerte. Am Wochenende stiegen die Magpies ab, die Zukunft des Madrilenen ist ungewiss. Dass ihm die Reds und die Stadt eine ganz besondere Herzensangelegenheit blieben beweist auch seine 2011 in Liverpool gegründete Kinderstiftung.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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Werner Sonnleitner
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