Historische Vergleiche zu ziehen, ist nicht nur im Fußball immer recht schwierig und problematisch. Dennoch kam mir zuletzt der Gedanke in den Kopf, ob das aktuelle Team des FC Liverpool einmal auf einer Stufe mit den ganz großen Teams der Geschichte stehen wird. Ein Podest, auf das es zuletzt der FC Barcelona unter Pep Guardiola geschafft hat. Hier meine Überlegungen.
Bei der Frage nach einer Mannschaft, der es zuletzt gelang eine Ära zu prägen, landen die meisten wohl beim FC Barcelona unter Pep Guardiola. Zwar gelang es Real Madrid zuletzt die Champions League dreimal in Folge zu gewinnen, jedoch bleibt von diesem Team wenig hängen. Um es anders auszudrücken: es fehlten die großen Ideen, war der Fußball Reals doch sehr pragmatisch und verließ sich vor allem auf die Starpower.
Das soll die Leistung der Königlichen nicht schmälern – aber in Sachen Dominanz und spielerischer Finesse kam man eben nicht an den Erzfeind heran. Es fehlte ein spezifisches Merkmal – mit dem Begriff „Tiki Taka“ werden wohl auch noch spätere Generationen etwas anzufangen wissen.
Doch wie sieht es mit dem FC Liverpool aus? Jenem Team also, dem es letztes Jahr gelang, Real Madrid die Krone im europäischen Vereinsfußball zu entreißen. Werden die Reds als ein „Epochenteam“ -wie ich es nenne – in Erinnerung bleiben?
Tatsache ist, dass gegen die Dominanz dieser Fußballmaschine aktuell kein Kraut gewachsen zu sein scheint. In der Premier League sind sie gerade auf dem Weg, alle möglichen Rekorde zu brechen; von 22 Spielen hat Liverpool 21 gewonnen, eines endete Remis. In der Champions League steht der Titelverteidiger im Achtelfinale, auch im FA-Cup ist die Mannschaft von Jürgen Klopp noch dabei.
Das Triple ist also noch möglich. Das würde bedeuten, dass Liverpool sich zum ersten Mal seit 30 die Meisterschaft holt und den Titel in der Champions League verteidigen könnte, wobei man dort dann drei Finals in Folge gespielt hätte.
Das sind Stand jetzt natürlich rein hypothetische Überlegungen, und nur die reine Anzahl an gewonnenen Titel macht ein Epochenteam nicht aus, wie das Beispiel Real Madrid zeigt. Verfügt der FC Liverpool also über das gewisse Etwas, die großen Ideen? Ich finde: ja.
Da wäre zum einen die Arbeit gegen den Ball, die Liverpool nochmal auf eine neue Stufe gehoben hat. Hinzu kommt das Verhältnis zwischen Ballbesitz und Umschaltfußball. Hier hat Jürgen Klopp und sein Team bislang die ideale Mischung gefunden. Eine Mischung, die in dieser Perfektion wohl noch keinem anderen Verein gelungen ist.
Der FC Liverpool verfügt also durchaus über einen eigenen Stil – der beispielgebend für eine Epoche sein könnte. Nebenbei ist die Mannschaft in der Lage, auch offensiv einen wirklich atemberaubenden Fußball zu spielen – ohne die Effizienz vermissen zu lassen. Die Fähigkeiten des Angriffs-Trios Roberto Firmino, Mohamed Salah und Sadio Mane ergänzen sich dabei perfekt. Mit Klopp gibt es zudem die überragende Trainerpersönlichkeit, die es für ein Epochenteam bedarf.
Während die Stärke von Real Madrid sich vorwiegend darin gezeigt hat, vor allem individuell auf den Positionen überlegen zu sein, macht beim FC Liverpool das System die Spieler stark. Beispiele dafür gibt es einige, so besiegte Liverpool den FC Everton im FA-Cup mit einer besseren Jugendmannschaft; der Kopf im Mittelfeld, Fabinho, fehlte wochenlang – und trotzdem gewann die Mannschaft einfach weiter. Obendrein scheint es egal zu sein, wer neben Virgil van Dijk, dem vielleicht aktuell besten Spieler der Welt (im Sinne vom positionsübergreifenden Einfluss), aufläuft: er wird Teil eines Bollwerk sein. Das System, aber auch van Dijk, leveln Spieler sozusagen auf.
Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass der FC Liverpool einmal als das Team gilt, welches seine Zeit geprägt hat. Zumindest erfüllt die Mannschaft viele Voraussetzungen dafür. Ob es letztlich dazu kommt, hat auch mit Dingen abseits des Sportlichen zu tun. Fußball ist, wie die meisten anderen Sportarten auch, von Narrativen geprägt, von Erzählungen also. An dieser muss der FC Liverpool einfach nur weiter schreiben.
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