Leicester oder Tottenham – wer krönt das Fußballmärchen mit dem Happy End?
England 22.April.2016 Werner Sonnleitner 0
Man soll mit Superlativen ja vorsichtig sein. Doch schon dieses Wochenende könnte tatsächlich etwas Außergewöhnliches fixiert werden: Erstmals könnte ein Österreicher die Premier League gewinnen! Die Titelentscheidung wird natürlich noch nicht fallen, doch der Kreis der Teams, die heuer die Meisterschaft gewinnen können, könnte sich schon auf deren zwei reduzieren: Leicester City und Tottenham Hotspur. Gelingt Arsenal oder Manchester City nicht noch das fast unmögliche Last-Minute-Wunder-Comeback, wird eine echte Überraschungsmannschaft in knapp einem Monat die Sektkorken knallen lassen!
Da der rasante Aufschwung inklusive eines modernen Fußballmärchens…
Der Underdog rockt quasi erst seit April 2015 die Premier League. Im Vorjahr wurde erst im furiosen Saisonfinish überhaupt den Klassenerhalt geschafft. Vom letzten Platz aus ging es in der Schlussphase steil bergauf in die Nichtabstiegszone. Die Gründe für den Erfolgslauf? Die einen vermuten gar überirdische Motive. Seien es die Gebeine von König Richard III., die nach mehreren Jahrhunderten der Unruhe im vorigen Frühjahr ausgerechnet in Leicester begraben wurden und somit ihren Frieden fanden. Oder die buddhistischen Mönche die zufällig genau vor dem Start des Erfolgslaufes das Stadion segneten. Andere sehen es weniger spirituell. Vielleicht liegt es am Ergebnis-Lauf einer Mannschaft die nichts zu verlieren hatte, verbunden mit dem Selbstvertrauen und dem Glauben an etwas Besonderem. Dazu der als ewige Loser abgestempelte Claudio Ranieri auf der Bank, der dort gar nicht gelandet wäre, wenn die Färinger nicht Griechenland blamiert hätten. Man kann hier vieles hineininterpretieren und eine Menge kleiner, verrückter Geschichten über das Sensationsteam erzählen. Gut möglich, dass diese Aufgabe eines Tage Hollywood übernehmen wird. Es waren auf alle Fälle schon viele kleine Zufälle und Mosaikteilchen, die dann in Summe verbunden mit harter Arbeit und einem funktionierenden Teamgefüge ein ganz großes Fußballmärchen ergeben. Eine Geschichte die zumindest schon mal mindestens in die Champions League führt. Doch ein Märchen hat immer auch ein großes Happy End, wird ein solches auch im Millionengeschäft Fußball möglich sein? Nun kann da zum Beispiel der Altherren-Rat der FA eingreifen und Toptorjäger Jamy Vardy für den Rest der Saison aus dem Verkehr ziehen. Ihre Anklage lautet: „Ungebührliches Verhalten“ nachdem der Angreifer vom schwachen Schiedsrichter Jon Moss wegen einer vermeintlichen Schwalbe per Ampelkarte zum vorzeitigen Duschen geschickt wurde.
… dort die konstante Entwicklung & der Zauber des aktuell schönsten Insel-Fußballs
Auch an der White-Hart-Lane hofft man auch auf ein Fußballwunder! Jedoch punkto „englischer Meister“ naturgemäß auf das kleinere der beiden derzeit möglichen. Nicht Leicester sondern die Spurs sollen als Überraschung schlussendlich die erste Premier-League-Trophäe hochstemmen. Im neuen Jahrtausend dümpelten die Londoner im grauen Mittelfeld durchs englische Oberhaus. Meist in der oberen Tabellenhälfte, jedoch nur selten im Takt mit den ganz Großen. Dann am Tiefpunkt, weil Tabellenschlusslicht, übernahm im Oktober 2008 Harry Redknapp die Spurs und führte den Klub kontinuierlich wieder zu neuer Stärke. Konstant wurde der Kader fortan weiterentwickelt, schmerzliche Abgänge wie zum Beispiel Gareth Bale gut ersetzt. Fußballerisch entwickelte Tottenham einen offensiven, attraktiven Spielstil. In dieser Saison verzaubert das Angriffsspiel die Konkurrenz. Ergebnistechnisch positionierte man sich schon längst als der große Verfolger im Windschatten der Big-Four aus Manchester und London. Immer in der Hoffnung da zu sein, wenn gepatzt wird. Um sich trotz starker Konkurrenz zumindest einen Platz in Europa zu sichern. Heuer wären die Voraussetzungen für den ganz großen Coup ja eigentlich ideal. Manchester City zieht oft lustlos und meist inkonstant durch die Meisterschaft, während United eine Dauerbaustelle und Liverpool auf Identitätssuche ist. Dazu verbucht Chelsea eine Streichsaison und Arsenal ist wie immer wild entschlossen, sich einen seiner beiden Stammplätze drei oder vier zu sichern (Copyright „The Guardian“). Dann bleibt eigentlich nur mehr ein ernsthafter Titelkandidat übrig: Der Weg wäre frei für die Spurs! Eigentlich! Doch dann rennt ausgerechnet ein wildgewordener Abstiegskandidat „riot“…
Die Zielgerade
Bevor wir uns den beiden Hauptprotagonisten widmen, sei natürlich erwähnt, dass man auch Manchester City und Arsenal noch nicht ganz vergessen darf. Mathematisch lebt natürlich noch immer deren Mini-Chance.
Und jetzt Bühne frei für jede Menge Spekulationen! Also, Leicester City geht mit fünf Punkten Vorsprung auf Tottenham in die letzten vier Partien. Nicht schlecht für den Tabellenführer, das Restprogramm wirkt nämlich etwas schwieriger. Dieses Wochenende dürfen beide erst mal im eigenen Stadion ran und müssen den Pflichtsieg einfahren. Christian Fuchs & seine Foxes können am Sonntag gegen Swansea vorlegen, ehe Kevin Wimmer & seine Spurs am Montag gegen West Brom nachziehen müssen. Spätestens dann werden auch die Nerven entscheiden, denn alle Duelle versprechen ihre besondere, eigene Brisanz. Leichester wird auch in den folgenden beiden Runden vorlegen, gegen Manchester United und Everton, ehe Tottenham gegen Chelsea und Southampton jeweils am Tag darauf antworten muss. Das Grande Finale steigt dann zeitgleich am Sonntag, dem 15. Mai. Leicester muss zum amtierenden Meister Chelsea, dem Stadtrivalen von Tottenham! Ob dies gut oder schlecht ist, ist Interpretationssache. Während Tottenham an die raue Nordostküste nach Newcastle muss, da steht ein ungemütlicher Abstiegsfight an. Ob dies nun besser oder schlechter ist, ist ebenso subjektive Interpretationssache.
Zusammengefasst: Vergessen wir einfach sämtliche Experten-Prognosen! Die Premier League hielt sich heuer bislang nämlich an genau gar keine Drehbücher oder Vorhersagen. Wer die leichteren Beine nach der langen Saison und vor allem den freieren Kopf im Psychoduell hat, ist schon mal klar im Vorteil. Zu fast jeden Gegner kann man positive oder negative Vorzeichen finden wenn man nur will. Also, am besten Füße hochlagern, das spannende Titelrennen geniesen und dem eigenen, sentimentalen Favoriten die Daumen drücken! Egal ob Tottenham oder Leicester, es wird auf jeden Fall einmal ein echter Underdog die ganz großen Titelfavoriten schlussendlich geschlagen haben. Und mittendrin statt nur dabei, Kevin Wimmer und Christian Fuchs.
Noch einmal übersichtlich, alles Wissenswerte zum Finale:
- Leicester führt mit Punkten 73 Punkten und +26 Toren die Tabelle an.
- Tottenham mit 68 Punkten und +39 Toren dahinter.
- Aus den letzten 4 Spielen benötigt Leicester maximal 8 Punkte, auf jeden Fall dürfen nicht mehr als 4 gegenüber Tottenham verloren werden (wegen der schlechteren Tordifferenz!).
- Manchester City muss alle 4 Spiele gewinnen. Die Titelchance ist nur mehr theoretisch, weil Leicester da gar nicht mehr punkten dürfte und Tottenham darf nicht mehr als vier Punkte holen.
- Arsenal muss alle 4 Spiele gewinnen, Leicester darf maximal zwei Punkte holen und die Gunners müssen den 5-Punkte-Rückstand auf die Spurs auch noch aufholen.
- Ausfälle: bei Leicester: Jamy Vardy (droht verlängerte Sperre wegen „ungebührlichen Verhaltens gegen den Schiedsrichter“) bzw. bei Tottenham: Nabil Betaleb (Knie-OP).
Das Restprogramm:
Leicester: Swansea (daheim), Manchester Utd (So, 1.5. / auswärts), Everton (Sa, 7.5. / daheim) und Chelsea (So 15.5. / auswärts)
Tottenham: West Bromwich (daheim), Chelsea (Mo, 2.5. / auswärts), Southampton (So, 8.5. / daheim), Newcastle (So 15.5. / auswärts)
Werner Sonnleitner, abseits.at
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Werner Sonnleitner
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