Liverpool startet in die neue Saison: Die Veränderungen, alte Probleme und die „Suarez-Saga“
England 15.August.2013 Philipp Guggenberger 2
Die Saison 13/14 steht vor der Tür, das Eröffnungsspiel steigt in weniger als einer Woche. Im folgenden Artikel werfen wir einen Blick auf den FC Liverpool, der in seine zweite Saison unter Trainer Brendan Rodgers geht.
Die Erwartungen sind hoch. Wie immer eigentlich. Ein CL-Platz ist das klar erklärte, aber schwierige Ziel. Mit den Spurs hat sich ein Konkurrent bereits mit Soldado, Paulinho und Chadli verstärkt, bei den Gunners kann man erstmals seit langem ohne signifikante Abgänge in die neue Saison gehen, ein bis zwei Verstärkungen werden wohl auch noch kommen. Hinzu kommen womöglich noch Lokalrivale Everton mit dem neuen Trainer Roberto Martinez, sowie Michael Laudrups Swansea mit den Stürmerstars Bony und Michu.
Man tätigte die ersten Transfers bereits sehr früh: Kolo Toure kam ablösefrei von Manchester City um den Abgang von Jamie Carragher abzufedern. Des Weiteren hat man es geschafft sich von Andy Carroll zu trennen, definitiv ein Kapitel in der Vereinsgeschichte, über das man in Anfield nicht all zu viel Worte verlieren möchte – er wechselte zu West Ham United. Ebenso beschloss man sich vom jungen Mittelfeldspieler Jonjo Shelvey zu trennen, welcher zu Swansea wechselte.
Den an Napoli verliehen Pepe Reina hat man bereits vorher mit dem Belgier Simon Mignolet aus Sunderland ersetzt, während man sich in der Offensive mit Luis Alberto vom FC Sevilla und Iago Aspas von Celta Vigo verstärkte.
Neuzugänge
Kolo Toure, ein sehr erfahrener, robuster Innenverteidiger, stellt vor allem aufgrund seines – trotz seines Alter – guten Antritts eine Verbesserung zu Carragher dar, da es nun möglich ist, die Viererkette wesentlich höher stehen zu lassen.
Simon Mignolet ist definitiv einer der besten Goalies der abgelaufenen Saison, ein Leader mit extrem starken Reflexen auf der Linie, welcher aber Schwierigkeiten mit dem Herauslaufen bei hohen Bällen hat. Ob er eine Verbesserung zu Pepe Reina darstellt wird sich zeigen.
Iago Aspas, ein schneller, technisch guter Stürmer, der viel arbeitet und sich viel bewegt, gerne mal mit einer schnellen Drehung oder einem Ferserl den Gegner stehen lässt, hat aber noch Schwächen im Abschluss und es fehlt ihm etwas an Durchsetzungsvermögen. Er wird wohl vorerst den Kaderplatz von Suarez einnehmen, kann als Mittelstürmer oder Rechtsaußen eingesetzt werden.
Luis Alberto ist ein technisch ausgezeichneter Mittelfeldspieler, welcher letzte Saison an Barcelona B verliehen war und mit einer beachtlichen Anzahl an Assists auf sich aufmerksam machte. Genau das ist seine Stärke: Er hat das Auge für den Mitspieler, kann als typischer Zehner, Linksaußen oder auch in einem Dreier-Mittelfeld eingesetzt werden. Er wird vorerst nur eine Alternative sein, ist aber ein talentierter junger Mann für die Zukunft.
Wie wird gespielt?
Rodgers bevorzugt einen stark ballbesitzorientierten Fußball sowie eine hoch stehende Viererkette um frühes Pressing zu ermöglichen. Grundsätzlich wird wie in der Vorsaison und in der Pre-Season entweder ein 4-3-3 oder ein 4-2-3-1 gespielt. Je nach Gegner und Personalverfügbarkeit wird das System gewählt. Egal mit welcher Mannschaft man jedoch schlussendlich aufläuft, das Ergebnis ist ein ähnliches: Man versteht es sehr gut den Ball zu halten, den Gegner unter Druck zu setzen, ihn im Spielaufbau zu stören, aber auch sich zurück zu ziehen und auf Konter zu warten.
Doch wie immer funktioniert nicht alles so schnörkellos wie man es gerne hätte. Man hat Probleme mit tief stehenden Gegnern, gegen die das Verschieben, das Bewegen ohne Ball oft wirkungslos wird, weil es spätestens am gegnerischen Strafraum sein Ende findet. Dann fehlt es teilweise an Durchschlagskraft und an jemandem der sich einfach mal durchtankt.
Ligaweit hat man letzte Saison die meisten Chancen heraus gespielt. Dass man dennoch einige Male torlos blieb oder nur Remis spielte liegt des weiteren auch an der teils katastrophalen Chancenauswertung. In beiden Fällen scheinen weder Aspas noch Alberto die gesuchten Lösungen zu sein.
Der Mannschaft fehlt es noch an Zweikampfstärke und Stellungsspiel, man ist noch „zu brav“. Auch fehlt ein kompromissloser Abräumer wie einst Mascherano, der vielleicht die eine oder andere Karte mehr kassiert, aber die Abwehr entlastet. Rodgers scheint aber auch gar nicht darauf aus zu sein. Er dürfte mit Lucas so weit zufrieden zu sein – setzt lieber auf Pressing als auf wirkliche Zweikampfstärke. Das Mittelfeld wird teilweise viel zu einfach umspielt, häufig können gegnerische Spieler relativ einfach durchspazieren. Auch die Präsenz in der Viererabwehrkette lässt nicht selten zu wünschen übrig – man hatte etwa große Probleme mit körperlich starken Stürmern wie Aston Villas Benteke, Toure könnte hier zumindest kurzfristig eine Lösung sein.
Kader
Der Kader wurde mit Aspas und Alberto in der Offensive gut in der Breite verstärkt, was absolut nötig war. Mit Sturridge, Aspas und dem bislang etwas glücklosen Borini stellt man zwar keinen Weltklasse-Sturm, hat aber drei sehr talentierte Leute mit unterschiedlichen Stärken. Dahinter tummeln sich mit Coutinho, Suarez, Henderson und Alberto Spieler mit viel Kreativität. Dazu kommen die talentierten Sterling (18) und Ibe (17), wobei speziell Ersterer diese Saison eine wichtige Rolle spielen könnte, nachdem ihm die Pause in der letzten Rückrunde sichtlich gut getan hat.
Dennoch wäre allgemein mehr Qualität erforderlich, um das Ziel Top-4 zu erfüllen. Rodgers sprach vor Saison davon einen potentiellen „20-Tore-Mann“ holen zu wollen, das Interesse an Mkhitaryan und Diego Costa bestätigte das.
Im Mittelfeld ist man mit Allen, Henderson, Alberto, Gerrard und Lucas recht gut besetzt, doch auch hier fehlt etwas die Klasse, der angesprochene Abräumer oder zumindest eine echte Alternative zu Lucas. Lucas und Gerrard werden gesetzt sein, allerdings wirkt Lucas bei Vorstößen Gerrards im defensiven Stellungsspiel schnell überfordert. Spielt man mit Allen und/oder Henderson neben Lucas steht Liverpool besser, verliert dadurch einen zusätzlichen Offensivspieler, die Zweikampfschwäche bleibt dennoch bestehen.
In der Defensive hapert es vor allem auf der linken Seite: Enrique spielte eine außerordentlich schwache Vorbereitung und präsentierte sich auch in der Rückrunde alles andere als überzeugend. Auch hier hat Rodgers bestätigt, dass man noch nach einer Verstärkung sucht. In der Innenverteidigung rund um Agger, Toure, Skrtel, Coates und dem jungen Wisdom werden die Karten neu gemischt. Ein stabiler Stamminnenverteidiger neben Agger wäre noch von Nöten, denn weder Skrtel noch Coates konnten zuletzt überzeugen – die Zukunft der beiden ist offen. Auf der rechten Abwehrseite ist neben Johnson und Kelly auch Wisdom eine Option.
Doch die wichtigste Personalie von allen ist aber jene, die im Kampf um die Top-4 entscheidend sein könnte. Luis Suarez zeigt nicht nur Weltklasseaktionen, sondern liefert auch immer wieder Negativschlagzeilen.
Die Suarez Saga
Es war schon kurz nach Saisonende klar, dass der Sommer für alle Liverpool-Fans wegen Suarez zur Geduldsprobe werden würde. Bereits kurz nach dem letzten Saisonspiel, als Suarez zum Nationalteam von Uruguay stieß, begann die ‚Saga‘. Er begann in Interviews zu betonen, dass er gerne in der Champions League spielen würde und ein Angebot von einem Klub wie Real Madrid nur schwer ausschlagen könnte. Des Weiteren beschwerte er sich mehrmals über die ‚Hetzjagd‘ der englischen Presse nach seiner Bissattacke gegen Chelseas Ivanovic. Auch deshalb würde er gerne die englische Liga verlassen. Man hatte das Gefühl, dass täglich ein neues Interview Suarez‘ auftauche. Nach dem es dann nach dem Confed-Cup etwas ruhiger wurde, brachte das Interesse von Arsenal und das erste Angebot schließlich wieder Feuer in die Sache. Liverpool lehnte das Angebot ohne Zögern ab, ehe Arsenal ein weiteres Angebot unterbreitete, 40 Millionen plus ein Pfund um eine angebliche Klausel in Suarez‘ Vertrag zu aktivieren. Dennoch lehnte Liverpool das Angebot ab. So kam es wie es kommen musste – Suarez lud die englische Presse ein, um ein Interview zu geben. In diesem Interview mit der von Suarez ungeliebten Presse bat er den Verein ihn ziehen zu lassen. Suarez ging aufs Ganze, doch die englische Spielergewerkschaft bestätigte, dass die Klausel in Suarez‘ Vertrag den Klub nicht zum Verkauf zwingt. Ebenso beteuerte der Klub, ihm nichts versprochen zu haben. Suarez scheiterte in seinem Vorhaben einen Wechsel zu erzwingen, aber eine Rückkehr war nicht mehr möglich – das Tischtuch war zerschnitten.
Der Klub blieb aber weiter hart und wird ihn, sofern nicht noch ein lukratives Angebot aus dem Ausland kommt nicht gehen lassen. So wurde er wegen seines Verhaltens und schwacher Trainingsleistungen zum Einzeltraining verdonnert, bis er sich entschuldigt. Ob man dieses Problem noch einmal beheben kann, bleibt fraglich…
Philipp Guggenberger, abseits.at
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