Liverpool und seine Tormänner | Die Strategie hinter der Karius-Beförderung
England 17.Januar.2018 Werner Sonnleitner 0
Es war eine kleine Überraschung, als am Sonntag vor dem Schlager gegen Manchester City die Aufstellung des FC Liverpool veröffentlicht wurde. Simon Mignolet, der die „Reds“ keine zwei Wochen zuvor noch als Kapitän gegen Burnley aufs Feld führte, saß wieder einmal nur auf der Bank. Die nächste Verwunderung sollte nach dem Spiel folgen, als Jürgen Klopp in aller Deutlichkeit ins Mikrofon diktierte, zukünftig mit Loris Karius als „Einser-Goalie“ zu planen. Eine umstrittene, für nicht wenige vielleicht sogar fragwürdige Entscheidung. Aber wohl auch eine gut durchdachte! Wir sehen uns die möglichen Auswirkungen für die Einserposition an der Anfield Road und eine mögliche, beabsichtige Strategie hinter dieser kundgetanen Entscheidung näher an.
Endlich eine stabile Abwehrreihe
Mit dem Trio Virgil Van Dijk, Andrew Robertson und Joe Gomez verfügt der FC Liverpool aktuell schon – zumindest mathematisch zu 75 Prozent – über eine solide Stamm-Hintermannschaft. Die bevorzugte Viererkette komplementiert dann auch kein Schlechter: Mit Joel Matip, Ragnar Klavan, Dejan Lovren, Trent Alexander-Arnold, Alberto Moreno und wohl demnächst auch wieder Nathaniel Clyne stehen Alternativen wie selten zuvor zur Verfügung. Doch zu einer absoluten Premier-League-Spitzenmannschaft fehlt noch ein wesentlicher Baustein: Ein Torhüter, der konstant auf höchstem Niveau agiert. Und da wird man im roten Teil Liverpools seit dem Abgang von Pepe Reina nicht mehr so wirklich glücklich. Nun wurde Simon Mignolet offiziell und wohl auch endgültig von der Position des Stammtormanns degradiert.
Das war‘s für Simon Mignolet
Das „Einserleiberl“ wurde also dieser Tage neu vergeben, was Jürgen Klopp nach dem Manchester-City-Triumph – trotz eines zuvor alles andere als überzeugend agierenden Loris Karius – auch so direkt zu Protokoll gab. Für den Belgier bestätigte sich damit das subjektive Gefühl nun auch in einer offiziellen Aussage, so wirklich glücklich war der Coach mit seinem von den Vorgängern „geerbten“ Stammkeeper nie. Obwohl er sich zuletzt bis auf den Lapsus gegen Arsenal kaum mehr etwas zu Schulden kommen ließ, bemängelte der Trainerstab seine regelmäßige Unkonzentriertheit und vor allem die Nervosität mit dem Spielgerät am Fuß.
Mit fast dreißig Lenzen am Buckel und einer WM mit Belgien vor den Augen, macht Mignolet von der für ihm zusehends frustrierenden Situation keinen Hehl mehr: Ein Abschied noch in diesem Monat aus Liverpool würde wohl irgendwo zwischen „akzeptabel“ und „für alle Seiten das Beste“ hingenommen. Das Transferfenster ist noch bis Ende Jänner offen, deshalb vermutlich auch bewusst die Aussagen vom Coach zu diesem fragwürdigen Zeitpunkt, strahlte doch Karius beim 4:3 Sieg zuvor auch nicht die geforderten Qualitäten aus und wurde beim zwischenzeitlichen Ausgleich in die kurze Ecke düpiert.
Es wäre damit keine Überraschung, wenn der Schlussmann nach viereinhalb Jahren an der Anfield Road in den nächsten Tagen dort seine Zelte abbricht. Das Gespann Karius/Ward wäre eine durchaus vertretbare Option für die bevorstehenden Frühjahrs-Aufgaben. Vielleicht mit etwas Bauchweh, aber wohl immer noch besser, als ein frustrierter Backup Simon Mignolet.
Das Experiment Loris Karius
Loris Karius ist also spätestens seit Sonntag von Jürgen Klopp zum zweiten Mal nach dem Herbst 2016 offiziell zum „Einsergoalie“ geadelt worden. Nicht wenige kritische Stimmen sehen in seinem Landsmann keinen würdigen Stammkeeper für einen englischen Spitzenklub. Bislang strahlte der Ex-Mainzer nicht die geforderte Ruhe aus, dazu konnte er selten mit „Big-Saves“ den Unterschied ausmachen.
Hinter der doch etwas überraschenden Beförderung steckt wohl auch knallhartes, taktisches Kalkül. Klopp gibt dem 24-Jährigen seine vielleicht letzte Chance, sich mit dem vollen Vertrauen des Übungsleiters zu beweisen. Der Titelzug ist längst abgefahren, mit der geballten Offensivpower wird sich der geforderte Champions-League-Platz auch mit einer etwas wackligen Torwartposition ausgehen – so ein möglicher, vielleicht zu optimistischer Denkansatz des Deutschen. Geht der Plan aber auf, geht Liverpool mit einem gestärkten Schlussmann in die nächste Saison. So die zuversichtliche Variante, die aktuell realistischere dieses Gambles lautet jedoch: Wächst der Deutsche nicht in diese Rolle rein, wird im Sommer die Reißleine gezogen, das „Experiment“ abgebrochen und die Suche nach Ersatz am Transfermarkt intensiviert.
Eine mögliche Chance für Danny Ward
Wechselt Simon Mignolet noch im Jänner würde der talentierte Waliser Schlussmann in der Hierarchie auf die „zwei“ vorrücken. Manch ein Fan wünscht sich gar eine noch höhere Position in der Goalie-Rangfolge. Auf jeden Fall wäre der ebenfalls 24-Jährige ein solider Backup, der im Vorjahr den Underdog aus Huddersfield in die Premier League brachte. Dazu könnte Ward auch im Cup oder eventuell sogar in der Meisterschaft endlich Spielminuten sammeln. Bislang reichte es nur zu deren neunzig beim Liga-Cup-Aus gegen Leicester. Ansonsten wärmte er nur den Tribünenplatz vom Vorjahrs-Dreier-Keeper Alexander Manninger. Eine unbefriedigende Situation für den Aufstiegshelden der Vorsaison, für den nun bereits auch mit Blick auf die eigene Karriere längst irgendwo ein fixes Stammleiberl überfällig ist. Bleibt die Perspektive an der Merseyside weiter so trist, wird der Waliser Teamspieler lieber früher als später das Weite suchen wollen.
Klappt das Experiment Karius nicht…
… wird Jürgen Klopp im Sommer die Reißleine ziehen und aktiv am Transfermarkt Ausschau auf der Torwartposition halten. Als englische Lösung wäre Jack Butland von Stoke City dann ein heißer Favorit. Doch bei ihm scheiden sich die Geister, ob er ein wirkliches Upgrade zur Ist-Situation bedeuten würde. Mehr denn je gilt auf der Insel, lieber ein Königreich für einen Tormann, als ein Tormann vom Königreich. Eine denkbare Option könnte auch Klopps Landsmann Kevin Trapp sein, aktuell die Nummer zwei bei Paris SG. Auch ein Bundesliga-Torhüter, wie zum Beispiel Kölns Timo Horn könnte dann auf der Shortlist, für die reizvolle Aufgabe zwischen den Pfosten vor dem Kop, stehen. Die Fan-Foren würden übrigens Jan Oblak favorisieren. Doch der slowenische Teamtormann von Atlético Madrid bleibt ob der satten Ablösesumme nur eine ziemlich unrealistische Spekulation unter den Supportern.
Es ist also durchaus möglich, zumindest könnte man es so interpretieren, als ob Jürgen Klopp nun auch diese jahrelang aufgeschobene Baustelle aktiv in Angriff genommen hätte. Denn klar ist auch, um wirklich wieder ganz vorne anzudocken, benötigt es auch zwischen den Torstangen einen Klassemann, der den Unterschied ausmachen kann. So wie ihn die Konkurrenz aus Manchester United (David de Gea), Tottenham (Hugo Lloris), Chelsea (Tibaut Courtois), Arsenal (Petr Cech) und vielleicht mit Abstrichen Manchester City (Ederson) aktuell schon erfolgreich in den eigenen Reihen hat.
Werner Sonnleitner, abseits.at
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