Vor fast einem Jahr erwarb James Ratcliffe 25% der Anteile an Manchester United. Seither ist fast kein Stein auf dem anderen geblieben, zum Positiven... Manchester United: Die Zeit der Ausreden ist vorbei

Vor fast einem Jahr erwarb James Ratcliffe 25% der Anteile an Manchester United. Seither ist fast kein Stein auf dem anderen geblieben, zum Positiven geändert hat sich jedoch wenig. Warum die Zeit der Ausreden im Old Trafford für INEOS vorbei ist, erläutert der nachfolgende Artikel.

Wembley des Nordens

Man wollte die Fans glücklich stimmen, eine neue Ära einleiten und machte zu Beginn vor allem eines: Großes Versprechen.

Ein neues Stadion sollte her, das Wembley des Nordens. 100.000 Sitzplätze samt Einkaufszentrum, 17.000 neue Wohnungen und eine eigenen U-Bahn-Anbindung. Think big oder: Klotzen statt kleckern.

Milde gestimmt sollten vor allem die Fans werden, die in den letzten Jahren von ihrem Team nicht gerade verwöhnt wurden und dabei zusehen mussten, wie der englische Rekordmeister langsam ins Mittelmaß der Premier League abrutschen sollte.

Doch wer groß träumen will, muss zuerst seinen Alltag in den Griff bekommen und daran scheitert das Team um James Ratcliffe nach wie vor kläglich.

Die Posse um Erik ten Hag

Eigentlich gingen alle davon aus, dass ten Hag im Sommer gehen musste, doch weit gefehlt. Der Holländer durfte bleiben und bekam neben einer Vertragsverlängerung bis Sommer 2026 auch zwei neue holländische Co-Trainer und einen holländischen Tormanntrainer an die Seite gestellt.

Und wäre das nicht genug, kaufte man mit Matthijs de Ligt und Noussair Mazraoui zwei zusätzliche Spieler, die eine gemeinsame Ajax-Vergangenheit mit ten Hag haben. Mit Joshua Zirkzee wurde ein weiterer Wunschspieler des Holländers geholt.

Schlussendlich musste noch United-Urgestein McTominay den Weg nach Neapel antreten, um den Transfer des Argentiniers Manuel Ugarte finanzieren zu können.

Und das alles, um dem angezählten Trainer doch noch irgendwie auf die Beine zu helfen, was wie man jetzt weiß kläglich scheiterte.

Was ist aus der Tradition geworden?

Manchester United entfernt sich immer mehr von dem, was den Klub einst ausgemacht hat.

Kluge Transfers, viele Jugendspieler, die den Sprung in die erste Mannschaft schaffen, personelle Kontinuität, sparsames Wirtschaften und ein offensiver Fußball waren einst das, was den Klub aus dem Old Trafford ausgezeichnet und dazu beigetragen haben, dass der einstige Arbeiterverein in Europas Spitzenklasse mitmischte.

Davon ist nicht viel übriggeblieben. Die Tradition und die Ruhe, die den Klub einst stark gemacht hatte, ist der Panik den Anschluss an die Spitze zu verlieren, gewichen.

Was folgte, ist seit vielen Jahren ein planloser Rundumschlag auf dem Transfermarkt, der zwar viel Geld gekostet aber kaum Erfolge eingebracht hat.

INEOS und James Ratcliffe sorgen seit der Übernahme vor allem mit dem Auswechseln der kompletten Führungsriege für Aufsehen.

Neue Führungsriege

Alles neu lautet wohl das Motto von Ratcliffes INEOS.

Omar Berrada ist neuer CEO, Dan Ashworth neuer Sportdirektor, James Wilcox neuer technischer Direktor und Christopher Vivell neuer Leiter der Scoutingabteilung.

Ratcliffe hat umgerührt und personell in der Führungsetage kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Weg mit den personellen Altlasten, her mit neuen Fachmännern. Ratcliffe scharrt seine Leute um sich und versucht die Personalentscheidungen der Glazers, die wohlgemerkt noch immer die Mehrheit an Manchester United halten, zu revidieren.

Mit Entlassung von ten Hag ist die Zeit der Ausreden vorbei

Bislang konnte man viel Kritik am holländischen Trainer abladen. Unruhe in der Mannschaft, kein schöner Fußball, Transfers der falschen Spieler, kaum Erfolg auf dem Rasen und ein Abrutschen ins Mittelfeld.

Die Kritik am Coach war durchaus gerechtfertigt, noch mehr Rechtfertigung findet aber die Kritik an Ratcliffe und seinem Führungsteam, das in der Causa ten Hag viel zu lang tatenlos zugesehen hat. Ten Hag ist sicherlich kein schlechter Trainer, er tut sich aber leichter mit jungen Spielern als mit Stars. Mit ein Grund, warum er wohl viele ehemalige Spieler um sich versammelt hat.

Mit der Entlassung von ten Hag und der Installation von Ruben Amorim hat James Ratcliffe nun alle Spitzenpositionen neu besetzt. Bringt Amorim keinen Erfolg, ist es Ratcliffe selbst, der sich der Kritik stellen und die Konsequenzen tragen muss. Mit anderen Worten fällt mit Erik ten Hag der letzte Dominostein der Vergangenheit und geht der Letzte, dem man die Schuld für ein schlechtes Abschneiden hat zuschieben können.

INEOS muss liefern und das rasch.

Patrick Stummer