Vor fast genau 70 Jahren, nur wenige Monate nach Ende des zweiten Weltkriegs schickte Josef Stalin den damaligen russischen Meister Dynamo Moskau nach England,... Nebelspiele im Jahr 1945: Die kuriose Niederlage des Arsenal FC gegen Dynamo Moskau

FC Arsenal - Logo, Wappen_abseits.atVor fast genau 70 Jahren, nur wenige Monate nach Ende des zweiten Weltkriegs schickte Josef Stalin den damaligen russischen Meister Dynamo Moskau nach England, um eine Kräftemessen mit den Teams auf der Insel vorzunehmen. Die Gastgeber wussten nicht viel über die Spielstärke der sowjetischen Fußballer, da die Mannschaften dort zwischen den beiden Weltkriegen komplett von der Außenwelt isoliert waren. Am grünen Rasen trafen auch zwei verschiedene Spielauffassungen aufeinander, denn während in England das körperbetonte Spiel zelebriert wurde, setzte man in der Sowjetunion neben einem starken Kollektiv auf ein zumindest für die damalige Zeit technisch sauberes und schnelles Kurzpassspiel.

Die erste Partie im Rahmen der Insel-Tournee fand gegen den FC Chelsea statt und Dynamo Moskau lag schon bald mit 2:0 zurück. Nachdem sich der russische Meister zurückkämpfte und alles nach einem 2:2-Unentschieden aussah, schoss Chelsea-Neuzugang Tommy Lawton in der Schlussphase den 3:2-Führungstreffer. Vsevolod Bobrov, der 1945 und 1947 Torschützenkönig in der sowjetischen Liga wurde und die Reise auf die Insel als Gastspieler antrat, erzielte in den letzten Sekunden jedoch noch den Ausgleich zum 3:3, sodass die erste Partie keinen Sieger sah.

Eines der kuriosesten Spiele der Fußballgeschichte

Nach einem 10:1-Sieg gegen den Drittligisten aus Cardiff wartete das mit Spannung erwartete Spiel gegen den FC Arsenal, der sich mit einzelnen Spielern aus anderen Teams zusätzlich verstärkte. Dynamo Moskau durfte jedoch auch auf fremde Hilfe hoffen, denn eine Bedingung der Gastmannschaft war, dass der mit dem Team mitgereiste sowjetische Schiedsrichter Latyschew die Begegnung leiten würde. Latyschew fiel schon vor dem Anpfiff mit einer fragwürdigen Entscheidung auf, denn eigentlich machte das englische Wetter der Partie einen Strich durch die Rechnung. Als die Mannschaften aufs Feld kamen, war der Nebel so dicht, dass die Partie niemals hätte angepfiffen werden dürfen. Die 54.000 Zuschauer im Stadion konnten so gut wie nichts erkennen, die Spielzüge konnten höchstens erahnt werden. Nach 30 Sekunden gingen die Gäste in Führung, die meisten Fans werden dieses Tor nicht gesehen haben, obwohl sie im Stadion waren. Arsenal spielte in den weiteren ersten 45 Minuten groß auf und führte knapp vor der Pause mit 3:1. Beskov gelang vor dem Halbzeitpfiff des Spielleiters jedoch noch der Anschlusstreffer zum 2:3.

Nebelspiele

Als die Spieler sich zur Halbzeitpause in den Kabinen befanden, verschlechterten sich die Bedingungen drastisch. Während die Zuschauer in der ersten Hälfe zumindest noch erahnen konnten, dass sie einem Fußballspiel beiwohnten, waren mit Wiederbeginn der zweiten Halbzeit nicht einmal mehr die Konturen der Spieler zu erkennen. Es gibt mehrere Spekulationen weshalb sich Referee Latyschew dazu entschloss weiterspielen zu lassen. Einerseits sollen größere Geldsummen auf den Ausgang der Partie gesetzt worden sein, andererseits trachtete die Sowjetunion unbedingt nach einem großen Prestigeerfolg auf der Insel. Ein Arsenal-Funktionär gab nach dem Spiel an, dass er eine Unterhaltung in der Pause mithörte, in der der Schiedsrichter vom russischen Trainer aufgefordert wurde, das Spiel abzubrechen, sobald Arsenal uneinholbar in Führung liegt. Sollte Dynamo aber Chancen auf den Sieg haben, müsse die Partie unter allen Bedingungen zu Ende gebracht werden.

Überzahl ohne Ausschluss

Es dauerte nicht lange bis Dynamo Moskau den Ausgleich erzielte. Der Treffer war laut den Arsenal-Spielern jedoch eindeutig irregulär, da Torschütze Soloviev meterweit im Abseits stand. Der sowjetische Schiedsrichter hatte anscheinend Angst, dass er mit den Akteuren am Fußballfeld zusammenstößt und beorderte beide Assistenten auf eine Seitenlinie, während er auf der anderen Seite des Platzes stand. Es wurde jedoch noch kurioser, denn Dynamo wechselte einen Spieler ein, ohne den ausgewechselten Kicker vom Platz zu nehmen. Aufgrund des dichten Nebels fiel es zunächst niemandem auf, dass zwölf sowjetische Spieler am Platz standen. Erst nach 20 Minuten zählten die Arsenal-Spieler die gegnerische Mannschaft durch und machten den Referee auf den “Fehler“ aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Gunners jedoch 4:3 zurück, denn während sie in Unterzahl spielten, kassierten sie den letzten Treffer dieser unglaublichen Partie.

Nach dem Spiel sagte Arsenal-Kapitän Cliff Bastin, dass der Schiedsrichter selbst dann einen Treffer gegen seine Mannschaft gegeben hätte, wenn die gegnerischen Spieler den Ball mit der Hand ins Tor getragen hätten. Ganz unrecht wird er mit dieser Aussage nicht gehabt haben.

Unentschieden gegen harte Schotten

Zum Abschluss der Gastspiele remisierte Dynamo Moskau vor 92.000 Zuschauern im Ibrox Park gegen die Rangers. Beim 2:2-Unentschieden waren die Gäste den Schotten in allen technischen Belangen überlegen, taten sich jedoch gegen den physisch starken Gegner schwer. Die Spieler von Dynamo wurden nach ihrer Ankunft in der Sowjetunion wie Nationalhelden gefeiert und Stalin nutzte die positiven Resultate für seine Zwecke. Das Ziel die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern mittels dieser Freundschaftsspiele zu stärken, wurde jedoch verfehlt.

Erfolge erst nach Stalins Tod

Großbritannien nahm die Resultate auf die leichte Schulter und spielte sie medial herunter. Dabei hätten durchaus Lehren aus den Begegnungen mit dem technisch überlegenen Gegner gezogen werden können. Erst acht Jahre später, bei der 6:3-Niederlage gegen Ungarn vor 105.000 Zuschauern im Wembley-Stadion wurde es auch für den letzten Fan offensichtlich, dass die Trainingsmethoden und die technische Ausbildung der Spieler nicht mehr zeitgemäß waren. Doch auf Stalin hatte sich verschätzt, denn nach den Erfolgserlebnissen gegen die englischen Mannschaften rechnete er mit einem Olympiasieg im Sieg Jahr 1952. Die Sowjetunion musste sich jedoch bereits im Achtelfinale ausgerechnet Jugoslawien geschlagen geben, der Mannschaft von Josip Broz Tito. Vier Jahre vor dieser Partie kam es zu einem Bruch zwischen Stalin und dem jugoslawischen Staatspräsidenten und Stalin verdächtigte danach seine Spieler, dass sie als Titos Spione absichtlich die Partie verloren. Erst nach Stalins Tod (1953) erlebte der sowjetische Fußball mit dem Olympiasieg 1956 und dem Gewinn der Europameisterschaft 1960 eine Blütezeit.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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