In der vergangenen Saison war Everton die Überraschungsmannschaft in der englischen Premier League. Sie galten (und gelten) neben Swansea City, Arsenal und Manchester City... Nur sechs Punkte nach sieben Spieltagen | Warum kommt der Everton F.C. nicht in die Gänge?

FC Everton Wappen LogoIn der vergangenen Saison war Everton die Überraschungsmannschaft in der englischen Premier League. Sie galten (und gelten) neben Swansea City, Arsenal und Manchester City als eine der wenigen ballbesitzorientierten Mannschaften in der Liga. Sie beendeten die Liga auf Platz fünf und hätten sich beinahe noch für die Champions League qualifizieren können. Dabei beeindruckten sie mit Spielstärke und taktischer Intelligenz, die sich insbesondere im offensiven Positionsspiel und dem Pressing zeigte. In dieser Saison scheinen sie aber nur der Schatten ihrer selbst zu sein. Dieser Artikel soll sich auf die Veränderungen und mögliche Ursachen für diese Veränderung konzentrieren.

Abgewandertes Personal? Im Gegenteil!

Meistens sind nach solchen sehr guten Saisonen kleinerer Mannschaften die Spieler bei größeren Vereinen heiß begehrt, bringen Unruhe in den Verein und verlassen ihn meistens; Red Bull Salzburg kann mit Sadio Mané ein Lied davon singen. Bei zahlreichen Mannschaften ist es die verringerte individuelle Qualität, welche sich dann in der zweiten Saison negativ auswirkt. Bei Everton ist so etwas nicht zu vermuten: Leihspieler wie u.a. Gerard Deulofeu oder Lacina Traoré wurden abgegeben, die allerdings kaum eine Rolle spielten und nur Deulofeu hatte als Einwechselspieler in einzelnen Spielen größeren Einfluss. Einzig Innenverteidiger Shane Duffy wurde verkauft, doch auch er spielte eigentlich keine Rolle.

Stattdessen hat sich Everton eher verstärkt: Gareth Barry und Romelu Lukaku wurden für insgesamt knapp über 35 Millionen nach ihrer letztjährigen Leihe fix verpflichtet, Samuel Eto’o und Muhamed Besic kamen noch als hochklassige Optionen für den zweiten Anzug hinzu. Insbesondere der erst 21-jährige Besic sollte mit seinem großen Potenzial in den nächsten Jahren eine größere Rolle spielen und stellt zumindest mittelfristig absolut eine Verstärkung dar. Dennoch hat sich die Qualität der Einzelspieler im Vergleich zum Vorjahr verändert.

Verletzungspech und Formschwächen?

Letztens hat sich Innenverteidiger-Talent John Stones eine Knöchelverletzung zugezogen, die ihn für drei Monate außer Gefecht setzt. In Anbetracht der schwächeren Ergebnisse könnte man davon ausgehen, dass Stones‘ Verletzung nicht die einzige ist und die Verletzungen eines der größten Probleme sein könnten – doch das ist nicht wirklich der Fall. Zwar fielen mit Bryan Oviedo und Arouna Koné zwei wichtige Akteure aus, doch beide sind zu verschmerzen. Lediglich der Ausfall Ross Barkleys (der seit Saisonbeginn fehlt) ist eine klare Schwächung der Stammelf.

Trotzdem ist es eher der Fall, dass die Spieler ihre letztjährige Form nicht abrufen können. Die Außenverteidiger Leighton Baines und Seamus Coleman sind zwar weiterhin präsent in der Offensive, doch haben defensiv einzelne instabile Phasen. Die meisten Probleme sind aber im Mittelfeld zu suchen. Darron Gibson als zentraler Mittelfeldspieler zeigte wie auch James McCarthy nicht so überzeugende Leistungen wie in der Vorsaison, Leon Osman als mögliche weitere Alternative kann ebenso wenig imponieren. Nur McCarthy kam bislang von Beginn an zu Einsatz.

Ähnliche Formprobleme haben auch die Offensivspieler um Steven Peinaar, Aiden McGeady und Kevin Mirallas, die nur in einzelnen Partien überzeugen konnten. Mittelstürmer Romelu Lukaku hat ebenfalls Probleme – bei ihm sind sie schon gegen Ende der Vorsaison aufgetaucht. Doch solche Probleme kommen in dieser Zahl nicht von ungefähr.

Taktische und strategische Ursachen als zusätzlicher Faktor

Natürlich spielen bei Formproblemen mangelnde Zeit und Möglichkeiten im Training sowie physische und psychologische Aspekte eine Rolle, doch häufig liegt es auch an der Taktik und Strategie. Stimmen die Abläufe nicht mehr, dann fehlt den Spielern zum Beispiel die klare Richtlinie im Passspiel – sie können nicht sofort weiterspielen, sondern verlieren eine Sekunde auf der Suche nach Passoptionen, bevor sie abspielen können. Dadurch sind sie einfacher zu pressen – oder spielen Fehlpässe, wenn sie sofort „blind“ weiterspielen.

Das mag zwar nicht so schlimm klingen, ist aber bei einer passorientierten Mannschaft in der englischen Liga ungemein wichtig. Desweiteren ist Roberto Martinez Anhänger des spanischen Positionsspiels, nach welchem gewisse Positionen auf dem Platz von seinen Spielern bei bestimmten Ballpositionen eingenommen werden müssen. Innerhalb dieser flexiblen Staffelungen wird der Ball möglichst schnell zirkuliert; diese Zirkulation ist zurzeit aber langsamer und ungenauer, wodurch Everton insbesondere beim Übergang vom zweiten ins letzte Spielfelddrittel Probleme hat.

Das Aufbauspiel funktioniert nach wie vor vergleichsweise gut, doch sobald nach vorne gespielt werden soll, fehlt es an den Verbindungen. Dadurch verlieren sie dann in der gegnerischen Hälfte Bälle oder kommen nicht zu Chancen. Dieses Problem ist auch auf die mangelnde Kompaktheit und Harmonie im gemeinsamen Aufrücken zurückzuführen. Allerdings haben sie diese Probleme meistens nur gegen sehr kompakte Mannschaften – gegen instabile Mannschaften kommen sie weiterhin auf ihre Treffer und zu Chancen. Darum haben sie mit 13 Toren die viertmeisten in der Liga, viele davon aber nach Standards und einfachen Flügelangriffen. Trotzdem liegen sie nur auf Platz 17 in der Liga.

In der Defensive liegt also der Hauptgrund ihrer Probleme; doch die Probleme sind auch in der Offensive zu suchen. Eben weil die Staffelungen nicht passen, ist das Gegenpressing nach Ballverlusten nicht mehr so effektiv und der Klub ist mit seiner Spielweise überaus konteranfällig. Beim ballorientierten Verschieben ist man außerdem weniger kompakt als in der Vorsaison, übt dadurch weniger Druck aus und lässt mehr Chancen zu. Das Pressing insgesamt ist schwächer und darum sind die Toffees deutlich anfälliger – mit 16 Gegentoren haben sie bislang sogar die meisten Treffer in der Liga erhalten.

Fazit

Everton befindet sich auf Platz 17 und somit in einer Krise. Es wurden schon Stimmen laut, welche dies auf Roberto Martinez zurückführen; schon bei Wigan soll, so die Meinung der Kritiker, seine Abwehr Jahr für Jahr schwächer und instabiler geworden sein. Die Vorsaison sei nach den Experten eher ein Produkt aus der stabilen Defensive von Moyes 2012/13 und Roberto Martinez‘ eintrainierter offensiver Stärke gewesen, die nicht mehr zu wiederholen ist. Ob das stimmt, steht in den Sternen.

Fakt ist aber, dass es aktuell einige Probleme in der Defensive gibt und die Offensive sich sogar eher über Wert, als unter Wert in puncto Effektivität verkauft hat. Gleichzeitig ist aber zu erwarten, dass sich Everton in den nächsten Wochen wieder hocharbeiten wird. Entscheidend wird neben Glück und Pech auch sein, ob Martinez es schafft die guten Anpassungen der Gegner in dieser Saison neutralisieren zu können. Sie stellen nämlich eine weitere Facette dieser Krise dar.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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