Normalerweise sind Mourinhos Mannschaften in der zweiten Saison unter dem portugiesischen Coach „Ergebnismaschinen“. Im Schnitt holte Mourinho in seiner zweiten Saison bei seinen bisherigen... Quo vadis, Chelsea? Wohin geht die Reise mit José Mourinho?

José MourinhoNormalerweise sind Mourinhos Mannschaften in der zweiten Saison unter dem portugiesischen Coach „Ergebnismaschinen“. Im Schnitt holte Mourinho in seiner zweiten Saison bei seinen bisherigen Vereinsstationen knapp über zwei Titel. Bei jeder Vereinsstation schien hierbei der Meistertitel vorprogrammiert, sowie eine oder zwei zusätzliche Trophäen, unter anderem die Champions League mit Inter Mailand und mit dem FC Porto. Bei Real schaffte man es sogar, in der Saison 2011/12 das übermächtig erscheinende Barcelona zu stürzen und mit 100 Punkten eine Rekordsaison hinzulegen.

Sogar Mourinho selbst sprach davon, dass die zweite Saison für ihn am besten ist:

„But when I won it at Porto, it was my second season. Inter [with whom he won the Champions League in 2010] was also my second season. I think the second season is a privileged place to have the team in very good conditions.“

Und bei Chelsea hat er eigentlich in dieser Saison – seiner zweiten in seiner zweiten Chelsea-Ära – durchaus gute Arbeit geleistet. Doch trotzdem bleibt nach dem CL-Ausscheiden ein fahler Beigeschmack, obgleich Chelsea wohl auch in dieser Saison zwei Titel holen wird. Der League Cup wurde bereits fixiert, in der Liga hat man bei einem Spiel weniger sechs Punkte Vorsprung auf Manchester City. Dennoch ist die Kritik berechtigt: Chelsea ist nämlich im Saisonverlauf graduell schwächer geworden.

Wo ist der starke Saisonbeginn geblieben?

Zu Saisonbeginn waren die Engländer verblüfft und beeindruckt von Mourinhos Chelsea. Es schien, als hätte Mourinho sich etwas von seiner defensivorientierten Spielweise entfernt. Mit Fabregas und Matic als Doppelsechs hinter Oscar, Hazard und Willian sowie Torjäger Diego Costa ganz vorne war man grundsätzlich offensiv besetzt und zeigte ein sehr flexibles und kombinationsstarkes Offensivspiel in den ersten Wochen. Das hat allerdings abgebaut.

19 Tore waren es noch in den ersten sechs Saisonspielen. Nach neun Partien waren es 24, doch hier flaute die Quote schon leicht ab. Ende Februar waren es „nur“ noch 56 Treffer in 26 Partien. Aus einer Quote von knapp über drei Toren pro Spiel wurde eine etwas über 2 im Schnitt. Der Sieg im League Cup gegen Tottenham wurde nicht allzu souverän eingefahren und Ende Januar flog man gegen Bradford City 2:4 im FA-Cup in der vierten Runde raus.

Wieso hat sich das verändert? Auffällig ist, dass Mourinho verstärkt wieder auf eine defensivere Ausrichtung und Rollenverteilung zurückgriff. Oscar und/oder Willian rückten vermehrt aus der Mannschaft, Fabregas wurde auf die Zehn geschoben und an seiner Stelle agierten Spieler wie Ramires oder sogar die Innenverteidiger Kurt Zouma und Gary Cahill neben Matic auf der Doppelsechs. Damit war man defensiv allerdings – wenn überhaupt – nur marginal stabiler, da keiner dieser drei Akteure gegen den Ball im Mittelfeldzentrum obere internationale Klasse verkörpert.

Gleichzeitig kam das Offensivspiel etwas abhanden. Mit einem offensivstarken Spieler weniger gingen auch die Positionswechsel und die Dynamik im Kombinationsspiel verloren. Fabregas ist auf der Zehn außerdem weniger torgefährlich und spielmachend, stattdessen aber anfälliger für Ballverluste, wodurch die Präsenz, Kreativität und sogar Stabilität in der Ballzirkulation weniger wurden. Aus dem beeindruckenden schnellen Angriffsspiel – ob nach dem Umschalten in die Offensive oder in eigenem Ballbesitz – mit vielen Rochaden und Rotationen wurde eine deutlich trägere und weniger durchschlagskräftigere Spielweise.

Mourinhos Defensivausrichtung wurde in gewisser Weise zum paradoxen Selbstläufer. Weil Chelsea defensiver spielte, hatten sie in den letzten Wochen durch den geringeren Ballbesitz, die weniger gewordenen Entlastungsangriffe und das nicht mehr mögliche Zurückhalten des Gegners die Spielkontrolle früherer Phasen nicht mehr.

Der Übergang von der eigentlich zu offensiven Spielweise zu Beginn zu dieser zu defensiven Spielweise war der beste Teilabschnitt. Aktuell wirken sie jedoch gefangen in einer Spielweise, die nicht zu ihnen passt. Mit Hazard, Oscar, Willian, Cuadrado, Matic und Fabregas haben die Mittelfeldspieler schlichtweg einen anderen Rhythmus als die eher konservativen und klassischen Verteidiger hinter ihnen. Desweiteren wirkt Chelsea auch schlichtweg etwas außer Form.

Kleiner Kader fordert Tribut trotz wenigen Verletzungen

In einem früheren Artikel wurde Mourinhos Trainingsmethodik gelobt. Er hat kaum Verletzte, kann fast immer die gleiche Elf aufstellen und die Spieler wirken eigentlich die gesamte Saison fit. Diese Spielzeit trieb er es allerdings auf die Spitze. Mit einem enorm kleinen Kader spielte er fast die gesamte Saisonhälfte durch, ohne wirklich die Spieler zu rotieren. Sogar namhafte Ersatzspieler wie Schürrle, Filipe Luis, Mikel, Ramires, Zouma und Drogba kamen bzw. kommen relativ selten zum Einsatz.

An sich ist das kaum ein Problem, doch erstmals schien seinen Spielern in dieser Saison die Luft auszugehen. Um in Anbetracht all dieser englischen Wochen mit so wenigen Verletzten und gleichzeitig so wenig Rotation durchzukommen, muss man viele Regenerationstrainings einbauen. Langfristig wirkt sich das jedoch etwas auf die Fitness und taktische Abstimmung aus; die Mannschaft war in den letzten Wochen ungewohnt unsauber für eine Mourinho-Elf und hatte immer wieder kleinere Böcke. Sinnbild dafür standen Terry und Cahill, die sich beim 2:2 von Thiago Silva für PSG in der letzten Woche gegenseitig deckten.

Vermutlich ist das schwache Offensivspiel durchaus auch darauf zurückzuführen, dass im Training nicht ganz mit der Intensität gearbeitet werden konnte, die sich Mourinho normalerweise vorstellt. Das erklärt auch, wieso das komplexe Bewegungsspiel in der Offensive Mitte der Hinrunde und auch das ein paar Mal gesehene höhere Pressing nicht mehr genutzt wurden.

Mourinho fokussierte sich stattdessen auf die Defensive und das Konterspiel in und neben den Regenerationstrainings; das ist verständlich. Taktisch und strategisch ist es besser aufrechtzuerhalten, weil sie weniger schwierig zu trainieren sind. Gleichzeitig hat Mourinho natürlich ein Faible für diese Spielweise und durchaus passende Spieler. Außerdem ist es in der Champions League im Normalfall möglich, dass man bei guter Umsetzung und hoher individueller Qualität auch Topfavoriten aus dem Wettbewerb kegeln kann. Dieses Mal klappte es nicht, weil Chelsea gegen zehn Mann nicht von diesem Konterspiel abweichen konnte und PSG wiederum ein herausragendes Spielermaterial – sowie das nötige Glück – besaß, um gegen eine tiefstehende Mannschaft zu bestehen.

Deswegen wird sich Mourinho fragen müssen: Wie geht es weiter? Was kann er mit Chelsea wie erreichen? Ein größerer Kader und eine stärkere Pflege des Offensivspiels dürften die ersten zwei Schritte sein. Mourinho gilt zwar als angezählt, doch jeder weiß, dass der Portugiese nach solchen Niederlagen meist stärker zurückkommt. Diese Krise könnte nur der Nährboden eines weiteren großen Erfolgs sein.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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