Taktikanalyse: Strukturelle Probleme als Grund für die Man-City-Krise
EnglandTaktik & Theorie 27.November.2024 Daniel Mandl
Sechs sieglose Spiele in Folge, innerhalb von vier Tagen ein 0:4 gegen Tottenham Hotspur, das eine stolze Heimserie beendete und ein 3:3 gegen Feyenoord Rotterdam, nachdem man bereits mit 3:0 führte. Manchester City, die dominante Macht des europäischen Fußballs, steht vor ungewohnten Herausforderungen. Wir analysieren dabei nicht den gestrigen „Schock“ gegen den Vierten der Eredivisie, sondern woran es bei den „Citizens“ derzeit strukturell mangelt.
Nach einer bemerkenswerten 32-Spiele-Serie ohne Niederlage hat das Team von Pep Guardiola fünf Spiele in Folge verloren – ein Novum in seiner Trainerkarriere. Auf den ersten Blick könnte dies als temporärer Formtiefpunkt abgetan werden, wie ihn City in der Vergangenheit oft meisterhaft überwunden hat. Doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich tiefergehende Probleme, die das Fundament dieses Teams infrage stellen und vielleicht sogar einen Umbruch einläuten könnten. Zur Erinnerung: Guardiola verlängerte seinen City-Vertrag erst vor kurzem bis 2027.
Rodri: Die Achillesferse des Systems
Der Ausfall von Rodri ist der zentrale Punkt von Manchester Citys aktuellen Schwierigkeiten. Der Spanier, oft als das Herzstück von Guardiolas taktischem Ansatz bezeichnet und Gewinner des letzten Ballon d’Or, fehlt aufgrund eines Kreuzbandrisses. Seine Bedeutung zeigt sich deutlich in den Statistiken: Mit Rodri gewinnt City 73,6 % seiner Spiele, ohne ihn sinkt diese Zahl auf 58,3 %.
Rodris Rolle geht weit über die eines klassischen Ankersechsers hinaus. Er agiert als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff, stabilisiert das Zentrum defensiv und treibt das Spiel nach vorne an. Ohne ihn fehlt City nicht nur eine wichtige Absicherung gegen Konter, sondern auch die Fähigkeit, das Spiel aus der Tiefe zu kontrollieren. Ersatzspieler wie Mateo Kovačić können seine Spielintelligenz und physische Präsenz nicht kompensieren. Es ist klar, dass ohne den 28-jährigen Madrilenen ein Qualitätsabfall sichtbar wird, der sich vor allem in der defensiven Stabilität der Mannschaft manifestiert.
Defensive Probleme: Ein offenes Zentrum
Ohne Rodri werden Citys defensive Schwächen offensichtlicher: Die Mannschaft hat in dieser Saison überraschend viele Gegentore kassiert und liegt auf Platz 17 bei den erwarteten Gegentoren aus Kontern (xG). Der Grund dafür ist der fehlende „Kitt“ vor der Abwehr, was es Gegnern erleichtert, schnell und direkt durchs Zentrum zu spielen.
Teams wie Brighton und Bournemouth haben diese Schwachstelle gnadenlos ausgenutzt. Besonders auffällig ist die Überlastung von Kyle Walker, der auf der rechten Seite immer wieder ins Hintertreffen gerät, während die Innenverteidigung durch die mangelnde Absicherung anfällig bleibt. Guardiola hat hier mit unterschiedlichen Formationen in Ballbesitz experimentiert, darunter ein 3-2-5 und ein 3-1-6 – wie üblich nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Da Manchester City aber ohne Rodri große Probleme in der Spielphase des defensiven Umschaltspiels hat, ist dies alles andere als stabilisierend.
Rodris Abwesenheit zwingt die sonst noch höher schiebenden Innenverteidiger in ein Sicherheitsdenken bzw. in eine etwas tiefere Durchschnittsposition, was Guardiolas typischen Ansatz erschwert. Die Abstände werden dadurch um Nuancen größer, diese sind aber ein enorm wichtiger Faktor für City, um die gegnerische Defensive in einem Block einzuschnüren.
Angriff ohne Vielfalt: Die Haaland-Abhängigkeit
Offensiv hat City ebenfalls an Biss verloren. Während Erling Haaland weiterhin beeindruckende Zahlen liefert – 12 Tore in dieser Saison alleine in der Premier League und damit 55 % der Teamtore – fehlen alternative Torjäger. Flügelspieler wie Phil Foden oder der dorthin umfunktionierte Matheus Nunes haben bisher nicht die erwartete Durchschlagskraft gezeigt und Verletzungen von Schlüsselspielern wie Kevin De Bruyne und Jack Grealish verschärfen das Problem.
Citys Angriffe wirken zunehmend eindimensional. Oft läuft der Ball über die Flügel, bevor er in den Strafraum geflankt wird – eine Herangehensweise, die ohne physisch dominante Spieler neben Haaland leicht zu verteidigen ist. Auch die Qualität der Chancen hat gelitten: Der Non-Penalty-xG-Wert pro Schuss ist im Vergleich zu den vorherigen Saisonen gesunken. Die Gegner versuchen demnach, Haaland abzustellen (was aber natürlich nur schwer gelingt), haben aber dennoch durch die strukturellen Probleme Citys im defensiven Mittelfeldzentrum die Chance sich besser zu entfalten und auch für mehr Entlastung zu sorgen.
Taktische Anpassungen ohne Wirkung
Pep Guardiola ist bekannt für seine Innovationskraft, doch seine jüngsten Anpassungen scheinen nicht zu greifen. Um Rodris Abwesenheit zu kompensieren, setzt er auf ballbesitzorientierte Mittelfeldspieler wie Bernardo Silva, Kovačić und Rico Lewis, die das Tempo des Spiels kontrollieren sollen. Diese Optionen haben jedoch Schwächen offenbart, da sie das Team sowohl physisch als auch defensiv anfälliger machen.
Die Überladung des Zentrums durch kleinere, technisch versierte Spieler führt dazu, dass City Schwierigkeiten hat, Räume in der gegnerischen Defensive effektiv zu nutzen. Auch im Umschaltspiel fehlt es an Intensität, da keiner der Mittelfeldspieler Rodris Fähigkeiten im Gegenpressing besitzt.
Eine alternde Mannschaft und Motivationsfragen
Ein weiteres strukturelles Problem ist die Alterung des Kaders. Schlüsselspieler wie Kyle Walker, İlkay Gündoğan – der in diesem Sommer 33-jährig nach Manchester zurückkehrte – und Kevin De Bruyne nähern sich dem Ende ihrer Karriere und City hat es versäumt, rechtzeitig junge Talente für diese Schlüsselrollen zu integrieren. Dies wirft Fragen zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit aber auch zur Kaderplanung des Teams auf.
Hinzu kommt ein psychologisches Element: Viele Spieler in Guardiolas Mannschaft haben bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Es muss demnach auch die Frage gestellt werden, ob die Motivation, noch einmal an die Grenzen zu gehen, bei allen gleichermaßen vorhanden ist. Kleine, aber entscheidende Nuancen wie fehlende Tacklings oder Laufwege können hier immer wieder zum Faktor werden.
Ein Wendepunkt für Guardiola und Manchester City?
Historisch gesehen hat City die Fähigkeit bewiesen, solche Rückschläge zu überwinden. Ein Beispiel ist die Saison 2020/21, als das Team nach einem holprigen Start den Titel mit einer beeindruckenden Siegesserie sicherte. Doch diesmal wirken die Probleme tiefergehend: Der Kader wird aktuell nicht nur von Verletzungen geplagt, sondern ist auch strukturell unausgewogen wie lange nicht und Guardiolas taktische Flexibilität stößt möglicherweise auch aufgrund der lange praktizierten Abläufe, an die sich die Gegner mittlerweile besser anpassen können, an ihre Grenzen. Wenn dann Qualitätsspieler ausfallen, wird es für das grundsätzlich ausrechenbare „City“ also schwer.
Die kommenden Wochen könnten entscheidend sein. Einerseits bietet das Winter-Transferfenster die Möglichkeit, die Schwachstellen im Kader gezielt zu adressieren – insbesondere im zentralen Mittelfeld. Andererseits sind nun Guardiolas mentale Stärken gefragt. Die Supermannschaft der letzten Jahre neu aufzurichten, wird für den Katalanen eine der schwersten Aufgaben seiner Amtszeit werden. Allerdings ist es auch denkbar, dass sich der Startrainer ein wenig neu erfinden muss, um die grundlegende Flexibilität seiner Mannschaft besser auszunutzen und City wieder „überraschender“ zu machen.
Manchester City steht an einem Scheideweg. Während man von einem Ende der Ära Guardiola und einer Abkehr von der Dominanz in der Premier League noch weit entfernt ist, wird dennoch deutlich, dass die Mannschaft mehr denn je gefordert ist, ihre Identität und Wettbewerbsfähigkeit neu zu definieren. In der Millionärself aus dem Etihad darf sich gerade jetzt niemand aus der Verantwortung nehmen – und das 3:3 gegen Feyenoord ist ein weiteres Warnsignal dafür.
Für den Zweiten der Premier League geht es jedenfalls nicht mit Konsolidierungsspielen weiter. Am 1. Dezember ist die Mannschaft zu Gast an der Anfield Road und bei einer Niederlage könnte der Rückstand auf Liverpool bereits auf elf Punkte anwachsen, was gleichbedeutend mit dem Ende der Titelträume wäre. Danach empfängt City Nottingham Forest, reist zum Auswärtsspiel zu Crystal Palace, trifft in der Königsklasse auswärts auf Juventus und empfängt schließlich Manchester United zum Stadtderby. Bis zum 15. Dezember sollte also klarer sein, wo die Reise der Skyblues hingeht…
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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