Langsam aber sicher werden auch in Großbritannien bald die Tage wieder wärmer. Doch Frühlingsgefühle wollen da beim regelmäßigen Stadiongeher für „seinen“ Verein nur selten... Teure Ticketpreise: Fußballtouristen und immer weniger Atmosphäre in den englischen Stadien

england_fansLangsam aber sicher werden auch in Großbritannien bald die Tage wieder wärmer. Doch Frühlingsgefühle wollen da beim regelmäßigen Stadiongeher für „seinen“ Verein nur selten aufkommen. Ist dies doch auch die Zeit, in der die Finanzabteilungen der Premier-League-Vereine vorsichtig die neuen Eintrittspreise für die kommende Saison veröffentlichen. Und dies sind dann immer häufiger keine großartigen Nachrichten für den englischen Fußball-Fan und schon gar nicht für seine Geldbörse.

Ein Like für den Stadion-Selfie

Dem „Local-Fan“, wird es dabei immer schwieriger gemacht, „seinem“ Klub direkt im Stadion die Treue zu halten. Die Ticketpreise erreichen immer neue Höhenflüge und sind für den Großteil der Arbeiterklasse nicht mehr (regelmäßig) finanzierbar. Ganz gegen dem Sinn der Fußballromantiker: Der Vater aus der Stadt, der mit seinem Sohn zum Match pilgert wird immer öfter vom zahlungskräftigen Touristen ersetzt. Der dann meist nicht die innige Beziehung zum Verein hat, dafür aber mit dem neuesten Fanschal aus dem stadioneigenen Megastore den Selfie aus dem englischen Stadion mit den daheimgebliebenen Facebook-Freunden teilt. Dazu hätte es gar nicht das Management des FC Liverpools gebraucht, die in einer etwas plumpen Presseaussendung die Fans als „Customers“ bezeichneten, dies dann nach einem Shitstorm über die unglückliche Formulierung in ein „Supporters“ korrigierten.

Doch nicht nur die Atmosphäre im englischen Stadion leidet dadurch zwangsläufig, auch die nächste Fangeneration steht auf dem Spiel. Während sich zum Beispiel in Deutschland im Fanblock alle Altersschichten – oft aus der näheren Umgebung des Vereins – treffen, dominiert auf der Insel bei den Stammkunden der schon eher etwas in die Jahre gekommene, meist halbwegs gut verdienende Mann aus der gehobenen Mittelklasse. Teenager die zum Verein aus ihrer Stadt regelmäßig ins Stadion gehen, sind vor allem bei den Spitzenklubs Mangelware. Einerseits sind die Preise für Jugendliche kaum erschwinglich und andererseits ist das Kontingent an günstigeren Tickets oft rar. Ein Teufelskreis, mit dem die Premier League – wenn sie so weiter macht – sich langfristig einen Teil seine eigene Zukunft und damit auch seiner Identität abgraben wird.

Koordinierte Protestaktionen

Der Protest von tausenden Fans des FC Liverpool am vergangenen Wochenende gegen die neuen Ticketpreise, sollte wenn es nach der „FSF“ geht, erst der Anfang sein. FSF steht für „Football Supporter’s Federation“ und ist eine englisch-walisische Fanvereinigung quer über sämtliche Stadien-Grenzen hinweg. Quasi die Gewerkschaft des einfachen Fußballfans, der zu vernünftigen Preisen sein Team live vor Ort sehen soll. So bastelt man bereits an einem Schulterschluss der einzelnen Fangruppierungen, die an einem Premier-League-Spieltag quer durch alle Stadien koordinierte Protestaktionen durchführen sollen.

Doch ist ein koordinierter Boykott heutzutage überhaupt realistisch? Wie überall auf der Welt, lieben die Fans ihren Klub und sehen vieles durch die Vereinsbrille verklärt. Und dann ein möglicherweise auf der Kippe stehendes Spiel vorzeitig zu verlassen, um irgendeine Protest-Botschaft auszusenden? Für jeden wahren Fan: schwierig bis unmöglich! Doch irgendwann ist auch eine Schmerzgrenze erreicht, die zu einem Schulterschluss konkurrierender Fans führen wird.
Tim Payton, Sprecher der „Arsenal Supporters“, meinte dazu: „Ein Boykott sei sehr schwierig für die Fans, die ihr Team unterstützen wollen. Doch es kommt auch einmal der Punkt, wenn sie wirklich eine Nachricht aussenden müssen. In der letzten Zeit hat man immer häufiger gesehen, dass es vielen Fußball-Fans jetzt reicht. Es ist an der Zeit, etwas vom vielen Geld mit den Fans zu teilen.“

Gerade bei den Gunners ist dieses Thema akuter denn je. Kein Verein lässt sich die Blicke auf Özil, Sanchez und Co dermaßen teuer vergüten, wie der Meisterschaftskandidat aus dem Norden Londons. Bis zu 97 Pfund muss ein Gunners-Fan hinblättern, damit sich die Drehkreuze ins Emirates bewegen.

Wären günstigere Preise finanzierbar?

Hier gibt es wohl keine zwei Meinungen. Dass ausgerechnet die Engländer, die die mit Abstand höchsten Fernsehgeldern kassieren, auch noch teuersten Stadion-Tickets anbieten, klingt wie blanker Hohn für die Fans. Aus dem neuen TV-Deal werden zirka drei Milliarden Pfund an die Vereine ausgeschüttet, allein das Schlusslicht wird dabei knapp 100 Millionen Pfund fix verdienen. Damit braucht man keine fundierten mathematischen Kenntnisse, um zum Schluss zu kommen, dass die Einnahmen aus den Kartenverkäufen eigentlich anteilsmäßig deutlich an Bedeutung verlieren müssten. Für die Vermarktung des Produkts „Premier League“ sind volle, stimmungsvolle Stadien Grundvoraussetzung. Dadurch wäre es auch im Interesse der Liga, den Fans beim Kampf um günstigere Ticketpreise beiseite zu stehen. Auf jeden Fall möchte langsam aber sicher auch der loyale Fan sein Stück am großen TV-Kuchen erhalten oder zumindest nicht noch weiter von den Vereinen geschröpft werden.

Ist die Gier nun befriedigt?

Zumindest bei den „Stammkunden“ haben einige Klubs schon reagiert. So wurden immerhin bei Arsenal, Crystal Palace, Manchester United, Norwich und Swansea die Dauerkartenpreise für kommende Saison 2016-17 eingefroren.
Doch der Trend wird auch weiterhin in Richtung teurere Ticketpreise gehen. Die Nachfrage bestimmt eben den Preis. Dazu investieren die Klubs weiterhin in große Namen und rechtfertigen die „angepassten“ Eintrittstarife mit dem gebotenen Spektakel. Und solange das eigene Stadion regelmäßig voll ist, werden Fanproteste auf taube Ohren stoßen. Ob es sinnvoll ist, wie zum Beispiel an der Anfield Road oder im Emirates Stadium, den Anteil an „Fußballtouristen“ zu Lasten der lokalen Stammanhängerschaft zu opfern ist fraglich. Dies mag zwar kurzfristig die Kassen weiter füllen, doch langfristig könnte es zu einem massiven Identitätsverlust vor Ort führen. Doch hier ist wieder der springende Punkt: Für das Produkt Premier League ist nicht mehr so wie in den Achtzigern bei der „First Division“ der Fan vor Ort das Zielpublikum. Trübe Aussichten also für den „Local-Fan“. Im Mittelpunkt steht nun mal die internationale Vermarktung. (Neue) Fans aus Übersee oder Fernost finanzieren indirekt den aufgeblasenen TV-Vertrag und natürlich will er auch laufend trikottechnisch am neuesten Stand sein. Und wird demnach vom Klub umgarnt, weil er sich dies auch einiges kosten lässt.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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