Transfers erklärt: Darum holte Manchester City Kevin De Bruyne
England 19.September.2015 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, und beleuchten die Hintergründe und Motive. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls erläutert werden sollen.
Dieses Mal geht es um den teuersten Transfer der Bundesligageschichte und einen der teuersten Transfers aller Zeiten. Manchester City hat sich nämlich Wolfsburgs Starspieler Kevin De Bruyne geangelt.
Der Star der Wölfe
Der VfL Wolfsburg feierte bisher nur einen wirklich großen Titel. 2009 wurde man unter der Ägide Felix Magaths deutscher Meister, nachdem man mit einer historischen Rückrunde die schwächelnden Bayern und Hoffenheimer ein- und überholt hatte. Damals bildeten Grafitè, Misimovic und Dzeko das Sturmtrio in einer 4-3-1-2-Formation, welche sich über extreme Durchschlagskraft im Strafraum definierte. Dieses Jahr konnte man sogar zwei Titel holen: Man wurde DFB-Pokalsieger und holte den DFL-Supercup.
Dabei schaltete man im DFB-Pokalfinale den BVB aus und entschied den Supercup gegen Guardiolas Bayern für sich. Zusätzlich wurde man Vizemeister hinter den Bayern und krönte damit die womöglich beste Saison in der Vereinsgeschichte. Im Mittelpunkt stand natürlich Kevin De Bruyne. Trotz Bas Dosts zahlreicher Tore (16 Treffer in 1521 Minuten) und der starken Leistungen von Spielern wie Knoche, Naldo, Ricardo Rodriguez, Luiz Gustavo oder gar Perisic war für viele klar: De Bruyne war der Hauptgrund für diese tolle Saison.
Der Belgier spielte bereits beim SV Werder Bremen auf tollem Niveau, wo er mit zwanzig Scorerpunkten in 30 Spielen brillierte. Bei Chelsea konnte er sich nicht durchsetzen, wodurch ihn die Wölfe für knapp über zwanzig Millionen Euro im Januar 2014 holen konnten. In der Saison 2014/15 zeigte De Bruyne dann endgültig, wieso Mourinho hier einen Fehler gemacht hat. Mit 21 Vorlagen stellte er einen Bundesligarekord auf und übertraf – passenderweise – Misimovic aus der 2008/09-Saison. Dazu kamen noch zehn Tore in nur 3047 Minuten, also fast ein Scorerpunkt pro Spiel. Weitere zehn Scorerpunkte in der Europa League und drei im DFB-Pokal rundeten diese beeindruckende Saison ab.
De Bruynes Interpretation der Zehn
Dies war auch durch die Rolle im System Dieter Heckings möglich. Hecking lässt seine Mannschaft meistens in einem 4-2-3-1 auflaufen, welches durch bestimmte Asymmetrien, leitende Elemente und Mannorientierungen in der Defensive definiert wird. Offensiv gibt es bestimmte Rollenverteilungen und Bewegungen der Spieler, die für Durchschlagskraft sorgen.
Meistens spielte De Bruyne als Zehner. Von dort aus konnte er flexibel beide Flügel überladen, mit den einrückenden Flügelstürmern die Position wechseln und von der Seite aus wieder in die Mitte ziehen. Dadurch war er positionell frei, um nach guten Situationen und offenen Räumen zu suchen. Man konnte ihn kaum decken oder Pässe auf ihn verhindern, die anderen Offensivspieler bewegten sich desweiteren passend zu seinen Läufen. Immer wieder stießen sie, insbesondere ballfern, hinter die Abwehr und suchten nach Pässen in den Raum.
De Bruyne war herausragend im Spielen dieser Pässe. Er konnte sich seiner Gegenspieler meist per Dribbling entledigen (oder ließ sie gar nicht erst an sich rankommen) und spielte dann – oftmals sehr weiträumige – kreative Pässe zu seinen Mitspielern. Die herausragende Übersicht und Passqualität gepaart mit seiner starken Raumfindung, hohen Laufbereitschaft und den Dribblingfähigkeiten machten ihn zu einer Ein-Mann-Offensive. Als Schaltzentrale im Spiel der Wolfsburger konnte er sowohl in längeren Ballbesitzphasen den Rhythmus kontrollieren und nach Lücken suchen oder im Konterspiel sich zurückfallen lassen und extrem aggressive Pässe gegen die aufgerückte Defensive des Gegners spielen.
Beim spektakulären 4:1-Erfolg der Wolfsburger am Anfang der Rückrunde gegen den FC Bayern zeigte De Bruyne womöglich sogar seine stärkste Leistung im grün-weißen Trikot. Immer wieder konnte er das Gegenpressing der Bayern durch seine gute Positionierung oder seine Dribblings aushebeln, bevor er die entblößte Abwehr der Münchner – bis dahin historisch stark – nach allen Regeln der Kunst öffnete.
Spiele wie diese Partie gegen den FC Bayern machten ihn zu einem der begehrtesten Spieler Europas in dieser Transferphase. Letztlich erhielt Manchester City den Zuschlag – für über 70 Millionen Euro.
Schlüsselspieler in Pellegrinis Plan?
Manchester City hat seit der Scheich-Übernahme des Vereins Unsummen in den Spielerkader gepumpt. Der erwünschte CL-Titel wurde bisher noch nicht erreicht; sogar die englische Liga konnte man bisher nur zwei Mal gewinnen. Darum geht es mit den Investitionen weiter; dieses Mal wurden mit Raheem Sterling, Nicolas Otamendi, Fabian Delph und eben Kevin De Bruyne wieder vier Spieler gekauft, die insgesamt 195 Millionen Euro kosteten. Dazu kamen mit Patrick Roberts und Enes Ünal zwei weitere Spieler, die mit ihren erst 18 Jahren allerdings klare Zukunftsoptionen sind.
Sterling und De Bruyne dürften sofort Kandidaten für die Stammelf werden. Vermutlich möchte Pellegrini – neben der angehenden Kaderverjüngung – ein 4-2-2-2/4-4-2 etablieren. Sterling und Agüero würden hierbei ein extrem dynamisches, dribbelstarkes und flexibles Sturmduo bilden. Agüero gehört ohnehin zu den besten Mittelstürmern der Welt, Sterling wiederum ist ein großes Talent und spielte bereits in der Vorsaison beim Liverpool FC häufig als Mittelstürmer.
De Bruyne und David Silva könnten dahinter ein hochkreatives und enorm dribbelstarkes Duo bilden. Ähnlich taten es Nasri und Silva bereits unter Mancini; Nasri wäre heute eine Rotationsoption für diese Position. Silva und De Bruyne können beide den Ball an der Seite erhalten, sich an den Gegenspielern durchsetzen und in die Mitte ziehen oder schon zuvor in die Mitte einrücken, den Ball zirkulieren lassen und tödliche Pässe spielen. De Bruyne ist vielleicht ganz so sauber technisch wie Silva (Kritik auf allerhöchstem Niveau), dafür aber defensiv deutlich stärker.
Alternativ könnte es auch auf ein 4-2-3-1 hinauslaufen, in welchem Silva und De Bruyne sich auf der Flügel- und Zehnerposition abwechseln, während der verbliebene Flügelstürmer in der offensiven Dreierreihe breit bleibt, Raum in der Mitte öffnet und immer wieder diagonal in die Spitze stößt (z.B. mit Navas oder Sterling).
Prinzipiell wird interessant, wie sich City in den nächsten Monaten zeigen wird. Sie wirken besser als vergangene Saison – nicht nur spielerisch, sondern auch taktisch-strategisch – und haben mehr Optionen, während die unmittelbare Konkurrenz aktuell schwächer wirkt. Der Meistertitel und ein langer Verbleib in der Champions League scheinen durchaus wahrscheinlich.
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Rene Maric
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