Transfers erklärt: Darum wechselten Kerschbaumer und Bjelland zum FC Brentford
England 6.Juli.2015 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Sommertransferperioden gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen? Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
Dieses Mal analysieren wir zwei Transfers des Brentford FC. Der englische Zweitligist ist für sein datenbasiertes Scouting bekannt – und hat sich für zwei überaus interessante Namen entschieden.
Konstantin Kerschbaumer: Hervorragendes Allroundpaket
Für österreichische Fußballfans war dies wohl ein absoluter Überraschungstransfer. Konstantin Kerschbaumer – auch hierzulande weitgehend unbekannt und (noch) nicht im Dunstkreis der Nationalmannschaft – wechselt zum Aufstiegsaspiranten. Seit der U19 spielte er für keine Auswahl Österreichs mehr. Dabei zeigten auch die Statistiken von abseits.at-Kollegen Alex Semeliker den Wert Kerschbaumers.
Dieser Radar zeigt bereits, dass Kerschbaumer – obwohl er bei einer eher schwachen Mannschaft in der Liga agiert – eine herausragende Passquote besitzt, defensiv aktiv ist und für zahlreiche Torschüsse seiner Mannschaft verantwortlich ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass Brentford auf ihn aufmerksam wurde; die Engländer nutzen vermutlich ähnliche statistische Modelle bei der Analyse.
Bei der technisch-taktischen Analyse Kerschbaumers wird auch klar, wie diese Daten zustande kommen. Er ist ungemein dynamisch und aktiv, bewegt sich offensiv immer wieder in die richtigen Zonen, um dann mit schnellen Ablagen und kreativen Pässen für Gefahr und Durchschlagskraft zu sorgen. Dadurch sorgt er für Chaos im gegnerischen Defensivverbund und erspielt für seine Mannschaft und sich selbst immer wieder Torchancen.
Aber die Daten alleine zeigen nicht alles. Kerschbaumer ist nicht nur sehr aktiv und hat eine gewisse Kreativität im letzten Drittel, sondern ist auch ein überaus intelligenter Fußballer, der seine Laufstärke gewinnbringend für das Kollektiv einsetzt. Kerschbaumer hat ein Gespür offene Räume zu finden oder besetzte Räume zu öffnen und dadurch seinen Mitspielern zu helfen. Immer wieder gibt er Verbindungen im letzten Drittel und hält das Zirkulationsspiel auch unter Druck am Leben.
Außerdem ist er defensiv schlichtweg überragend. Bei der Admira kann er im 4-4-2 und im 4-4-1-1 den zweiten Stürmer gegen den Ball geben (und auch offensiv agiert er vorrangig als Zehner oder hängende Spitze), schließt Passwege intelligent und setzt Gegner in seiner Nähe schnell und effektiv unter Druck. Dadurch ist er für eine Spielweise mit hohem Pressing sehr gut geeignet. Ähnliches ist beim Umschalten der Fall. Seine Fähigkeiten erlauben es ihm außerdem nicht nur in der vordersten Linie zu pressen, sondern auch als Sechser oder Achter im Mittelfeld viele Defensivaufgaben hochwertig zu erfüllen.
Sogar als hängende Spitze arbeitet er oft weiträumig nach hinten, lässt situative 4-1-4-1 und 4-5-1-Staffelungen fast eigenhändig entstehen und sichert herausrückende Bewegungen seiner zentralen Mitspieler ab. Kurzum: Eine echte Allroundwaffe. Nach Ballverlusten ist er nämlich ebenfalls sehr aktiv in der Ballrückeroberung, sorgt schnell für Druck beim gegnerischen Ballführenden im Gegenpressing und kann seine Mitspieler dadurch auch antreiben.
Somit hat sich Brentford eine wirklich starken Spieler in die englische zweite Liga geholt, der – nach einiger weiterer Entwicklungszeit – auch in der Premier League helfen kann. Und natürlich auch in der österreichischen Nationalmannschaft eine Option wäre.
Andreas Bjelland: Moderner Innenverteidiger mit klassischen Zügen
Die Verpflichtung Bjellands wurde von zahlreichen Brentford-Fans auf Twitter bejubelt. Die meisten der Fans dürften Bjelland vermutlich gar nicht kennen, doch der Däne ist rein vom Status her ein Überraschungstransfer. Er spielt bei Twente in der ersten niederländischen Liga und ist dort Leistungsträger, außerdem wird er regelmäßig in der dänischen Nationalmannschaft eingesetzt. Auf den ersten Blick wirkt dieser Transfer gar nicht wie einer, den man von Brentford erwarten würde. Doch für 2.5 bis 3 Millionen € ist Bjelland ein Schnäppchen – und passt somit doch wieder in das Beuteschema Brentfords.
Funfact: Der Hauptverantwortliche für das Spielerscouting bei Brentford, Ted Knutson, hat schon vor langer Zeit bei Twitter Bjelland gelobt und einen Radar mit dessen Statistiken gepostet. Auch diese Saison überzeugt Bjelland. 82% seiner Pässe kommen an, obwohl er häufig als Halbverteidiger in einer Dreierkette spielte und auch für lange Bälle in die Spitze bei Twente sorgen musste. Seine Defensivstatistiken sind beeindruckend. Er klärt extrem viele Bälle (6.7 pro Spiel), lässt sich nur selten ausdribbeln (im Schnitt nur jedes dritte Spiel), begeht relativ wenig Fouls (1.1 pro Spiel bei 1.3 Grätschen und 0.4 Blocks pro Spiel), spielt gut auf Abseits und fängt viele Pässe ab (2.5 pro Spiel). Dazu ist er ungemein kopfballstark.
Bjelland dürfte vermutlich nach Ajax-Spieler Joel Veltman und mit Eric Botteghin von Groningen der beste Innenverteidiger der Ehrendivision sein; allein das macht ihn schon zu einem tollen Transfer für die Championship. Bei der Analyse Bjellands wird auch klar, dass er das Potenzial für mehr hat.
Mit 26 Jahren kommt er jetzt ins beste Alter für einen Innenverteidiger. Er ist gut am Ball, dreht sich sehr intelligent bei Ballannahmen und – wenn er nicht lange Bälle spielen muss – ist er sehr intelligent bei der Wahl seiner Pässe. Außerdem spielte er bei Twente mehrfach als Halbverteidiger in einer Dreierkette, was er ebenfalls gut kann. Von dort aus kann er seine gut gewichteten, präzisen Pässe ins Mittelfeld sehr gut einbringen und auch die vorstoßenden Läufe der Flügelverteidiger nutzen, um in den von ihnen geöffneten Raum nachzustoßen und näher ans Mittelfeld zu kommen.
Dazu ist er defensiv sehr aufmerksam, nutzt seinen Deckungsschatten und seine Antizipation sehr gut, um viele Situationen bereits im Keim zu ersticken. Ob für eine höher stehende Mannschaft oder für eine Kontermannschaft; sein Aufbauspiel und seine Defensivfähigkeiten sind für beides tauglich. Besonders interessant ist, wie er nach Balleroberungen seiner Mannschaft ruhig und intelligent auch unter drohendem Druck im Gegenpressing die Übersicht behält und mit beiden Füßen das Spiel schnell machen kann.
Ebenso wie Kerschbaumer ist Bjelland also eine Verpflichtung, die mittelfristig gut genug für das zweite Tabellendrittel der ersten und nicht zweiten englischen Liga ist. Sie zeigen, wohin der Weg bei Brentford gehen wird.
René Maric, www.abseits.at
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