Wie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Darum wechselte André Schürrle zu Chelsea

Chelsea FCWie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

In den kommenden Tagen blicken wir auf die Top-Transfers der gesamten Transferperiode des Chelsea FC, welcher sich unter José Mourinho wieder zu einem Titelanwärter in der Premier League entwickeln will. Der portugiesische Startrainer sicherte sich diesen Sommer vier namhafte Spieler und verlieh einige talentierte Jungstars. Kurzum: Mourinho baut schon an der nächsten Meistermannschaft, zumindest versucht er es.

In dieser kleinen Serie wollen wir nicht nur die Neuzugänge kennenlernen, sondern auch Mourinhos Denkweise bei den Transfers und wie die Akteure in das Chelsea-Spiel passen, beziehungsweise welche taktischen Alternativen sie bringen. Denn eines ist gewiss, Mourinho hat bei seinen Transfers zumindest einen theoretischen Plan im Hinterkopf, wie er die Spieler für seine Zwecke nutzen kann.

Im ersten Teil der Serie knüpfe ich an den bereits bestehenden Artikel von Kollege Alexander Semeliker an.

André Schürrle – der Rollenspieler

In seinem Artikel hat mein Kollege den Kern und die Hintergründe des Transfers bereits hervorragend beschrieben:

Der Transfer wurde nicht kritiklos von der Öffentlichkeit aufgenommen. Manche sind sogar der Meinung, dass er schlicht lächerlich ist. Der Grund: Chelsea hat bereits eine Vielzahl an offensiven Mittelfeld- bzw. Flügelspielern: Juan Mata, Eden Hazard, Oscar, Victor Moses, Ramires und Kevin de Bruyne. Gerade nachdem Neo-Coach Jose Mourinho bei der ersten Pressekonferenz seiner zweiten Chelsea-Ära verkündete, dass man mit Letzterem plant, schien ein Transfers Schürrles auf den ersten Blick überflüssig.

Dabei ist es genau das Engagement jenes Mourinhos, das den Wechsel in ein verständliches Licht rückt. Es ist anzunehmen, dass der Portugiese einen ähnlichen Spielstil wie bei Real Madrid implementieren wird. Die Königlichen überzeugten – vor allem in der Meistersaison 2011/2012 – mit einem bedingungslosen und extrem präzisen “ frameborder=“0″ allowfullscreen>Konterspiel aus einer 4-2-3-1-Grundformation heraus. Auf der für Schürrle relevanten linken Flügelposition spielte dabei niemand geringer als Cristiano Ronaldo, der dem Deutschen in einigen Punkten äußerst ähnlich ist.

Beide agieren am falschen Flügel und ziehen ein Dribbling nach innen einem geradlinigen Vorstoß zu Grundlinie vor. Beide verfügen über eine hohe Grundschnelligkeit und sind einem Zocken in der Defensivbewegung nicht abgeneigt.

André Schürrles Transfers ist zwar ein teurer gewesen, aber seine Verpflichtung kann sich als äußerst sinnvoll erweisen: Der deutsche Flügelstürmer bringt nämlich eine Vielzahl von Optionen mit an die Stamford Bridge. Dabei spielte er nicht nur als inverser Flügelstürmer über links, sondern nahm auch andere taktische Aufgaben an. Gegen den FC Bayern war er im UEFA-Supercup beispielsweise als klassischer Rechtsaußen aufgestellt. Prompt bereitete er den ersten Treffer vor, indem er auf rechts breit blieb, dort von Eden Hazard angespielt wurde und dann mit seiner Schnelligkeit bis an den Strafraum kam. Von dort folgte eine präzise Hereingabe auf Torres im Rücken der bayrischen Innenverteidiger. Generell zeigte Schürrle auf rechts als klassischer Rechtsaußen und Breitengeber vor dem sehr defensivorientierten Rechtsverteidiger Ivanovic eine starke Leistung.

Aber Mourinho setzte ihn nicht nur in dieser Rolle ein. Schürrle spielte gegen Manchester United als Mittelstürmer und sollte in diesem Spiel als ausweichender Stürmer Räume für seine Hintermänner öffnen, mit ihnen kombinieren und bei Kontern durch seine Schnelligkeit gefährlich werden. Alles in allem dürfte Mourinho wohl Schürrle nicht nur als (langfristige) Option in einer Freirolle auf dem linken Flügel sehen, sondern ihn besonders in schwierigen Spielen als gefährlichen Außen- oder gar Mittelstürmer für eine konterorientierte Spielweise sehen.

André Schürrle tut sich nämlich trotz seiner Technik, seinem Abschluss und seiner Athletik gegen tief und eng stehende Gegner schwer. Eine große Kompaktheit bei der gegnerischen Mannschaft verbietet es ihm an Fahrt aufzunehmen und seine andere große Stärke – das Timing im Ausspielen von Kontern – richtig einzubinden. Darum dürfte er in einer Vielzahl der Spiele eher auf der Bank schmoren und Spielern wie Kevin de Bruyne, Oscar, Juan Mata und Eden Hazard den Vorzug überlassen. Doch in Spielen wie dem UEFA-Supercup könnte Schürrles Stunde schlagen.

Der deutsche Nationalspieler könnte also nicht nur zu einem Rollenspieler im Kader der Engländer werden, sondern zu einem der wichtigsten taktischen Alternativen im Kader. Weder De Bruyne, noch Juan Mata oder Oscar sind im offensiven Umschaltspiel so raumgreifend wie Schürrle oder können Konter so stark abschließen, auch aus der Distanz. Darum dürften sie zwar alles in allem deutlich mehr Spielzeit erhalten, aber in der Schlussphase der Saison oder in wichtigen Spielen auf ähnliche Einsatzzeiten wie Schürrle kommen.

Gleichzeitig kann Mourinho auch noch bestimmte Schwachstellen des Gegners auf unterschiedliche Art und Weise attackieren – ob Manndeckungen in der Innenverteidigung oder ein langsames Innenverteidiger-Duo (mit Schürrle als ausweichendem oder als andauernd in die Tiefe startendem Stürmer), ob extrem offensives Aufrücken der gegnerischen Außenverteidiger (Schürrle als Rechtsaußen, um bei Kontern die Laufduelle zu gewinnen) oder eine sehr positionsorientierte Spielweise mit relativ wenig Kompaktheit und defensiven Außenverteidigern (Schürrle dann in einer Freirolle auf links).

Allerdings muss auch bedacht werden, dass diese Einsatzminuten eventuell zu wenig für Schürrle sein oder auch ein Risiko für Chelsea werden könnten. Weiters sollte Chelsea den Anspruch haben, auch auf höchstem Niveau das Spiel zu gestalten und konstant Spiele mit einer offensiven Spiel- und Denkweise zu gewinnen. Dann könnte es für Schürrle in Anbetracht der namhaften und hochtalentierten Konkurrenz eng werden. Entweder er entwickelt sich weiter – oder er versauert zu einem reinen Rollenspieler mit zu wenigen Spielen im Jahr, um ein wichtiger Bestandteil des Kaders zu bleiben.

Rene Maric

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