Transfers erklärt: Darum wechselte Mesut Özil zu Arsenal
England 6.September.2013 Rene Maric 3
Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf Arsenals überraschende Neuverpflichtung Mesut Özil. Der Spielgestalter von Real Madrid wurde kurz vor Ende des Transferfensters für eine Summe von 50 Millionen Euro an die Gunners verkauft, die bis zu diesem Zeitpunkt für das zaghafte Agieren am Transfermarkt enorm kritisiert wurden.
Mesut Özil – wirklich der passende Spieler für Arsenal?
Neben vielen frenetisch feiernden Arsenal-Fans gab es auch leise Kritik an Wenger. Den gesamten Sommer wurde nicht gehandelt und dann kommt ein Spieler von Real Madrid für 50 Millionen Euro, der vielleicht nicht wirklich benötigt wird? Können nicht Rosicky, Wilshere und Cazorla diese Position spielen? Wie passt der als konditionsschwach geltende und in der Defensive lethargisch wirkende Özil in die englische Liga?
Andererseits gab es auch solche Kritikpunkte an anderen Neuverpflichtungen aus Spanien und die meisten davon schlugen ein. Gleichzeitig ist Özil zwar vielleicht nicht der am dringendsten benötigte Fußballer, aber dafür individuell womöglich der beste Spieler, den Arsenal verpflichten konnte. Mit seiner extremen Passstärke, seiner tollen Übersicht und seiner Schnelligkeit in der Weiterleitung von Bällen bringt er Arsenal im zweiten und letzten Spielfelddrittel weiter und kann dem Klub mehr Durchschlagskraft geben.
Trotz fast klischeehaft wirkender Kritik an Arsenals Defensivstärke haben sie in der vergangenen Saison die zweitwenigsten Tore in der Liga bekommen. Natürlich fehlte es ihnen an einzelnen Positionen beziehungsweise an den richtigen Ersatzspielern, wodurch sie im Laufe der Saison mit etwas Pech extrem große Probleme bekommen können.
Dennoch hat Arsene Wenger eine kluge Verpflichtung mit Özil getätigt – wenn kein Innenverteidiger für diese Summe vom Format Thiago Silva erreichbar ist und kein schwächerer Innenverteidiger für eine passable Summe, dann ist Özil als „Entlastungsspieler“ für die Defensive eine interessante Option. Und potenziell könnte Özil enorm interessante taktische Synergien erzeugen.
Das Pärchen Özil – Giroud
Der Franzose Olivier Giroud wurde vergangenes Jahr ebenfalls häufig kritisiert: Chancentod, spielerisch schwach und ohne Präsenz vorne. Er trat in die Fußstapfen von Robin van Persie, die schlicht und ergreifend kaum ein Stürmer ausfüllen kann. Doch in der letzten Rückrunde und insbesondere aktuell hat sich die Kritik gelegt. Giroud überzeugt mit taktisch intelligenter Bewegung und Stärke in der Luft. Im Schnitt gewinnt er sehr starke 6,9 Luftzweikämpfe pro Spiel und hat eine Erfolgsquote von 65,5%. Mit dem Wert von 6,9 wäre er in der vergangenen Saison nur hinter den Kopfballspezialisten Andy Carroll, Peter Crouch und Christian Benteke gelandet, deren Mannschaften allesamt aber einen taktischen Fokus auf dieses Attribut hatten. Interessant: Lediglich Crouch hatte mit 65,9% eine bessere Erfolgsquote als Giroud.
Mit Özil könnte diese Stärke von Giroud noch besser eingebunden werden. Özil weicht gerne auf die Flügel aus und holt sich dort die Bälle, um dann aus dem Halbfeld extrem präzise Flanken in die Mitte oder auf den zweiten Pfosten zu schlage. Cristiano Ronaldo profitierte davon oft – Giroud könnte der nächste sein. Zusätzlich könnte Girouds Bewegungsspiel (er bewegt sich immer leicht entlang der Horizontale und stößt sehr gut in offene Räume) mit Özil noch besser bespielt werden, was aktuell etwas suboptimal genutzt wird.
Özil und die Flügelstürmer
Özils ausweichende Bewegungen auf dem Flügel könnten aber nicht nur wegen den Flanken hilfreich sein, sondern auch um die Flügelstürmer zu befreien. Podolski und Walcott könnten als diagonale Flügelstürmer in die Spitze stoßen, während Özil hinter ihnen herauskippt. Gemeinsam mit dem jeweiligen Außenverteidiger und Özil könnten sie dann die jeweilige Seite überladen oder eben direkt in die Spitze stoßen und sich für Lochpässe anbieten.
Gleichzeitig wäre auch eine interessante Asymmetrie denkbar. Walcott auf rechts könnte durchgehend in die Spitze stoßen, während Özil von der Zehner-Position auf rechts herauskippt. Der Rechtsverteidiger würde sich etwas zurückhalten, die offensiven Monreal oder Gibbs auf links würden höher spielen und Cazorla könnte vom linken Flügel in den linken Halbraum ziehen. Wilshere würde diese 4-1-3-1-1/4-1-3-2-Variante komplettieren.
Generell wäre Özil eine Art „Befreier“ für Wilshere und Cazorla (und mit Abstrichen für Arteta und Ramsey), die sich durch den wohl kommenden Fokus auf der Eindämmung von Özils Kreativität besser beweisen können. Bislang gab es eigentlich nur mit diesen beiden wirklich konstantes Spiel in die Spitze mit kreativen Aktionen, was nun verändert wird.
Cazorla und Özil müssen erst eine zueinander passende Rollenverteilung finden, was sich als durchaus schwer erweisen könnte. Auf links gäbe es nämlich mit Podolski einen Spieler, der sehr gut zu Özil passt, während Cazorla ohnehin gerne auf der Zehn spielen würde.
Formationsumstellung oder Özil auf den Flügel?
Eine letzte Option wäre es dann, dass Özil auf den Flügel geht und beispielsweise Walcott auf links oder auf die Mittelstürmerposition, damit Cazorla in der Mitte bleiben kann – oder Podolski verliert seinen Stammplatz nun endgültig. Dennoch wären Özil und Cazorla als miteinander rochierende Zehner eine interessante Paarung und mit einer asymmetrischen Ausrichtung der Außenverteidiger (links höher und offensiver) könnten sie auf links eine verkappte Spielgestalterrolle ausüben.
Die letzte Möglichkeit wäre auch Cazorla (oder gar Özil) als falsche Neun aufzubieten und dann durch dessen Zurückfallen die Mitte zu überladen. Gleichzeitig würde das Zurückfallen des Mittelstürmers Räume für Diagonalläufe von Podolski und Walcott öffnen, die Özil als Zehner und Cazorla als falscher Neuner gemeinsam bespielen könnten.
Diese Variante erscheint zwar unwahrscheinlich, wäre aber eine Option, obwohl es voraussichtlich auf ein 4-2-3-1 mit Cazorla auf links und leicht asymmetrischen Mechanismen wie oben geschildert, sowie taktischen Anpassungen an den Gegner (manchmal Podolski links statt Cazorla) hinauslaufen wird.
Rene Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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