Transfers erklärt: Gareth Bale und seine taktische Evolution bei Tottenham Hotspur (2)
England 8.September.2013 Rene Maric 0
Wie schon in der vergangenen Winterpause gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?
Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.
In dieser Ausgabe blicken wir auf den größten Transfer des Sommers – und womöglich aller Zeiten (Zahlen schwanken zwischen 91 Millionen € und 100 Millionen €) –, für den sich Real Madrid verantwortlich zeigt. In einem umstrittenen Transfer holten sie einen Tag vor Transferschluss Gareth Bale und werden versuchen den walisischen Superstar in ihre Mannschaft einzubauen. In dieser dreiteiligen Serie wollen wir Bale und seinen Werdegang vorstellen, dann ihn als Spieler erklären und die Ablöse ein bisschen begründen, während wir im letzten Teil die taktischen Nutzungsmöglichkeiten bei Real darlegen.
Vom Linksverteidiger zum zentralen Spieler
Wie schon im letzten Artikel erwähnt, spielte Gareth Bale bei Tottenham lange Zeit als Linksverteidiger. Dies war sehr glücklos, mit Bale als Stammspieler als Linksverteidiger gewannen die Spurs kein Spiel, über mehrere Jahre hinweg. Zuvor hatte er bei Southampton in der Championship gute Leistungen gebracht, doch im Verbund mit der Spielweise unter Redknapp, seinem Fähigkeitenprofil und der defensiven Mitarbeit des Kollektivs sowie seinem eigenen Positionsspiel war es eine überaus glücklose Beziehung zwischen Bale und der Linksverteidigerposition in der Premier League.
Im Winter 2009/10 gab es sogar Gerüchte, dass Bale verkauft werden sollte. Mit Assou-Ekotto hatte sich jemand anderes mit ähnlichem Offensivfokus, aber passenderer Defensivspielweise den Linksverteidigerposten gekrallt und auf Linksaußen schien Tottenham zu gut besetzt, um dem jungen Bale eine Option zu bieten. Dank etwas „Glück“ von Verletzungen seiner Mitspieler wurde Bale dennoch als Linksaußen eingesetzt und eroberte sich dort mit starken Leistungen den Stammplatz.
Als Linksaußen bildete er mit Aaron Lennon eine extrem schnelle und athletische Flügelzange und spielte eher wie ein klassischer Außenstürmer. Immer wieder zog er vertikal am Gegner vorbei und flankte in die Mitte, wo sie u.a. mit van der Vaart im Rückraum oder Stürmern wie Pavlyuchenko dankbare Abnehmer für diese Offensivspielweise hatten. Teilweise zog er auch diagonal zum Tor, ging ins Kombinationsspiel oder schloss nahe des Strafraumecks ab. Nach Seitenwechseln kam er ebenfalls in den freien Räumen zum Abschluss und konnte durch die höhere Position seine Schussstärke einbringen, wie zum Beispiel in der Partie gegen Stoke City:
Es schien, als ob sich endlich ein Platz für Bale gefunden hätte: Mit Lennon sorgte er für Flanken und effektives Konterspiel auf den Flügeln, er war ein dankbarer Abnehmer von Modrics langen Seitenwechseln oder Kurzpasskombinationen mit dem hochintelligenten Kroaten und brachte Flanken konstant und konsequent in den Strafraum. Van der Vaart und Pavlyuchenko kamen auch dank Bale in der Saison 2010/11 auf 13 bzw. 10 Saisontore in der Premier League; sie waren nicht immer direkte Nutznießer, aber konnten durch dessen Raumgewinne und Abpraller nach Hereingaben oder Kombinationen über den aufrückenden Modric zum Erfolg kommen.
In der Folgesaison veränderte sich nicht viel, aber es waren schon die ersten Indizien zu sehen, dass Bales (taktische) Ambitionen über jene von Redknapp gingen. Bale erweiterte sein Waffenarsenal, verbesserte die Genauigkeit seiner Flanken und spielte auch immer wieder diagonale Pässe hinter die Abwehr. Von zwei Vorlagen in der Vorsaison stieg sein Wert nun auf 14. Adebayor, Defoe und Van der Vaart kamen auf 17, 11 und 11 Treffer, womit sie Nutznießer von Bales Entwicklung waren. Bale ging auch stärker in die Halbräume auf links und beteiligte sich dort noch stärker am Kombinationsspiel.
Trotzdem sollte es die Verpflichtung von André Villas-Boas als Trainer sein, die Bale den (bislang) letzten und größten Schritt in seiner Entwicklung gehen lassen sollte.
Die Freirolle und ihre Bedeutung
Ohne die torgefährliche hängende Spitze Rafael van der Vaart und – noch bedeutender – ohne den herausragenden Sechser Luka Modric gab es einige Veränderungen unter Villas-Boas. Er stand vor der Aufgabe den wichtigsten Ballzirkulator und eine dauergefährliche Option aus dem Rückraum zu ersetzen, was in Anbetracht der bisherigen Ausrichtung Tottenhams eine auch in die Mannschaftstaktik einschneidende Entscheidung bedeutete.
Mit Dembele konnten sie Modric auf andere Art und Weise ersetzen, doch das Loch im Zentrum blieb. Und dieses Loch sollte Bale füllen – eine unorthodoxe Herangehensweise, logisch betrachtet aber wohl die beste. Bale ist sehr schnell, besitzt einen herausragenden Schuss und kann sich im Zentrum taktisch auch oftmals für seine Verhältnisse besser positionieren, als auf dem linken Flügel.
Gleichzeitig ist Bale in engen Situationen, in puncto Technik und offensiver Bewegungsintelligenz sogar ein unterschätzter Spieler. Er kann seine Dynamik nicht nur bei langen Läufen ins Spiel bringen, sondern hat durchaus ein gewisses Potenzial als „Nadelspieler“ zu fungieren – ein Akteur, der in Engen angespielt wird und sich aus diesen durch schnelle Pässe, raumgreifende Dribblings oder schlicht durch Dynamik befreien kann; und Bale kann eigentlich alle drei Aspekte. Außerdem ist er in dieser Rolle defensiv zuverlässig.
Villas-Boas machte auch nicht den Fehler Bale dauerhaft in der Rolle im zentraloffensiven Mittelfeld zu lassen. Gegner- und auch phasenabhängig ließ er ihn die Position wechseln. Bale spielte dann vereinzelt als beweglicher Mittelstürmer mit einem flexiblen Partner um ihn herum, kam oft über den rechten Flügel als inverser Flügelstürmer oder ging dann in mehreren Spielen wieder auf den linken Flügel, wo er dann aber eine Freirolle erhielt und ähnlich wie Cristiano Ronaldo agierte.
Er driftete in die Mitte und suchte sich seine Position aus, hatte aber auf links immer den Freiraum, um dorthin auszuweichen und sich Bälle abzuholen oder den gegnerischen Defensivfokus auf ihn zu nutzen, damit seine Mitspieler kurzzeitig mehr Räume haben. Dank dieser Freirolle, den Anpassungen darin und seinen vielen zentralen Positionierungen im Zwischenlinienraum konnte er seine technischen Fähigkeiten und seinen herausragenden Abschluss besser ins Spiel einbinden. Immer wieder erzielte er Tore aus der Distanz, da er schlicht und ergreifend ein toller Distanzschütze mit der nötigen Geschwindigkeit zur räumlichen Befreiung vom Gegner ist und durch Villas-Boas‘ taktische Nutzung öfters in diese Position kam.
Abschließend für den zweiten Teil dieser dreiteiligen Bale-Reihe gibt es noch die Heatmap der letzten drei Saisonen zu Bale, um die taktischen Veränderungen grafisch darzulegen:
Rene Maric, abseits.at
Das könnte dich auch noch interessieren:
Rene Maric
- Besondere Tore
- Die bunte Welt des Fußballs
- Europameisterschaft
- Internationale Stars
- Argentinien
- Australien
- Belgien
- Brasilien
- Chile
- Dänemark
- Deutschland
- Andreas Brehme
- Andreas Möller
- Berti Vogts
- Christoph Daum
- Franz Beckenbauer
- Fritz Walter
- Gerd Müller
- Günther Netzer
- Helmut Rahn
- Jürgen Klinsmann
- Jürgen Klopp
- Karl-Heinz Rummenigge
- Lothar Matthäus
- Lukas Podolski
- Manuel Neuer
- Miroslav Klose
- Oliver Bierhoff
- Oliver Kahn
- Philipp Lahm
- Rudi Völler
- Sepp Maier
- Thomas Häßler
- Thomas Müller
- Thomas Tuchel
- Toni Schumacher
- Toni Turek
- Udo Lattek
- Uli Hoeneß
- Uwe Seeler
- Elfenbeinküste
- England
- Finnland
- Frankreich
- Irland
- Italien
- Alessandro Del Piero
- Alessandro Nesta
- Andrea Pirlo
- Christian Vieri
- Claudio Gentile
- Dino Zoff
- Fabio Cannavaro
- Francesco Totti
- Franco Baresi
- Gaetano Scirea
- Giacinto Facchetti
- Gianluca Vialli
- Gianluigi Buffon
- Giuseppe Bergomi
- Giuseppe Meazza
- Luigi Riva
- Marco Tardelli
- Mario Balotelli
- Paolo Maldini
- Paolo Rossi
- Roberto Baggio
- Sandro Mazzola
- Kamerun
- Kolumbien
- Liberia
- Mexiko
- Niederlande
- Nigeria
- Nordirland
- Norwegen
- Portugal
- Schottland
- Schweden
- Schweiz
- Spanien
- Ungarn
- Uruguay
- USA
- Wales
- Österreich
- Legendäre Legionäre
- Alexander Zickler
- Antonin Panenka
- Axel Lawaree
- Branko Boskovic
- Carsten Jancker
- Dejan Savicevic
- Geir Frigard
- Hamdi Salihi
- Hansi Müller
- Jan Åge Fjørtoft
- Jocelyn Blanchard
- Joey Didulica
- Jonathan Soriano
- Kevin Kampl
- Lajos Détári
- Maciej Sliwowski
- Marek Kincl
- Mario Kempes
- Mario Tokic
- Milenko Acimovic
- Nestor Gorosito
- Nikica Jelavic
- Nikola Jurčević
- Olaf Marschall
- Oliver Bierhoff
- Patrik Jezek
- Radoslaw Gilewicz
- Rene Wagner
- Roger Ljung
- Sadio Mané
- Samir Muratovic
- Sigurd Rushfeldt
- Somen Tchoyi
- Steffen Hofmann
- Szabolcs Sáfár
- Tibor Nyilasi
- Trifon Ivanov
- Valdas Ivanauskas
- Vladimir Janocko
- Zlatko Kranjcar
- Nationale Stars
- Aleksandar Dragovic
- Andi Ogris
- Andreas Herzog
- Andreas Ivanschitz
- Bruno Pezzey
- Christian Fuchs
- David Alaba
- Deni Alar
- Didi Kühbauer
- Ernst Happel
- Ernst Ocwirk
- Felix Gasselich
- Franz Wohlfahrt
- Friedl Koncilia
- Gustl Starek
- Hans Krankl
- Herbert Prohaska
- Heribert Weber
- Ivica Vastic
- Julian Baumgartlinger
- Kevin Wimmer
- Kurt Jara
- Marc Janko
- Marcel Sabitzer
- Mario Haas
- Marko Arnautovic
- Martin Harnik
- Martin Hinteregger
- Matthias Sindelar
- Michael Konsel
- Otto Konrad
- Peter Stöger
- Sebastian Prödl
- Toni Polster
- Ümit Korkmaz
- Veli Kavlak
- Walter Schachner
- Walter Zeman
- Zlatko Junuzovic
- Nationalmannschaft
- Österreichische Vereine
- Legendäre Legionäre
- Weltmeisterschaft
Keine Kommentare bisher.
Sei der/die Erste mit einem Kommentar.