U21-EM: Rückblick auf die Leistung der englischen Juniorennationalmannschaft
England 21.Juni.2013 Rene Maric 1
Bei der U21-Europameisterschaft stachen einige Teams beziehungsweise deren Abschneiden ins Auge. Während Italien und die Niederlande wohl fast perfekt die Erwartungen erfüllten, stach einer der Fußballgiganten sehr positiv ins Auge, zwei andere fielen jedoch negativ ab.
Einer davon war England. Abermals konnte eine englische Nationalmannschaft bei einem internationalen Turnier nicht überzeugen und musste frühzeitig die Segel streichen. Besonders schlimm für die englische Medienwelt scheint zu sein, dass es eine Jugendmannschaft war –die englische Jugendarbeit gilt auf der Insel ohnehin als enorm rückständig im Vergleich mit den Gegnern vom Festland. Ein Blick auf die Spielweise zeigt auch, wieso.
Kaum Kreativität im zentralen Mittelfeld
Das größte Manko liegt wohl im zentralen Mittelfeld. Mit Nathaniel Chalobah und Jason Lowe spielten zwei eher über ihre Physis kommende Akteure auf der Doppelsechs, kein Vergleich mit der niederländischen oder spanischen Elf, auch die Deutschen waren mit Rode und Rudy hier deutlich spielerischer aufgestellt.
Chalobah und Lowe sind zwar keineswegs schlechte Fußballer, aber keine Taktgeber und Organisatoren. Sie kommen allerdings eher über ihren großen Aktionsradius und Physis, Lowe ist auch relativ schnell. Desweiteren können sie auf unterschiedlichen Positionen spielen, ob als Außenverteidiger oder Außenstürmer (Lowe) oder Chalobah als Innenverteidiger.
Mit Jordan Henderson haben sie zwar einen spielstärkeren Akteur davor, doch auch er ist kein Dirigent wie ihn die Spanier mit Thiago Alcantara haben. Henderson dürfte eigentlich keine Führungsrolle in einem solchen Team übernehmen, sondern müsste eher als passsicherer Balancegeber die Mannschaft komplettieren. Doch da Jack Wilshere – das womöglich einzige Weltklassetalent in diesem Kader– verletzungsbedingt ausfiel, musste Henderson die Kreativaufgaben übernehmen. Er scheiterte.
Die Probleme lassen sich aber nicht ausschließlich am Mangel von Toptalenten oder ähnlichem festmachen. Mit Steven Caulker in der Innenverteidigung gibt es bereits einen gestandenen Stammspieler in der englischen Premier League, auch Nathan Redmond, Thomas Ince und Wilfried Zaha auf den Flügelstürmerpositionen dürften sich langfristig sicherlich in der Premier League etablieren können, wenn sie ihren Weg weitergehen. Die Probleme liegen also tiefer.
Englands Nachwuchs ohne Konzept?
Sehr oft wird nämlich der Mangel eines festen und durch alle Altersklassen gehenden Plans kritisiert. Als Vorbild gelten hier die Niederländer, die seit Jahrzehnten nur im 4-3-3 spielen, die Flügelstürmer fokussieren und die Idee eines schönen Fußballs verfolgen. Auch Spanien wird oftmals dazugezählt. Doch die Lösung liegt nicht darin, eine Formation oder ein System zu entwerfen und dieses auf Biegen und Brechen durchsetzen zu wollen.
Die deutschen Jugendteams tun dies beispielsweise nicht. Hier spielten zum Beispiel die U21-Mannschaft von 2009, die aktuelle U21-Mannschaft, die als hochtalentiert geltende U17-Mannschaft von 2011 (WM-Halbfinale, Spieler wie Samed Yesil, Emre Can, Mitchell Weiser, Kaan Ayhan und Koray Günter) oder die U17-Mannschaft des Vorjahres um die Riesentalente Maxi Meyer, Leon Goretzka und Marian Sarr, die teilweise als goldene Generation betitelt wurde.
Und, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt, auch die Spanier spielen nicht immer auf die gleiche Art und Weise. 2008 war es bei der A-Mannschaft ein 4-2-2-2, Barcelona spielt im 4-3-3 und die aktuelle U21 agiert zumeist in einem 4-2-3-1 mit unterschiedlichen Varianten und Flügelbesetzungen. Eine Blaupause, die ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen wird, gibt es nicht. Stattdessen konzentriert sich die Ausbildung auf die Verbindung der Fähigkeiten des Individuums mit der kollektiven Spielphilosophie, welche zusammengenommen dann die Ausrichtung der jeweiligen Mannschaft zutage bringt.
Die Spanier kommen also weniger über die Konstanz eines groben Plans, den die Engländer unbedingt wollen, sondern über sofort entstehende Automatismen durch die Anpassung der Spieler. Hier liegt auch das wirkliche Problem der Engländer, welches sich seit Jahren durch alle Ebenen zieht.
Mangelhafte Betrachtung der gruppentaktischen Aspekte
Nie in ihrer Geschichte fehlte es den Engländern an individueller Klasse. Vielmehr wussten die Individualisten oftmals nicht, wie sie effektiv in einem Team zusammenspielen sollen oder aber jene, die es wussten, wurden nicht berücksichtigt oder nicht optimal eingesetzt. Bestes Beispiel sind Steven Gerrard und Frank Lampard sowie Michael Carrick und Paul Scholes. Das erste Pärchen war individuell Weltklasse, in nahezu allen fußballerischen Bereichen.
Sowohl Lampard als auch Gerrard waren die Grundpfeiler ihrer Vereinsmannschaften, bewegten sich dort über Jahre auf Weltklasseniveau, erzielten Tore und Vorlagen en masse. In der Nationalmannschaft spielten sie zusammen – und scheiterten zumeist. Die Ursache ist relativ einfach zu erklären. In der Vereinsmannschaft wurde ein taktisches Template errichtet, welches die Stärken des jeweiligen Spielers nahezu automatisch zutage förderte, die Mannschaft wurde um sie gebaut und in mühevoller Kleinstarbeit konnten gute, vorrangig ausländische Trainer (Mourinho, Benitez) die nötigen Automatismen mit der Zeit herstellen.
In der Nationalmannschaft ergänzten sie sich aber nicht und keiner merkte, wieso das so war. Bei Spanien kann so etwas gar nicht passieren, da sie nicht nur die gleiche Idee verfolgen, sondern an den Fußball anders herangehen. Sie analysieren ihre Mitspieler, die Gegner und die jeweiligen Taktiken bzw. durch welche Maßnahmen sie Räume finden. Dadurch können sie ihre Philosophie effektiv weiterverfolgen.
Spieler, die das könnten, hätten die Engländer sogar – zwar nicht so viele, aber doch. Problematisch ist aber, dass diesen Akteuren die Anerkennung im eigenen Land fehlt. Paul Scholes wurde auf den Flügel geschoben, anstatt in eine Rolle wie Andrea Pirlo oder Xavi gedrückt zu werden. Sein langjähriger Partner bei Manchester United und der wohl beste defensive Sechser der Premier League, Michael Carrick, wurde im Vorjahr gar nicht zur Europameisterschaft berufen. Hier nähern wir uns dem Kern der englischen Probleme.
Fazit: Mangelndes Verständnis
Während in der ganzen Fußballwelt ein Umdenken stattfindet, wissen die Engländer gar nicht, wo umgedacht wird. In Spanien wird seit Jahren an der gruppentaktischen Bewegung gefeilt. Wie laufe ich mich richtig frei? Wie presse ich effektiv? Wie ergänze ich mich mit meinen Mitspielern? Bei den Engländern hingegen geht es nahezu nie um Gruppentaktik, sondern zumeist um die individuelle Qualität und die Mannschaftstaktik. Dadurch können sie zwar immer oben mithalten, aber letztendlich fehlt sehr oft ein Quäntchen, um das Maximum zu erreichen.
Die Diskussionen in England drehen sich vorrangig um „4-4-2 oder 4-2-3-1 oder 4-3-3?“, um Formationen als solche und um die individuelle technische Qualität ihrer Fußballer. Die anderen Länder hingegen folgen dem Vorbild der Spanier, der Fußball wird dynamischer und ganzheitlicher gesehen, was sich in der jeweiligen medialen Berichterstattung wiederspiegelt.
Ob Deutschland oder Norwegen: Sie beginnen alle den Fußball rational zu entschlüsseln und ihn Schritt für Schritt zu verstehen, um langfristig den Verständnisvorsprung der Spanier zu verkürzen, die im gruppentaktischen Bereich, dem Finden von Räumen, dem Öffnen von Räumen und dem Ausnutzen derselben, eine Vorreiterrolle haben. Die Engländer hingegen haben ein „Verständnisproblem mit dem Verständnis des Fußballs“. Sie begreifen noch nicht, dass sie nicht verstehen, dass sie nichts verstehen. Was sich letztlich nicht nur im Abschneiden der U21 wiederspiegelte, sondern auch an der Art der Kritik an ebenjenem.
Rene Maric, abseits.at
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