Vergessene Legenden (6) – Len Shackleton
England 25.März.2017 Marcel Grün 0
Für viele Fußballfans gilt Stanley Matthews bis heute als der beste Dribbler, den England jemals hervorgebracht hat. Immer mehr gerät jedoch in Vergessenheit, dass es zu Matthews‘ Zeiten einen Spieler gab, der diesem in Sachen Dribblings in nichts nachstand und auf dem Platz sogar noch spektakulärer agierte. Der sechste Teil der Serie „Vergessene Legenden“ befasst sich daher mit Len Shackleton, in England auch bekannt als der „Clown-Prince of Soccer“.
Schaut man sich die gegenwärtige Lage des AFC Sunderland an, könnte diese kaum schlimmer sein: mit 19 Punkten und dem drittschlechtesten Torverhältnis der Liga belegen die „Black Cats“ den letzten Platz der Premier League. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen der Verein Meisterschaften und Pokale gewann und nationale und internationale Klassespieler in seinen Reihen hatte. Trotzdem kommt für den Titel des spektakulärsten und vielleicht besten Sunderland-Spielers nur einer in Frage: Len Shackleton.
Karrierebeginn bei Bradford und Ablehnung von Arsenal
Seine Karriere begann Len Shackleton, der am 3. Mai 1922 zur Welt kam, in seiner Heimatstadt bei Bradford Park Avenue. Nachdem er in der Jugendmannschaft gute Leistungen gezeigt hatte, wurde Arsenal London auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn 1938.
Shackleton hoffte daher ein Jahr später, auch einen Profivertrag zu erhalten, allerdings wurde ihm dieser jedoch von Arsenals Vereinssekretär George Allison verwehrt. Allison erklärte Shackleton, dass er nicht das Zeug zum Profifußballer hätte und dass er sich lieber nach einer anderen Beschäftigung umsehen sollte. Shackleton folgte zunächst diesem Rat und kehrte 1940 in seine Heimatstadt Bradford zurück, wo er bei GEC Funkgeräte für Flugzeuge zusammenbaute und nebenher bei seinem alten Verein Bradford Park Avenue auf Amateurbasis mitspielte. Nachdem er während dem zweiten Weltkrieg Minenarbeiter gewesen war, spielte Shackleton ab 1946 mit Bradford in der zweiten englischen Liga. Er absolvierte jedoch nur sieben Spiele für Bradford, ehe er im Oktober 1946 den Verein verließ. Shackleton, der von der ständigen Kritik an seiner Spielweise genug hatte, wechselte zu Newcastle United, die im Gegensatz zum ebenfalls interessierten AFC Sunderland bereit gewesen waren, die enorme Ablösesumme von 13.000 Pfund zu bezahlen.
Von Newcastle nach Sunderland – Shackletons beste Jahre
Bei Newcastle, die ebenfalls nur in der zweiten Liga spielten, traf Shackleton unter anderem auf Jackie Milburn und Roy Bentley, mit denen er eine gefürchtete Sturmreihe bildete (hinzu kamen noch Mittelstürmer Charlie Wayman und der schottische Linksaußen Tommy Pearson). Doch trotz dieses Paradesturms sollte es für Newcastle nicht zum Aufstieg reichen: man erzielte zwar 95 Tore (darunter war ein 13:0 gegen Newport County, bei dem Shackleton sechsmal traf), aber kassierte auch gleichzeitig 62 Gegentreffer, sodass am Ende nur Platz fünf stand. Erst in der folgenden Saison schaffte Newcastle United als Zweitplatzierter hinter Birmingham City den Aufstieg. Trotz dieses Erfolgs war Shackleton nicht zufrieden mit seiner Situation: neben Problemen mit den Verantwortlichen des Vereins wurde ihm von Newcastles Kapitän Joe Harvey vorgeworfen, dass man mit ihm in der Mannschaft niemals einen Titel gewinnen könnte. Shackleton äußerte daher am Jahresende 1947 seinen Wechselwunsch, der ihm im Februar 1948 schließlich erfüllt wurde. Für die damalige Rekordsumme von 20.500 Pfund wechselte er ausgerechnet zu Newcastles Erzrivalen Sunderland – dem Verein, der zwei Jahre zuvor noch vor der hohen Ablöse Shackletons zurückgeschreckt war.
Shackleton war jedoch nicht der einzige Rekordtransfer, den Sunderland in diesen Jahren tätigte: zusätzlich zu Shackleton kamen 1949 noch Ivor Broadis und 1950 Trevor Ford für enorme Ablösesummen, weshalb der Verein zu dieser Zeit auch den Spitznamen „Bank of England Club“ trug. Trotz dieser Investitionen erreichte Sunderland jedoch nur einmal den dritten Platz der Meisterschaft (wobei nur ein Punkt auf den Meister Portsmouth fehlte) und kam auch im FA Cup nur zweimal ins Halbfinale. Während sich Shackleton hervorragend mit Ivor Broadis verstand, galt das Verhältnis zwischen ihm und Sunderlands Mittelstürmer Trevor Ford als äußerst problematisch: Shackleton machte sich nämlich einen Spaß daraus, Ford regelmäßig mit Pässen anzuspielen, die dieser nicht erreichen konnte. Als Ford Shackleton einmal fragte, weshalb dieser ihn nie anspielen würde, antwortete Shackleton nur, dass er es zwar versuchen würde, aber dass seine Pässe Ford immer auf den falschen Fuß erwischen würden. Die Streitereien der beiden schaukelten sich immer weiter hoch, bis Ford schließlich im Sommer 1953 den Verein verließ. Sunderlands Trainer Billy Murray verbannte Shackleton infolgedessen in die Reservemannschaft des Vereins, aus der dieser allerdings bald zurückkehrte. Ohne Ford lag noch mehr Druck auf Shackletons Schultern, der jedoch problemlos damit klar kam: während seiner elf Jahre in Sunderland gehörte Shackleton stets zu den besten Spielern und Torschützen des Verein und kam in seiner besten Saison auf 22 Tore in 41 Spielen. 1957 endete Shackletons Zeit in Sunderland nach 320 Spielen mit 97 Toren, als er sich im ersten Saisonspiel eine schwere Knöchelverletzung zuzog und infolge dieser Verletzung seine Karriere beendete.
Spielstil und Position
Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie Shackleton auf dem Platz agierte, könnte man tatsächlich annehmen, dass man es eher mit einem Südamerikaner, denn einem Briten zu tun hatte. Am Ball konnte Shackleton, der zumeist als linker oder rechter Halbstürmer spielte (er war allerdings auch als Flügelstürmer einsetzbar), alles: die Bälle, die zu ihm gespielt wurden, konnte er problemlos kontrollieren, um dann selbst zum Dribbling anzusetzen. Zu seinem Repertoire gehörten Übersteiger, Tunnel, Hackentricks und andere Kabinettstückchen, mit denen er seine Gegenspieler regelmäßig der Lächerlichkeit preisgab. Mit dieser Spielweise trieb Shackleton jedoch nicht nur die Gegner, sondern auch manchmal seine eigenen Mannschaftskollegen in den Wahnsinn: wenn Shackleton nach einem erfolgreichen Dribbling die Wahl hatte, entweder abzuspielen oder weitere Gegenspieler auszudribbeln, versucht er meistens das letztere, was ihm sogar in den meisten Fällen gelang.
Shackleton konnte jedoch, sofern er denn wollte, auch gute Pässe in die Schnittstellen spielen und beherrschte als wohl einziger Engländer zu dieser Zeit sogar Backspin-Pässe. In der Regel entschied sich Shackleton allerdings, nachdem er genug Gegner ausgetrickst hatte, dafür, selbst den Abschluss zu suchen: hierbei variierte er, je nach Situation, zwischen extrem platzierten oder knallharten Schüssen und erzielte auf diese Art und Weise 127 Tore in seiner Vereinskarriere.
Trotz aller Kritik überwog jedoch das Lob über seine Genialität auf dem Platz: für viele Journalisten, aber auch für Spitzenspieler wie Stanley Matthews und Jimmy Greaves galt Shackleton als der beste englische Halbstürmer seiner Zeit.
Shackleton und die FA
In Anbetracht seines Talents und seiner Fähigkeiten am Ball wirkt es daher wie ein schlechter Scherz, dass Len Shackleton nur fünf Mal für England spielen durfte. Hierfür gibt es zwei Hauptgründe:zum einen waren Shackletons Spielweise und sein Hang zum Individualismus vielen Verantwortlichen des englischen Fußball-Verbandes FA ein Dorn im Auge. Walter Winterbottom, von 1946 bis 1962 englischer Nationalcoach und ein großer Fan von Shackleton, kritisierte an Shackleton, dass er mehr für sich als für die Mannschaft spielen würde und dass seine Spielweise zwar schön für das Publikum, jedoch wenig effektiv wäre. Als ein Verantwortlicher der FA einmal nach dem Grund für die erneute Nichtnominierung Shackletons gefragt wurde, antwortete dieser nur, dass man ja im Wembley-Stadion und nicht im London Palladium (ein Theater in London) spielen würde.
Hinzu kam jedoch noch Shackletons Charakter: sein loses Mundwerk und seine teilweise sehr extremen Provokationen trafen bei der FA nicht unbedingt auf Gegenliebe. So verpasste er Walter Winterbottom, der auf dessen Trainingsanzug seine Initialen aufgedruckt hatte, den Namen „Washer Woman“ und sprach ihn auch regelmäßig so an. In einem seiner seltenen Länderspiele sollte Shackleton jedoch eindrucksvoll beweisen, zu was er fähig war: 1954 traf England auf den amtierenden Weltmeister Deutschland und schlug diesen verdient mit 3:1, unter anderem dank einer überragenden Leistung von Shackleton. Nachdem er im ganzen Spiel bereits mit vielen Tricks geglänzt hatte, stürmte er in der 79. Minute aufs Tor zu, ließ dabei noch einen deutschen Verteidiger aussteigen und chippte den Ball lässig über den herausstürmenden Fritz Herkenrath ins Tor.
Trotz dieser Gala blieb Shackletons fünftes Länderspiel auch sein letztes. Shackleton sollte allerdings die Behandlung durch den englischen Verband nicht vergessen und als er 1956 seine Autobiographie „Clown Prince of Soccer“ veröffentlichte, ließ er es sich nicht nehmen, sich bei den Offiziellen auf seine spezielle Art und Weise zu revanchieren: das neunte Kapitel des Buches trug die Überschrift „Das durchschnittliche Fußball-Wissen eines Offiziellen“ und bestand aus einer einzigen leeren Seite…
Zeit nach der Fußballkarriere
Diese Autobiographie sollte jedoch nicht Shackletons letzte Veröffentlichung bleiben. Nach seinem Karriereende 1957 wurde Shackleton Sportjournalist und arbeitete unter anderem für die Zeitungen Daily Express und The People. Shackleton, der schon während seiner Karriere nie ein Blatt vor den Mund genommen hatte, schrieb auch weiterhin, was er dachte und kritisierte unter anderem die enorm geringen Löhne, für die er und andere Spieler gespielt hatten. Begeistert war er jedoch von Paul Gascoigne, den er als einzigen Spieler für annähernd so talentiert wie sich selbst hielt.
Im Jahr 2000 erschien noch seine zweite Autobiographie „The Return of the Clown Prince“, die Shackleton gemeinsam mit seinem Sohn verfasst hatte. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Buches starb Len Shackleton am 28. November 2000 im Alter von 78 Jahren an einem Herzinfarkt.
„The Clown Prince of Soccer“ – keine Titel, aber dennoch Legende
Würde man Len Shackleton nur an der Anzahl seiner Erfolge oder Länderspiele messen, wäre es ein leichtes, ihn als unbedeutenden Spieler in der englischen Fußballgeschichte einzuordnen.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall: gerade weil er sich nicht verbiegen ließ und seine Spielweise nicht änderte, genoss Shackleton den Respekt seiner Teamkollegen (die Ausnahme dürfte wohl Trevor Ford sein) und vor allem der Fans. Natürlich hätte er sich auch dem Druck der Offiziellen beugen können – in diesem Falle wäre der „Clown Prince of Soccer“ jedoch nie zu der Legende geworden, die er bis heute ist.
Marcel Grün, abseits.at
Marcel Grün
- Besondere Tore
- Die bunte Welt des Fußballs
- Europameisterschaft
- Internationale Stars
- Argentinien
- Australien
- Belgien
- Brasilien
- Chile
- Dänemark
- Deutschland
- Andreas Brehme
- Andreas Möller
- Berti Vogts
- Christoph Daum
- Franz Beckenbauer
- Fritz Walter
- Gerd Müller
- Günther Netzer
- Helmut Rahn
- Jürgen Klinsmann
- Jürgen Klopp
- Karl-Heinz Rummenigge
- Lothar Matthäus
- Lukas Podolski
- Manuel Neuer
- Miroslav Klose
- Oliver Bierhoff
- Oliver Kahn
- Philipp Lahm
- Rudi Völler
- Sepp Maier
- Thomas Häßler
- Thomas Müller
- Thomas Tuchel
- Toni Schumacher
- Toni Turek
- Udo Lattek
- Uli Hoeneß
- Uwe Seeler
- Elfenbeinküste
- England
- Finnland
- Frankreich
- Irland
- Italien
- Alessandro Del Piero
- Alessandro Nesta
- Andrea Pirlo
- Christian Vieri
- Claudio Gentile
- Dino Zoff
- Fabio Cannavaro
- Francesco Totti
- Franco Baresi
- Gaetano Scirea
- Giacinto Facchetti
- Gianluca Vialli
- Gianluigi Buffon
- Giuseppe Bergomi
- Giuseppe Meazza
- Luigi Riva
- Marco Tardelli
- Mario Balotelli
- Paolo Maldini
- Paolo Rossi
- Roberto Baggio
- Sandro Mazzola
- Kamerun
- Kolumbien
- Liberia
- Mexiko
- Niederlande
- Nigeria
- Nordirland
- Norwegen
- Portugal
- Schottland
- Schweden
- Schweiz
- Spanien
- Ungarn
- Uruguay
- USA
- Wales
- Österreich
- Legendäre Legionäre
- Alexander Zickler
- Antonin Panenka
- Axel Lawaree
- Branko Boskovic
- Carsten Jancker
- Dejan Savicevic
- Geir Frigard
- Hamdi Salihi
- Hansi Müller
- Jan Åge Fjørtoft
- Jocelyn Blanchard
- Joey Didulica
- Jonathan Soriano
- Kevin Kampl
- Lajos Détári
- Maciej Sliwowski
- Marek Kincl
- Mario Kempes
- Mario Tokic
- Milenko Acimovic
- Nestor Gorosito
- Nikica Jelavic
- Nikola Jurčević
- Olaf Marschall
- Oliver Bierhoff
- Patrik Jezek
- Radoslaw Gilewicz
- Rene Wagner
- Roger Ljung
- Sadio Mané
- Samir Muratovic
- Sigurd Rushfeldt
- Somen Tchoyi
- Steffen Hofmann
- Szabolcs Sáfár
- Tibor Nyilasi
- Trifon Ivanov
- Valdas Ivanauskas
- Vladimir Janocko
- Zlatko Kranjcar
- Nationale Stars
- Aleksandar Dragovic
- Andi Ogris
- Andreas Herzog
- Andreas Ivanschitz
- Bruno Pezzey
- Christian Fuchs
- David Alaba
- Deni Alar
- Didi Kühbauer
- Ernst Happel
- Ernst Ocwirk
- Felix Gasselich
- Franz Wohlfahrt
- Friedl Koncilia
- Gustl Starek
- Hans Krankl
- Herbert Prohaska
- Heribert Weber
- Ivica Vastic
- Julian Baumgartlinger
- Kevin Wimmer
- Kurt Jara
- Marc Janko
- Marcel Sabitzer
- Mario Haas
- Marko Arnautovic
- Martin Harnik
- Martin Hinteregger
- Matthias Sindelar
- Michael Konsel
- Otto Konrad
- Peter Stöger
- Sebastian Prödl
- Toni Polster
- Ümit Korkmaz
- Veli Kavlak
- Walter Schachner
- Walter Zeman
- Zlatko Junuzovic
- Nationalmannschaft
- Österreichische Vereine
- Legendäre Legionäre
- Weltmeisterschaft
Keine Kommentare bisher.
Sei der/die Erste mit einem Kommentar.