Von der 8. Liga ins Nationalteam: Die unglaubliche Karriere des Jamie Vardy
England 24.Oktober.2015 Stefan Karger 0
Er führt mit neun Toren nach neun Spieltagen deutlich die Premier-League-Torschützenliste an, gab die meisten Schüsse aller Stürmer aufs gegnerische Tor ab (17) und berührte am häufigsten den Ball im gegnerischen Strafraum (66). Er kreierte zudem die meisten Torchancen aller Angreifer in der Liga, machte die meisten Tacklings (13) und hat mit 30% verwandelten Chancen die beste „shot conversion“. Die Rede ist von Leicester-Stürmer Jamie Vardy, der dieses Jahr gehörig die englische Liga aufmischt. Da viele unserer Leser den Stürmer nicht näher kennen werden, wollen wir hier seinen ungewöhnlichen Werdegang beschreiben.
30 Pfund Gehalt pro Woche
Jamie Vardy ist bereits 28 Jahre alt und damit ein sogenannter Spätberufener, der vor einigen Saisonen noch in der Reservemannschaft eines englischen Achtligisten spielte und 30 Pfund pro Woche verdiente. Mit 16 Jahren wurde er nämlich aus dem Nachwuchs von Sheffield Wednesday entlassen und musste sich von ganz unten ins Rampenlicht spielen.
Neuanfang beim Stockbridge Park Steels FC
Knapp vor seinem 17. Geburtstag teilten die Verantwortlichen bei Sheffield Wednesday dem jungen Stürmer mit, dass er zukünftig keinen Platz mehr im Verein hat und sich einen anderen Verein suchen muss. Die Angebote für den am 11. Januar 1987 geborenen Stürmer waren rar und er entschloss sich dazu beim Northern-Premier-League-Klub Stockbridge Park Steels anzuheuern. Die Northern Premier League ist ein überregionaler Fußballverband und markiert die siebte und achte Spielstufe in England.
Jack The Lad
Der Präsident des Vereins, Allen Bethel, erinnert sich gut an den jungen Stürmer, der immer der erste beim Training war und dieses als letzter Spieler verließ. Seine tolle Arbeitsmoral hinderte ihn jedoch nicht daran nachts mit seinen Freunden ausgiebige Partys zu feiern und sich immer wieder in Schwierigkeiten zu bringen. Dies war auch der Grund weshalb ihn der Trainer der Kampfmannschaft, kurz nachdem er sich in die erste Mannschaft spielte, wieder zum Reserveteam schickte. Präsident Bethel legte jedoch nach einem Gespräch mit allen Beteiligten sein Veto ein und beförderte den jungen Angreifer wieder in die Kampfmannschaft. Bethel beschrieb ihn als einen irrsinnig schnellen Spieler, mit einem fantastischen Antritt und unglaublich viel Energie. Er fügte jedoch auch hinzu, dass er auf und abseits des Platzes immer wieder etwas verrückt war.
Stockbridge Park Steels hatte durchaus Probleme mit dem hochtalentierten Angreifer. Gegenüber den Vereinsverantwortlichen und Spielern benahm sich Vardy immer vorbildlich, doch „Jack The Lad“, wie er damals genannt wurde, hatte nicht unbedingt einen besonnen Freundeskreis und seine nächtlichen Aktivitäten endeten das eine oder andere Mal auf einer Polizeiwache. Der Klub hielt jedoch stets zu ihm und aufgrund seiner zahlreichen Tore gab es schon bald einige Interessenten für den ungewöhnlichen Stürmer.
Sheffield United verzichtet
Sheffield United beobachtete den Angreifer achtmal und Stockbridge Park Steels hätte ihm bei einem Wechsel aufgrund der geographischen Lage keine Steine in den Weg gelegt. Die Scouts erkannten Vardys großes Talent, der aber in diesen Spielen zu übermütig agierte und zweimal mit einer roten Karte vom Platz geschickt wurde. Der Stürmer wäre sehr gerne zum Rivalen von Sheffield Wednesday gewechselt, um seinen damaligen Nachwuchstrainern zu beweisen, dass sie mit seiner Aussortierung einen Fehler begingen. Aufgrund der beiden Ausschlüsse sah Sheffield United zu viel Risiko in diesem Transfer und verzichtete auf den Angreifer – was sich als großer Fehler herausstellen sollte.
Ein Angebot von Rotherham über 2000 Pfund wurde dankend abgelehnt. Den Zuschlag bekam der FC Halifax Town, der 16.000 Pfund zum Verhandlungstisch mitbrachte. Nach 107 Pflichtspielen und 66 Treffern verließ er also Stockbridge Park Steels und wechselte zu dem Klub, der überlegen die Northern Premier League Division One gewann und nun in die Northern Premier League Premier Division aufstieg, womit er in der siebthöchsten Liga ankam.
Der Torschützenkönig mit der Fußfessel
Halifax gewann auch in der folgenden Saison die Meisterschaft und Jamie Vardy hatte als Torschützenkönig mit 22 Treffern einen großen Anteil an diesem Erfolg. Sein neuer Klub ließ sich auch nicht davon abschrecken, dass Vardy aufgrund seiner nächtlichen Abenteuer eine Zeitlang eine Fußfessel tragen musste und ab 18:30 behördliche Ausgangssperre hatte. Sein Klub verlegte einfach die Trainingszeiten vor, da die Verantwortlichen in jeder Hinsicht von seinen spielerischen Qualitäten überzeugt waren. Bei Auswärtsspielen, die weit von seiner Wohnung entfernt waren, kam es auch vor, dass er vorzeitig ausgewechselt werden musste, damit er vor 18:30 nach Hause kam. Seine Eltern warteten im Wagen auf den Spieler, der direkt nach dem Wechsel über den Zaun ins “Fluchtauto“ sprang. Vor seiner Verpflichtung sahen sie ein Stockbridge-Spiel gegen die U21-Mannschaft von Sheffield United und Halifax-Boss Neil Aspin beschrieb, dass er nach dieser einen Partie genug gesehen hatte. Vardy hatte einen enorm weiten Aktionsradius, war auf beiden Flügeln zu finden und seine Schnelligkeit und die Ballbehandlung waren etwas ganz Besonderes. Zu seiner ersten Trainingseinheit bei seinem neuen Klub kam er ohne richtige Fußballschuhe, sodass seine Mitspieler den Neueinkauf zunächst skeptisch beäugten. Nach wenigen Minuten am Platz war allen klar, dass er eine große Verstärkung sein würde. Lange konnte Halifax den Stürmer freilich nicht halten. Nachdem er in der zweiten Saison in den ersten vier Spielen wieder drei Treffer erzielte, wechselte er gegen eine Ablösesumme von 150.000 Pfund zu Fleetwood Town in die Conference National League.
„We can have whatever we want to eat?“
Vardy unterschrieb an einem Freitagvormittag und spielte noch am selben Abend eine Meisterschaftspartie. Sein Trainer wollte ihn auf die Bank setzen, doch der Präsident bestand darauf sein neues Juwel spielen zu sehen und erreichte mit sanftem Nachdruck, dass der Neuzugang in der Startaufstellung stand. Nach der Partie quartierte er Vardy und seinen Vater in einem Hotel ein und sagte den beiden, dass sämtliche Rechnungen auf ihn gehen würden. Sein Vater sah den Präsidenten mit großen Augen an und fragte: „What, and we don’t have to pay and we can have whatever we want to eat?” Der Präsident bejahte diese Frage, woraufhin Jamies Vater zu seinem Sohn sagte: “Bloody hell son, we’ve done alright here.“
Im dritten Meisterschaftsspiel schoss Vardy beim 3:2-Sieg gegen Kettering Town seine ersten beiden Treffer für den neuen Klub und legte in den nächsten beiden Partien jeweils einen Doppelpack nach. Es war schon bald klar, dass Fleetwood Town nicht die Endstation seiner Karriere sein würde. Die Scouts, die ihn beobachteten wurden immer prominenter, so sahen sich beispielsweise David Moyes und Mick McCarthy den Stürmer an. Blackpool bot 750.000 Pfund, doch Fleetwood Town bestand mit einer Million Pfund auf eine runde Summe. Am 17. Mai 2012 legte Leicester City diesen Betrag auf den Tisch und sorgte so für die höchste Transfersumme für einen Non-League-Spieler. Nach 36 Pflichtpartien, in denen Vardy 31 Mal traf verließ er den Verein und unterschrieb einen Dreijahresvertrag beim damaligen Championship-Verein (zweithöchste Liga).
Holpriger Start bei Leicester City
Bei Leicester City geriet er in seiner ersten Saison in ein Formtief und blieb mit vier Toren in 28 Meisterschaftsspielen deutlich hinter den hohen Erwartungen zurück. Nachdem ihn die Leicester-Fans mit Kritik in den sozialen Netzwerken überhäuften, überlegte er sogar seine Karriere vorzeitig zu beenden. Sein damaliger Trainer Nigel Pearson überzeugte ihn jedoch weiterzumachen. Schon im Jahr darauf lief es deutlich besser. Jamie Vardy schoss 16 Tore in 37 Partien und sein Klub stieg in die Premier League auf. Er verlängerte seinen Vertrag bis Sommer 2018 und erzielte fünf Treffer in seiner ersten Saison in der höchsten englischen Spielklasse.
Die Explosion
In der laufenden Saison explodierte der Stürmer und steht nun nach neun Spieltagen mit neun Treffern an der Spitze der Torschützenliste. Seine weiteren Statistiken, die ihr in der Einleitung dieses Artikels nachlesen könnt, sprechen ebenfalls für seine Qualitäten. Aufgrund seiner starken Leistungen, die schon Ende der vergangenen Saison zu sehen waren, spielte er sich zudem ins englische Nationalteam, für das er bis heute vier Einsätze absolvierte. Vardy wartet noch auf den ersten Treffer für sein Heimatland, doch wenn er seine Form halbwegs konservieren kann, wird dieser nur eine Frage der Zeit sein.
Von der achten Spielklasse bis in die Premier League und ins englische Nationalteam – Jamie Vardy hat eine lange Reise hinter sich. Wir dürfen gespannt sein, wie seine weitere Karriere verlaufen wird und vielleicht werden wir ihn auch bei der Europameisterschaft in Frankreich bewundern dürfen.
Stefan Karger, www.abseits.at
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Stefan Karger
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