Stellen sie sich vor, sie stehen am Kop End an der Anfield Road und sehen sich das Liverpool Derby an. Pausepfiff. Aber anstatt sich... Wenn die Anfield Road ins Wohnzimmer kommt…

Stellen sie sich vor, sie stehen am Kop End an der Anfield Road und sehen sich das Liverpool Derby an. Pausepfiff. Aber anstatt sich jetzt einen Tee zu holen und sich mit dem Nachbarn sich über das Spielgeschehen auszutauschen, nehmen sie einfach die Fernbedienung in die Hand und setzten sich gemütlich ins Shed End der Stamford Bridge und verbringen 15 Minuten bei Chelsea gegen Tottenham. Was jetzt noch ein bisschen verrückt klingt, könnte in ein paar Jahren das normalste der Welt sein. Richard Scudamore, Chef der Premier League, glaub jedenfalls fest daran, dass noch während seines „working lifes’“ diese Art fernzusehen eingeführt wird.

Die englische Premier League überrascht ihre Fans in letzter Zeit häufig mit mehr oder weniger kreativen Vorschlägen, die jedoch nicht immer positiv aufgenommen werden. Erst vor drei Jahren scheiterte das Konzept “Game 39“, das vorsah einen 39. Premier-League-Spieltag an das meistbietende Land zu verkaufen. Ab der Saison 2013/14 sollte an einem Wochenende im Januar eine Runde fernab von England ausgetragen werden. Mögliche Kandidaten waren in erster Linie Länder in Südostasien, die Golfstaaten, Australien und die Vereinigten Staaten. Die Spiele hätten an einem Wochenende zu versetzten Uhrzeiten stattgefunden, damit die Fans auf der ganzen Welt jede einzelne Partie sehen können. Den Vereinskassen hätte diese Aktion zweifelsohne gut getan, doch die englischen Fans konnten sich mit dieser Idee verständlicher Weise nicht anfreunden. Die FIFA zeigte sich ebenfalls alles andere als begeistert von diesem Plan, sodass diese Idee begraben wurde.

WENN DER BERG NICHT ZUM PROPHETEN KOMMT

Richard Scudamore teilte nun dem Guardian ein neues Konzept mit, das den Fans besser gefallen dürfte. Der Verbraucher setzt sich vor seinen 3D-Fernseher, setzt sich die Kopfhörer auf und wählt den Ort aus, von wo er sich das Spiel seiner Wahl ansehen will: egal welches Premier League Stadion, egal welche Tribüne, egal welches Spiel. „There’s immersion technology being developed right now. … If you turn your head one way you’re looking at the left-hand goal and the other way you’re looking at the right-hand goal. That’s in Beta testing now“, so Scudamore in einem Guardian Interview. Zurzeit arbeitet laut Scudamore die Premier League mit Sony und Electronic Arts zusammen, um diese Fiktion Wirklichkeit werden zu lassen.

FÜR UND WIDER

Funktioniert dieses Tool, würde es Fußball im TV auf eine neue Ebene heben. Man wäre im wahrsten Sinne des Wortes „mittendrin statt nur dabei“. Der Zuseher würde seine eigene Perspektive wählen können, dort stehen bzw. sitzen wo er schon immer stehen bzw. sitzen wollte, sei es nun eine Loge oder die Fantribüne, und die Atmosphäre fast so spüren als wäre er vor Ort.

Doch wo die größte Stärke der Idee liegt, liegt auch ihr größter Schwachpunkt. Es kommt in fast jedem Spiel der Punkt an dem die Gesänge aufhören weil man 3:0 hinten liegt oder weil das Spiel eigentlich eh uninteressant ist. Und was würde man dann hören? Vielleicht wie mein virtueller Sitznachbar sich über seine Familie oder Arbeit auslässt? Sachen die ich eigentlich nicht hören muss.

Ein weiterer fraglicher Punkt ist wie das System funktioniert, wenn sich mehrere Leute gleichzeitig auf einem TV-Gerät ein Spiel ansehen. Geht man von einem beweglichen Bild aus, das sich verändert je nachdem wohin man seinen Kopf dreht, könnte es bei Gruppen über einer Person schnell zu Problemen kommen, da jeder seine eigene Art hat ein Spiel zu sehen.

Ebenso stellt sich mir die Frage, ob ich auf Wiederholungen verzichten würde, nur auf Grund des Gefühls live dabei zu sein. Den Kommentator würde ich hingegen, bei gleichbleibender Qualität der Berufsgruppe, nicht vermissen.

In Sachen Wirtschaft denken die Verantwortlichen der Premier League mit. Die Art der Übertragung soll vor allem für Zuseher außerhalb Englands angeboten werden. Man wolle den Clubs keinen Schaden zufügen in dem man ein System anbietet, das die Leute lieber zu Hause sitzen lässt anstatt ins Stadion zu gehen, so Scudamore. Man wolle nur den Leuten die Liga so authentisch wie möglich nach Hause liefern, die keine Chance haben ein Spiel zu besuchen.

EIGENTLICH EGAL

Technologisch betrachtet klingt das Projekt der Premier League zwar noch nach Zukunftsmusik, doch sieht man sich die rasante Entwicklung der TV Geräte im Bereich 3D an, erscheint es wiederum realistisch. Während sich die Fußballfans außerhalb Englands auf dieses futuristische Angebot freuen dürfen, müssen die englischen TV-Konsumenten zittern, ob sie auch in den Genuss der 3D-Übertragungen kommen werden. Funktionäre der Premier League überlegen momentan, ob sie das Angebot auf das Ausland beschränken, damit die englischen Fans weiterhin ins Stadion gehen müssen, um in den Genuss einer 3D-Ansicht zu kommen. Sollte dieses 3D-Konzept erfolgreich umgesetzt werden, dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis die anderen großen Ligen nachziehen werden. Die österreichische Bundesliga wird voraussichtlich lange nicht in 3D erhältlich sein, denn der Markt für ausländische Fußballfans, die sich vor ihren Fernseher setzen und in die 3D-Erlebniswelt von Mattersburg gegen Kapfenberg eintauchen wollen, wird eher beschränkt sein.

C.Hauzenberger & Stefan Karger, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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