Wenn Fußball nebensächlich wird: Weltweite Gebete für Fabrice Muamba
England 23.März.2012 Archimedes 2
Fabrice Muamba befindet sich nach seinem Herzinfarkt im Spiel gegen Tottenham laut Aussagen seines Coachs und der Ärzte bereits wieder am Weg der Besserung. Während in Europas Ligen die Meisterschaft in die finale Phase geht, gibt es in England derzeit nur ein Thema: den Gesundheitszustand des Bolton-Profis.
Muamba: Schlechte Ausgangslage, große Karriere
Geboren wurde Fabrice Muamba am 6. April 1988 in Kinshasa, der heutigen demokratischen Republik Kongo. Zur Zeit seiner Geburt wurde sein Geburtsland allerdings noch Zaire genannt. Muambas Vater musste 1994 aufgrund seiner politischen Ansichten und Ideen aus Zaire flüchten – sein Asylantrag wurde in London allerdings erst verzögert und nicht bewilligt. 1999 erhielt er aber den Status „Indefinite leave to remain”, der ihm zwar nicht die gleichen Rechte wie gebürtigen Staatsbürgern einräumte, jedoch ermöglichte, dass der Rest der Familie nachfolgen und sich Muambas Vater um Ausbildung und Studium kümmern konnte. Fabrice kam also mit elf Jahren nach London, ohne auch nur ein einziges Wort Englisch sprechen zu können. Im Osten Londons, wo sich die Familie niederließ, besuchte er eine Schule in einem Arbeiterviertel und erreichte schnell Bestnoten in Mathematik, Englisch oder Französisch. Die Schule brachte den talentierten jungen Mann auch zum Fußball. Ein Schulfreund nahm ihn eines Tages mit zum Training bei Arsenal London. Von diesem Zeitpunkt an ging es in Muambas Karriere steil bergauf – und das in Rekordzeit. 2004 wechselte er in die Arsenal-Akademie, im Oktober 2005 unterschrieb er als 17-Jähriger bereits seinen ersten Profivertrag bei den Gunners.
Ein Fixposten für England
Auch in den diversen Nachwuchsnationalteams war Fabrice Muamba ein stetiger Fixposten. Egal, ob in der U-16, U-17, U-18 oder U-19 – Muamba durfte in jeder Altersstufe in der Landesauswahl zeigen, was er konnte. Torerfolg war ihm aber in all den Spielen für den Nachwuchs der “Three Lions” keiner vergönnt. Bei Arsenal schaffte er den Durchbruch nie. Zwei Einsätze im FA-Cup waren das einzige Zeichen, das Muamba in der Profimannschaft setzen konnte. Zu stark war der Kader über die Jahre bei den Gunners, zu dominant die Mannschaft, die im Jahr 2004 keine einzige Niederlage hinnehmen musste und ungeschlagen Meister wurde. Die logische Folge aus der Perspektivlosigkeit war eine Leihe. In der Saison 2006/2007 war Muamba an Birmingham City verliehen, nach der Spielzeit wurde er vom selben Klub fix verpflichtet. Während seiner Zeit in Birmingham steigerte sich Muamba immer weiter und näherte sich in seiner Spielweise immer mehr seinem großen Idol bei Arsenal, Patrick Vieira, an. In insgesamt 71 Einsätzen gelangen Muamba zwei Tore für Birmingham und nach der Saison 2007/2008 wechselte er um rund sechs Millionen Euro zu den Bolton Wanderers. Mittlerweile war Muamba auch im englischen U-21-Team eine fixe Größe, 33 Länderspieleinsätze machen ihn zu einem international erfahrenen Mann, obwohl er erst 23 Jahre alt ist. Den Sprung in das A-Team schaffte Muamba aber vorerst nicht.
Erinnerungen werden wach
Es läuft die 42. Minute im Viertelfinalspiel des FA-Cups, es stehen sich die Tottenham Hotspurs und die Bolton Wanderers gegenüber. Kurz vor der Pause gibt es Abstoß, die Kameras konzentrieren sich auf den Torhüter, der gerade weit abschlagen will. Zuerst unentdeckt von Fans und Fernsehstationen sackt Fabrice Muamba plötzlich zusammen. Sofort eilen Sanitäter aufs Spielfeld, um Muamba bildet sich eine Traube aus Spielern, Trainern und Rettungskräften. Erinnerungen an Marc-Vivien Foe werden wach. Der Kameruner war in einem Länderspiel gegen Kolumbien ebenfalls plötzlich mitten am Feld zusammengebrochen und an Herzversagen verstorben. In den Gesichtern von Fans und Spielern sah man die plötzliche Fassungslosigkeit. “Eine furchtbare Situation. Er hat wohl einen Herzstillstand erlitten. Sie haben versucht, ihn zu reanimieren. Wir sind alle geschockt. Wir beten für ihn“, meinte Tottenham-Star Rafael van der Vaart nach dem Vorfall. Schiedsrichter Howard Webb beriet sich kurz mit beiden Trainern und entschloss sich dazu, das Spiel abzubrechen. Viele Spieler konnten ihre Fassungslosigkeit und ihre Tränen nicht verstecken. „Ich habe mit den Spielern beider Teams gesprochen. Sie waren nach dem Zwischenfall außerstande, weiterzumachen“, erzähle Webb.
„Ein Wunder!“
Die gesamte Fußballwelt war geschockt. Stars auf der ganzen Welt teilten über das Internet mit, dass sie für Muamba und dessen Familie beten. Von Rooney über Cristiano Ronaldo sendeten dutzende Profis Genesungswünsche. Auch Paul Scharner twitterte, dass er in Gedanken bei Muambas Familie sei. Im Laufe der Woche konnte zum Glück aufgeatmet werden. Die Ärzte gaben Entwarnung, betonten aber auch, dass es sich um ein kleines Wunder handelt, dass das Herz des 23-Jährigen wieder schlägt. „Wir haben das Schlimmste befürchtet und nicht daran geglaubt, dass er sich erholt. Es ist unglaublich. Es waren 48 Minuten, bis er nach dem Kollaps das Krankenhaus erreichte und danach noch einmal 30 Minuten. Zu dieser Zeit war er praktisch tot“, erzählte der Teamarzt. Weitere Details lassen viele Fans staunen. So soll Muamba im ersten Gespräch nach dem Aufwachen neben dem Befinden seines Sohnes und seiner Familie auch danach gefragt haben, wie das Spiel ausgegangen sei. Ob Muamba selbst jemals wieder am Spielfeld stehen wird, kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Es grenzt aber schon an ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist.
Nur Pech und Zufall?
Einem derart tragischen Vorfall kann man natürlich nichts Positives abgewinnen – ein positives Zeichen wäre es allerdings, wenn die Klubs aus solchen Ereignissen lernen und die Spieler vor ihren Engagements noch genauer medizinisch durchchecken lassen. Die Fälle von plötzlichem Herzstillstand während eines Spiels nehmen in den letzten Jahren immer mehr zu – wie die Fälle des bereits angesprochenen Marc-Vivien Foe oder Miklos Féher zeigen. Es handelt sich dabei zum Glück um wiederholte Einzelfälle, trotzdem fällt auf, dass andere Sportarten weitestgehend von ähnlichen Vorfällen verschont bleiben. Ein Spieler mit angeborenem Herzfehler sollte nie wieder einem solchen Risiko ausgesetzt werden. Oder, wie im Fall von Miklos Féher, mit einer Erkältung Profisport betreiben. Was dabei herauskommen kann, hat man bereits mehrere Male gesehen. Nur, weil Fabrice Muamba wie durch ein Wunder verschont blieb, heißt das nicht, dass man medizinische Untersuchungen und Belastungstests nicht noch genauer und detaillierter durchführen sollte.
Archimedes, abseits.at
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