England gehört zu den großen Fußballmächten in Europa. Neben Italien, Spanien und Deutschland stellt England regelmäßig die meisten Vertreter in den internationalen Bewerben. Heuer sieht die Situation aber anders aus. Mit dem FC Chelsea, der den Aufstieg ins Viertelfinale der Champions League auf den letzten Drücker geschafft hat, ist nur noch ein einziger Klub von der Insel international dabei. Damit verhinderte Chelsea, dass zum ersten Mal seit 1996 ein Viertelfinale der Königsklasse ohne englische Beteiligung über die Bühne geht.
Die stärkste Liga der Welt?
Die englische Premier League gilt seit Jahren als eine der stärksten Ligen in Europa und auf der ganzen Welt. Ob nun das Niveau in England, Spanien, Italien oder Deutschland das beste ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Keine Ansichtssache, sondern objektiver Fakt ist aber, dass in England seit Jahren die höchsten Summen für Spieler ausgegeben werden. Mit Chelsea, Manchester City, Liverpool und Manchester United verfügt ein Großteil der Spitzenteams über fremde Eigentümer, die nach einem einfachen Prinzip arbeiten: Geld rein, Erfolg raus. Doch so einfach ist die Rechnung im Fußball zum Glück nicht. Weder die Blues, noch die Citizens konnten seit dem Einstieg ihrer Oligarchen einen internationalen Titel gewinnen. Chelsea war im Jahr 2008 knapp dran, im Finale unterlag man allerdings Manchester United im Elfmeterschießen. Seitdem warten englische Vereine auf einen internationalen Titel. Und das, obwohl eingekauft wurde – und wie. Manchester City investierte beispielsweise seit 2008 mehr als 700 Millionen Euro in den Kader – mit überschaubarem Erfolg. Der FA-Cup-Titel 2011 bleibt die einzige Trophäe, die der Klub seit dem Einstieg des Geldgebers Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan gewinnen konnte. Doch auch andere Klubs lechzen bereits nach Erfolgen. Manchester United ist seit dem Triumph von 2008 in der Champions League sowohl in der Champions als auch in der Europa League titellos, Liverpool befindet sich am besten Weg ins Mittelmaß. Dabei stellt sich die Frage, ob die einst stärkste Liga der Welt nicht ein wenig in die Jahre gekommen ist. Natürlich, in der Königsklasse wimmelt es nur so von hochkarätiger Konkurrenz, neben den spanischen Spitzenklubs Real Madrid und FC Barcelona zählen auch immer wieder Klubs aus Italien und Deutschland zum engeren Favoritenkreis. Doch in letzter Zeit sind es nicht die großen Namen, die den Briten Probleme bereiten – sondern eher Underdogs. In den Vorjahren wurde über das Ausscheiden von Aston Villa gegen Rapid gelacht, heuer waren die Stolpersteine nicht wesentlich größer. Die stärkste Liga der Welt am absteigenden Ast?
Alle Wege führen in die Erfolglosigkeit
Konkret sprechen wir in der heurigen Saison von eher peinlichen Auftritten der beiden Klubs aus Manchester. United blamierte sich zuerst in der Champions League und scheiterte am FC Basel aus der Schweiz. Für die Eidgenossen ein historischer Erfolg, für die Red Devils eine mittlere Katastrophe. Doch ein Gutes hatte das Ausscheiden auch. Durch den Abstieg in die Europa League wich man den großen Kalibern wie Barcelona oder Milan aus und erhoffte sich zumindest den Sieg im zweitwichtigsten internationalen Bewerb im europäischen Klubfußball. Doch bevor der Traum überhaupt begann, war er auch schon wieder vorbei. Gleich in der zweiten Runde nach der Champions-League-Gruppenphase musste das Team von Coach Sir Alex Ferguson die Segel streichen. Gegen Athletic Bilbao, im Herbst noch von Salzburg im eigenen Stadion in der Europa-League-Gruppenphase an den Rand einer Niederlage gebracht, zerlegte United in seine Einzelteile. Sowohl im Heimspiel, als auch auswärts waren die Red Devils klar unterlegen, Bilbao bedankte sich mit Traumtoren und feierte den Aufstieg. Keine Weltauswahl, sondern der Tabellen-Achte der Primera Division beendete Uniteds Titelträume. Nicht viel besser erging es Manchester City. Die Millionentruppe von Trainer Roberto Mancini ging ebenfalls mit dem Ziel in den Bewerb, die Europa League zu gewinnen – auch für die Citizens war bereits nach dem Achtelfinale Feierabend. Gegen Sporting Lissabon hatte man den Aufstieg zwar sprichwörtlich bis zur letzten Sekunde in der Hand, in der 95. Minute des Rückspiels ging der Kopfball des mit aufgerückten Torhüters Joe Hart aber Zentimeter am Tor vorbei. Es wäre das Tor zum Viertelfinale gewesen. Arsenal verabschiedete sich mit einem blamablen 0:4 gegen Milan im San Siro und einer gescheiterten Aufholjagd im Emirates Stadium (3:0).
Die letzte Bastion
Damit bleibt also der FC Chelsea der letzte englische Vertreter im Viertelfinale. Ein Blick zurück zeigt, wie weh das den Briten tut: In den Saisonen 2006/2007, 2007/2008 und 2008/2009 kamen drei der vier Semifinalisten aus – richtig, England. Auf Chelsea wartet nun Benfica Lissabon. Am Papier eine lösbare Aufgabe, doch das hatte man bei den beiden Klubs aus Manchester in der Europa League auch schon gedacht. Scheidet auch die Mannschaft von Interimscoach Roberto di Matteo aus, wäre dies ein Desaster für den englischen Fußball. „Wenn wir so spielen, können wir es mit jedem aufnehmen“, meinte Mittelfeldmotor Frank Lampard noch vor der Auslosung.
Gemischte Gefühle, schlechte Vorzeichen
In Anbetracht der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine in drei Monaten herrschen auf der Insel gemischte Gefühle. Einerseits scheinen die englischen Kicker im internationalen Vergleich derzeit nicht ganz auf der Höhe zu sein; andererseits werden die Spieler von Arsenal, Manchester City oder Manchester United einige Spiele weniger in den Beinen haben als spanische, niederländische oder italienische Primgeiger. Die Vorzeichen für die EM stehen trotzdem alles andere als gut. Zuerst die Affäre rund um John Terry und der Streit um die Kapitänsbinde im Nationalteam, dann die Entlassung von Fabio Capello als Teamchef, zuletzt akute Verletzungssorgen. Die Three Lions bräuchten in den nächsten Monaten dringend etwas Ruhe. Auch die Presse, in England für ihr teilweise aggressives Vorgehen bekannt, erwartet nach den Pleiten in den Klubbewerben bei der Europameisterschaft einiges vom Nationalteam. Unter anderem auch einen neuen Coach. Doch die Verantwortlichen beschwichtigen. Trevor Brooking meinte kürzlich, man könnte den neuen Steuermann auch „erst kurz vor dem Turnier reinwerfen“. Als Favorit gilt Tottenham-Coach Harry Redknapp.
Archimedes, abseits.at
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