Im Auftaktspiel gegen Ungarn musste sich die österreichische Nationalmannschaft mit 2:0 geschlagen geben. Einige Probleme im Ballbesitz und beim sonst so starken Pressing machten... Bitterer Auftakt gegen Ungarn: Verbindungsprobleme im Ballbesitz und unsauberes Pressing

Marcel Koller 6_abseits.atIm Auftaktspiel gegen Ungarn musste sich die österreichische Nationalmannschaft mit 2:0 geschlagen geben. Einige Probleme im Ballbesitz und beim sonst so starken Pressing machten den Unterschied aus.

Prinzipielle Ausrichtungen

Die Österreicher zeigten in den ersten Sekunden gleich ein hohes Pressing und attackierten früh den ungarischen Aufbau. Ein schneller Ballgewinn brachte auch die erste Chance Österreichs durch einen Alaba-Distanzschuss nach 30 Sekunden. Janko stellte stets die Verlagerungen zwischen den beiden Innenverteidigern zu und half dabei das Aufbauspiel auf eine Seite zu lenken. Zur Unterstützung rückte Junuzovic, der seinen Deckungsschatten einmal mehr durch kluge Laufrichtungen gut nutzte, dynamisch heraus und attackierte den ballführenden Innenverteidiger, sodass sich immer wieder 4-4-2 Staffelungen im Pressing ergaben.

Das Leiten des gegnerischen Spielaufbaus funktionierte gut, Verlagerungen der Ungarn kamen kaum zustande, auch weil situativ Mannorientierungen für potentiellen Zugriff genutzt wurden.

Im Aufbau war Baumgartlinger einmal mehr der tiefere der beiden Sechser, während Alaba mehr als Achter agierte. Situativ wechselten Baumgartlinger, Alaba und Junuzovic jedoch Rollen und Staffelungen, sodass es auch mal 1-2 und 2-1 Staffelungen im Zentrum zu sehen gab. Ebenso gab es Situationen in denen der ehemalige Mainzer und nun Leverkusener zwischen Dragovic und Hinteregger recht früh abkippte. Dieses Abkippen wurde dennoch weit verfolgt und der flache Spielaufbau wurde von den Ungarn weitestgehend verhindert. So griff vor allem Almer immer wieder zum hohen Ball.

In Ballbesitz taten sich die Ungarn anfangs schwer, das intensive Pressing der Österreicher bereitete einige Probleme. Dennoch konnte man in einigen Situationen gut kombinieren, tat dies vor allem durch Pässe vom Flügel diagonal in die Halbräume, wo man mit schnellen Ablagen den Weg nach vorne suchte. Primär war der Angriffsvortrag sehr direkt gedacht, man suchte oft die vertikale Anspielstation, was jedoch manchmal etwas erzwungen wirkte. Fokussiert wurde vor allem die linke Seite, wo der geschickte Nemeth Florian Klein öfters andribbelte und ihn vor Aufgaben stellte, die der Stuttgart-Legionär nur schwer lösen konnte. Vor allem Szalai war mit seinen passenden Ablagen immer wieder an Angriffen beteiligt, wenngleich die Ungarn oft überhastet abschlossen.

Die Ungarn agierten gegen den Ball in einem 4-1-4-1-Mittelfeldpressing, wobei einer der Achter Baumgartlinger in Manndeckung nahm, sofern er nicht zu tief abkippte. Auch der Rest des Mittelfelds agierte mannorientiert und versuchte so die vertikalen Anspielstationen für die österreichischen Aufbauspieler zuzustellen. Dies gelang zum Großteil, auch weil man situativ hoch aufrückte und den österreichischen Aufbau vor einige Probleme stellte. Zwar fand Hinteregger die eine oder andere Schnittstelle, jedoch selten den freien Mann und die Ablagen der dicht verfolgten Angespielten waren meist unsauber. Die erste halbe Stunde richtete man dieses Mittelfeldpressing in einigen Aufbausituationen der Österreicher noch recht hoch aus, dies änderte sich danach und man konzentrierte sich auf Zentrumsverdichtung und Isolation der österreichischen Flügeln.

Probleme im Ballbesitz, kaum Verbindungen

Österreich hatte zu Beginn durchaus Probleme mit einem sauberen Ballvortrag, die ungarischen Mannorientierungen machten ihnen, wie auch schon gegen die Niederlande, etwas zu schaffen. So kam es kaum zu Kombinationen über mehrere Stationen, was die Ungarn hingegen in den ersten 15 Minuten einige Mal durch kluge Pässe in den Halbräumen gelang. Ihre Angriffe schlossen sie jedoch zu überhastet mit Schüssen aus eher ungünstigen Positionen ab, Kleinheisler war zwei Mal der Übeltäter des verfrühten Abschlusses.

Nach der ersten Viertelstunde hatte sich Österreichs Pressing etwas weiter nach hinten verlegt, wenngleich man nach Rückpässen durchaus kollektiv aufrückte. Die Ungarn konnten sich jedoch einige Male gut befreien. Dies gelang durch passendes Bespielen der Schnittstellen des österreichischen Pressings und von dort immer wieder mit direkten Ablagen ins Zentrum.

Die Mannorientierungen der Ungarn waren weiterhin ein Problem für Österreich, man bewegte sich zu wenig und vor allem zu undynamisch beim Anbieten, sodass es teilweise arge Verbindungsprobleme gab und vor allem Dragovic immer wieder den hohen Ball spielen musste. Gegen die Niederlande war das Pressing der Gegner nicht so hoch, deswegen konnte man meist aufrücken und die hohen Bälle konnten hinter die Abwehr kommen, während vor allem Alaba und Junuzovic die Gegner aus ihren Positionen zogen. Da die Ungarn jedoch eben früh zustellten kamen diese hohen Bälle 20 Meter zu früh und erreichten somit immer wieder nur gerade noch so die Abwehrlinie der Ungarn. Die Luftduelle konnten die ungarischen Abwehrspieler aufgrund des Dynamikvorteils angesichts ihrer Laufwege nach vorne meist für sich entscheiden.

Keine Lösungen gegen Mannorientierung, Ungarn teils kombinativ

Als Lösung hätte sich hier immer wieder dynamisches Aufrücken der Innenverteidiger in die Halbräume mit dem Ball am Fuß angeboten, dies passierte jedoch nur selten in den ersten 30 Minuten. Hier geht es vor allem um Timing, Baumgartlingers Abkippen wurde ja bis zu einem gewissen Grad verfolgt, weshalb man hier im richtigen Moment mit temporeichem Andribbeln entweder Passwege öffnen oder sich selbst Platz für eine aufgerückte Passposition schaffen könnte.

Die österreichischen Verbindungsprobleme erschwerten auch den Zugriff im sonst so griffigen Gegenpressing, da man nach Ballverlust zu weite und schwierig abzudeckende Wege gehen musste. Als Folge hatte man dann immer wieder einige Löcher, durch die die durchaus stark kombinierenden Ungarn hindurch spielen konnten. Die wenigen, kurzen Dribblings von Arnautovic wurden früh und mit vehementem Einsatz gestoppt, durch Flanken über links versuchte man Janko und Harnik, der oft diagonal in den Strafraum hineinstieß, in Szene zu setzen. Dies wirkte zwar oberflächlich gesehen immer halbwegs gefährlich, brachte jedoch kaum Zählbares ein. Die Rückraumbesetzung war jedoch immer passend, sodass man durch das Gewinnen zweiter Bälle durchaus Abschlüsse hätte generieren können.

Die letzten 10-15 Minuten hatte das österreichische Nationalteam wieder mehr Luft im Ballbesitz, dies lag vor allem an der deutlich tieferen Ausrichtung des ungarischen Pressings, das wahrscheinlich der hohen anfänglichen Intensität geschuldet war. Die Verbindungsprobleme blieben jedoch über weite Strecken erhalten, man konnte sich kaum ins Zentrum kombinieren und bewegte sich weiterhin zu behäbig beim Freilaufen, sodass man die Nachteile der Mannorientierungen nur einmal nutzen konnte. In der 40. Minute überspielte man nach einem Konter die hoch aufgerückte ungarische Abwehr. Arnautovic hatte einen Verteidiger aus der Position gezogen und direkt mit einem frechen Fersler den Ball weitergespielt. Der Ball wurde zum England-Legionär prompt in den geöffneten Raum zurückgespielt, den Stanglpass verfehlte Janko nur knapp und Harnik traf den Ball nicht richtig.

Praktisch im Gegenzug konnten auch die Ungarn einen Schnellangriff starten und nutzten einen Stellungsfehler Hintereggers für einen Pass in den Raum hinter den aufgerückten Fuchs – Dzsudzsak verfehlte das Tor nur knapp.

Keine Anpassungen, nichts ändert sich

Direkt nach der Pause gab es vorerst noch keine Anpassungen, wenngleich die Innenverteidiger nun etwas breiter agierten als noch im ersten Durchgang. Dies erlaubte ihnen etwas mehr Platz, das Andribbeln wurde nun zumindest etwas verstärkter praktiziert als in den ersten 45 Minuten, ging jedoch noch etwas zögerlich in der Ausführung vonstatten, weshalb es noch nicht die gewünschten Effekte in der Passwegöffnung und Staffelungsänderung hatte. Die Ungarn konnten weiterhin Ballgewinne aufgrund fehlender Dreiecksbildung generieren und sich durch gute Ablagen von vor allem Szalai nach vorne kombinieren. Jedoch suchte man ebenso wie noch vor der Pause viel zu früh den Abschluss und stellte Almer vor keinerlei Aufgaben.

Die Österreicher hatten aufgrund des möglichen Aufrückens der Verteidiger und des tieferen Pressings der Ungarn bei den ersten paar Pässen noch mehr Zeit und Platz, nutzte diesen jedoch nur gelegentlich. Die östlich gelegenen Nachbarn konnten vor allem die rechte Seite immer wieder gut isolieren, indem man die diagonalen Passwege gut zustellte und meist nur Pässe entlang der Linie zuließ. Man nutzte hier die fehlende Kreativität Kleins und Dragovic‘ im Aufbauspiel. Bitter: Junuzovic musste in der 59. Minute aufgrund einer Verletzung ausgewechselt werden, für ihn übernahm Sabitzer die Zehnerposition.

Zwei Schnellangriffe, zwei Tore

Noch bitterer: In der 63. Minute erzielte Szalai das 1:0 für die Ungarn, die defensiven Staffelungsprobleme der österreichischen Viererkette wurden in dieser Szene beinhart ausgenutzt. Zunächst sah die Szene abseitsverdächtig aus, Fuchs hatte jedoch jenes aufgehoben. Okotie kam nur wenige Minuten später für Janko. Der eingewechselte Stürmer hatte noch nicht einmal den Ball berührt, ehe Dragovic schon mit Gelb-Rot vom Platz musste, als er bei einem Strafraumgetümmel einen Ungarn gegen das Schienbein trat.

Koller stellte nun auf Dreierkette um, die von Fuchs, Hinteregger und Klein gebildet wurde. Baumgartlinger unterstützte immer wieder halbrechts, offensiv wie defensiv. Die Verbindungsprobleme hielten an, was in Unterzahl bei Ballverlusten aufgrund der dezimierter Restverteidigung und des sowieso schon löchrigen Gegenpressings sehr gefährlich war. Dadurch, dass Baumgartlinger nun tiefer eingebunden werden musste, gab es durch den immer offensiver werdenden Alaba große Löcher hinter dem Mittelfeld. Der Zwischenlinienraum war stets weit offen und konnte nach Ballgewinn von den Ungarn schnell bespielt werden. Zwei Mal konnte man dies gut für einen Schnellangriff und anschließendem Torabschluss nutzen.

13 Minuten vor Schluss kam nun Schöpf für den oftmals isolierten Harnik, dessen große Stärke, die Läufe in die Tiefe, in diesem Spiel so gut wie gar nicht eingebunden werden konnte. Sabitzer rückte nun auf den rechten Flügel, Schöpf auf die Zehn. Dies hatte aber nur wenig Effekt, da man weiterhin unstrukturiert im Angriffsspiel war und immer wieder Ballverluste in der Vorwärtsbewegung passierten. Das Mittelfeld wurde nun komplett aufgegeben und man stand in letzter Linie deutlich zu flach. Nach einem hohen Ball von Baumgartlinger, der zu kurz geriet, starteten die Ungarn einen Konter. Stieber erzielte per Heber über Almer das 2:0.

Fazit

Nach den ersten Minuten konnte man angesichts des intensiven Pressings noch von einem recht guten Start sprechen, danach hatte man einen Haufen Probleme. Ganz vorne anzureihen waren die Verbindungsprobleme im Ballbesitz, man bildete kaum Dreiecke und schaffte es kaum zu kombinieren. Ebenso hatte man Probleme im Pressing, welches immer wieder Löcher offenbarte, die die Ungarn bespielen konnten. Selbst bei tieferer Ausrichtung und mehr Platz im ersten Drittel wurde das Ballbesitzspiel nicht besser.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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