In dieser begleitenden Serie zur Europameisterschaft in Frankreich werden pro Gruppenspieltag die Schlüsselduelle der einzelnen Begegnungen unter die Lupe genommen. Wer die Duelle für sich entscheiden konnte und ob es überhaupt zu den vorgestellten Auseinandersetzungen gekommen ist, wird am folgenden Tag besprochen. Diesmal mit den Paarungen England – Wales, Ukraine – Nordirland und Deutschland – Polen.
Kyle Walker vs. Gareth Bale
Der Engländer Kyle Walker ist vielleicht einer der unterschätztesten Außenverteidiger in Europa. Der 26-Jährige von Tottenham Hotspur lebt vor allem von seiner Physis, agiert auf der Außenbahn wie ein Ein-Mann-Abrisskommando und muss sich vor keinem Gegenspieler verstecken. Im Offensivspiel sind beispielsweise seine Flanken und Pässe etwas unpräzise, wobei er allein durch seine schiere Wucht offensiv potentiell immer ein Faktor ist. Zusätzlich ist er auch fußballerisch einer der intelligentesten Defensivakteure der Three Lions.
Mit diesen Eigenschaften ist er prädestiniert dazu, auch die walisische Naturgewalt Gareth Bale in den Griff zu bekommen. Schon im Auftaktmatch gegen die Slowakei war Bale der überragende Offensivspieler der Waliser; obwohl der 26-Jährige im Nationaldress seine Stärken nicht immer ausspielen kann, da der etatmäßige Flügelspieler für Wales eher eine Art Zehner geben muss. Hier kann er seine Wahnsinns-Geschwindigkeit nicht in dem Maße ausspielen, wie er es zum Beispiel teilweise bei Real Madrid tut. Bale ist mit dem Ball am Fuß einer der schnellsten Spieler der Welt und wird die englische Defensive vor einige Probleme stellen.
Evgen Konoplyanka vs. Jonny Evans
Der Ukrainer zeigte im Spiel gegen die Deutschen wozu er in Topform fähig ist. Der Flügelspieler vom FC Sevilla beschäftigte mit seiner Technik und Geschwindigkeit, zumindest in der ersten Halbzeit, die gesamte deutsche Defensive, wobei er effektiver agierte als sein Pendant Andriy Yarmolenko. Im Vergleich zu seinem Flügelpartner ist der 26-Jährige der Spieler mit den durchdachteren und klareren Aktionen.
In der nordirischen Defensive kann eigentlich kein Spieler im besonderen Maße hervorgehoben werden. Evans ist jedoch der am höchsten dekorierte Spieler im britischen Defensivverbund. Mit Manchester United wurde der 28-Jährige dreimal englischer Meister und konnte die Champions League gewinnen – wobei er zuletzt beim englischen Spitzenverein eher die Rolle des Ergänzungsspielers inne hatte. Evans ist ein kompromissloser Verteidiger, der vornehmlich die Position des Innenverteidigers bekleidet, aber auch auf den Außen agieren kann.
Grzegorz Krychowiak vs. Toni Kroos
Toni Kroos ist einer der besten Mittelfeldspieler der Welt; darüber gibt es keine zwei Meinungen. Wie er das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine lenkte, war eine Augenweide und ganz großer Sport. Seine Passsicherheit sucht auf dieser Welt ihresgleichen, wobei er sich in den zwei Jahren bei Real Madrid in diesem Punkt nochmals steigern konnte. Kroos ist eine schiere Passmaschine und ist der unbestrittene Spielmacher des deutschen Teams. Oft wird vergessen, dass der gebürtige Greifswalder erst 26 ist und sich seinem Zenit noch nicht mal angenähert hat. Bei aller Lobhudelei hat der Deutsche jedoch immer noch Schwächen in seinem Defensivverhalten; auch in Sachen Athletik und Tempo gehört Kroos sicherlich nicht zur fußballerischen Elite.
Der Pole verfügt über ein ähnliches Profil wie sein deutsches Gegenüber, wobei der ebenfalls 26-Jährige eher defensiv orientiert ist und im Zweikampf um einiges durchschlagkräftiger agiert. Genau wie Kroos ist Krychowiak das Hirn seiner Mannschaft und der zentrale Akteur im Spielaufbau der Osteuropäer. Der Mann vom FC Sevilla holt sich tief in der eigenen Hälfte den Ball ab, danach spielt er so schnell es geht auf die gefährlichen Flügelspieler. Eine weitere Parallele zum Deutschen ist die enorme Passsicherheit von Krychowiak.
Nachbetrachtung der gestrigen Duelle
Der slowakische Superstar Marek Hamsik gab im Spiel gegen überraschend offensive Russen eine Darbietung seines Könnens. Mit einem Traumpass aus eigener Hälfte bereitete der 28-Jährige das 1:0 seiner Mannschaft mustergültig vor. Natürlich profitierte Torschütze Vladimir Weiss von einem amateurhaften Abwehrverhalten der russischen Verteidigung; nichtsdestotrotz war der Pass von Hamsik aus der allerersten Kategorie. Das zwischenzeitliche 2:0 erzielte Hamsik höchstpersönlich. Auch hier ließ er die russische Verteidigung sprichwörtlich alt aussehen und erzielte eines der bis dato schönsten Tore der Europameisterschaft.
Roman Neustädter schaffte es in der ersten Halbzeit nicht, die Kreise Hamsiks einzuengen. Nach einer Drangphase zu Beginn der Partie brachte der Führungstreffer der Slowaken die Russen vollkommen aus dem Konzept. Neustädter spielte dabei eine mehr als unglückliche Rolle und bekam keinen Zugriff auf Hamsik. Folgerichtig wurde Neustädter zur Halbzeit ausgewechselt. Ob er ein weiteres Mal von Beginn an auflaufen darf, muss nach dieser Leistung bezweifelt werden.
Im Spiel gegen Rumänien manifestierte sich ein Problem der Schweizer, das bereits im Spiel gegen Albanien sichtbar wurde: den Eidgenossen fehlt ein echter Knipser. Auch gegen die Rumänen hatte die Nati, vor allem in Person von Haris Seferovic, in der ersten Halbzeit eine hohe Anzahl an hochkarätigen Chancen. Die rumänische Abwehr um Vlad Chiriches hielt jedoch die Null und ging sogar durch einen berechtigten Elfmeter in Führung. Die Schweizer verloren danach den offensiven Faden, sodass die Rumänen leichtes Spiel mit den an Konstruktivität verlierenden Angriffsbemühungen der Eidgenossen hatte. Als niemand mehr mit einem Schweizer Torerfolg rechnete, erzielte Mehmedi den Ausgleich. Der Trainer der Nati, Vladimir Petkovic, versuchte danach das Momentum mit Hilfe der Einwechslung von Breel Embolo doch noch auf die rot-weiße Seite zu ziehen. Letztendlich konnte jedoch auch das hochgehandelte Supertalent keinen Einfluss mehr nehmen.
Wie bereits im Eröffnungsspiel gegen Rumänen war Dimitri Payet der überragende Akteur beim Last-Minute-Sieg gegen aufopferungsvoll kämpfende Albaner. Dabei beschränkten sich die Südosteuropäer nicht nur aufs Verteidigen, sondern spielten mutig nach vorne und hatten immer wieder gute Möglichkeiten, ihrerseits in Führung zu gehen. Obwohl sich die Franzosen in der Offensive schwer taten und Elseid Hysaj eine solide Vorstellung lieferte, war schlussendlich kein defensives Kraut seitens der Albaner gegen Payet gewachsen, der folgerichtig in der Nachspielzeit das nicht unverdiente 2:0 erzielt. Der auf La Reunion geborene Flügelspieler entwickelt sich immer mehr zu einem Schlüsselspieler der Equipe Tricolore.
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