In dieser begleitenden Serie zur Europameisterschaft in Frankreich werden pro Gruppenspieltag die Schlüsselduelle der einzelnen Begegnungen unter die Lupe genommen. Wer die Duelle für sich entscheiden konnte und ob es überhaupt zu den vorgestellten Auseinandersetzungen gekommen ist, wird am folgenden Tag besprochen. Diesmal mit den Paarungen Belgien – Irland, Island – Ungarn und Portugal – Österreich.
Kevin de Bruyne vs. Wes Hoolahan
Nach einer für seine Verhältnisse schwachen Leistung bei der Auftaktniederlage gegen Italien – während der auch er im konzeptlosen Offensivspiel der Belgier unterging – hat Kevin de Bruyne in der Begegnung gegen Irland, wie die gesamte Mannschaft, einiges gutzumachen. Zum Leidwesen der Belgier wirkt der 24-Jährige derzeit ausgelaugt; zudem soll auch das Verhältnis zu Trainer Marc Wilmots nicht das Beste sein, sodass es bereits im Vorfeld der Partie gegen Irland Gerüchte gibt, Wilmots würde eventuell sogar auf seinen besten Offensivmann verzichten; denn dass der Mann von Manchester City zu den potentiell besten Spielern der Welt gehört ist unbestritten. Besonders im Pass-und Umschaltspiel gibt es derzeit kaum bessere – wobei das Defensivspiel De Bruynes jedoch meist sehr zu wünschen übrig lässt.
Hoolahan war, in einer überraschend forschen irischen Mannschaft, gegen Schweden der überragende Mann – nicht nur wegen seinem Tor zum zwischenzeitlichen 1:0, sondern auch aufgrund seiner Eigenschaft als sehr guter Passgeber, mit der im eher unkreativen irischen Offensivspiel einen Sonderstatus einnimmt. In der Premier League war der 34-Jährige von Norwich City in dieser Saison sogar zwischenzeitlich der beste Vorlagengeber. Der nur 168cm große Hoolahan ist wohl der beste Techniker der Iren und damit der Zielspieler im letzten Drittel. Hier ist er meist zwischen den Linien auf der Zehnerposition oder auf der rechten Seite zu finden.
Gylfi Sigurdsson vs. Zoltan Gera
Dem besten Fußballer der Isländer wird in der Partie gegen die Ungarn wohl eine andere Rolle zukommen, als noch zum Auftakt gegen Portugal. War Sigurdsson in dieser Partie vor allem im disziplinierten Defensivverbund eingebunden, in dem er seine Aufgabe auch vorbildlich und mit großer Leidenschaft nachkam, wird er gegen die Magyaren offensiv zu einem größeren Faktor werden müssen. Die Voraussetzungen dafür wird er vermutlich vorfinden, wird es gegen Ungarn doch wahrscheinlich eine Partie werden, in der die Isländer eher offensiv agieren, sind sie doch leichter Favorit in dieser Begegnung. Der 26-Jährige ist bei den Nordländern der Mann für den tödlichen Pass und neben – und durch – seine Standardstärke der beste Abschlussspieler im Kader der Isländer.
Gera wird wohl die Aufgabe zukommen, die Kreise Sigurdssons einzuengen und zu stören. Bereits beim erfolgreichen Auftakt gegen Österreich gelang ihm dies gegen David Alaba ausgezeichnet. Der bereits 37-Jährige ist äußerst zweikampfstark, schaltet sich aber auch mit in die Offensive ein und ist der meistgesuchte Spieler im Mittelfeld der Ungarn; im Spiel gegen Österreich hatte er beispielsweise die mit Abstand meisten Ballkontakte seiner Mannschaft. Schafft es der auch noch kopfballstarke Gera auch gegen die Isländer eine ähnlich überragende Leistung abzurufen, könnte das ungarische Märchen weitergehen.
Ricardo Quaresma vs. Marko Arnautovic
Der Portugiese galt noch vor einigen Jahren als potentieller Weltklassespieler und schien gemeinsam mit Cristiano Ronaldo ein großes Versprechen für die portugiesische Zukunft zu sein. Wie Ronaldo kommt auch er aus der berühmten Nachwuchsakademie von Sporting Lissabon, wechselte aber bereits mit 20 Jahren zum FC Barcelona. Dort konnte sich der Flügelspieler jedoch nicht durchsetzen, schaffte aber nach seinem Wechsel zum FC Porto dort auch den internationalen Durchbruch. Bei anschließenden Versuchen auf der großen europäischen Bühne Fuß zu fassen, scheiterte er jedoch meist an sich selbst und seiner unprofessionellen Einstellung, sodass ihm die ganz große Karriere verwehrt blieb und zu allem Überfluss schnell den Ruf als Problemspieler weg hatte. Nach einer stabilen Saison bei Besiktas Istanbul, schaffte der mittlerweile 32-Jährige doch noch den Sprung auf den EM-Zug. Quaresma ist sehr gut im Kreuzen der offensiven Laufwege, sehr ballsicher und kann herausragende Pässe spielen.
Arnautovic‘ Vita liest sich ähnlich wie die von Quaresma. Auch er galt als hochveranlagtes Riesentalent, das bereits bei Inter Mailand an der ersten Mannschaft schnupperte. Genau wie sein portugiesisches Pendant, stand sich der 27-Jährige jedoch oft selbst im Weg. Auch Arnautovic fiel immer wieder durch Undiszipliniertheiten auf – hat sich in England bei Stoke City aber mittlerweile in seinem Spiel und seiner Persönlichkeit stabilisiert. Wie im ersten Spiel gegen Ungarn gesehen, in dem der Flügelspieler nicht seinen besten Tag hatte, verliert Arnautovic unter Druck leider immer noch gerne mal die Contenance. Will Österreich bei dieser EM doch noch reüssieren, ist die Mannschaft auf einen Arnautovic mit klarem Kopf angewiesen; die gegen Ungarn gezeigten Übermotiviertheiten sollte er sich also schleunigst abgewöhnen.
Nachbetrachtung der gestrigen Duelle
Italien gehört, nach kritischen Stimmen zur Leistungsfähigkeit zu Beginn des Turniers, mittlerweile zu den Topfavoriten auf den Gesamtsieg. Auch gegen die Schweden präsentierte sich die Squadra Azzurra taktisch extrem gut eingestellt, in der Verteidigung fast unüberwindbar und sehr geduldig im Angriff. Besonders stark zeigte sich auch in dieser Partie die Defensive um Giorgio Chiellini, gegen die selbst ein Zlatan Ibrahimovic chancenlos war. Der Abwehrrecke von Juventus Turin ist somit der eindeutige Sieger dieses Duells: nicht nur, dass er Zlatan über die gesamten 90 Minuten im Griff hatte, mit 78 Ballkontakten war er zudem zweitbester Akteur seiner Mannschaft in dieser Statistik.
In einer denkwürdigen Partie kam es leider nicht zu dem prognostizierten Duell zwischen Ladislav Krejci und Same Vrsaljko, da der Kroate erst am Ende der Nachspielzeit eingewechselt wurde. Krejci zeigte lange Zeit eine schwache Leistung, steigerte sich aber während der kuriosen tschechischen Aufholjagd.
Andres Iniesta will es bei diesem Turnier scheinbar noch einmal wissen. Beim souveränen 3:0-Erfolg gegen erneut schwache Türken, war der 32-Jährige mal wieder einer der überragenden Akteure der Furia Roja. Fast jeder Angriff lief über den kleinen Mann aus Kastilien, sodass seine einmaligen Fähigkeiten im Passspiel in diesem Duell wieder deutlich wurden. Für Iniesta wies die Statistik am Ende der Begegnung fantastische Werte aus: Eine Passquote von 94 Prozent und 110 Ballkontakte unterstrichen die erneute Weltklasseleistung. Die Leistung von Arda Turan hingegen war das genaue Gegenteil: Der 29-Jährige wirkte erneut schlecht ins Spiel eingebunden und lieferte eine schwache Partie ab; wobei konstatiert werden muss, dass den Türken wohl in der Gesamtheit die Qualität fehlt, um gegen Kontrahenten wie Spanien und Kroatien mitzuhalten. Aufgrund dessen ist es von den türkischen Anhängern – die Turan in der zweiten Halbzeit bei jedem Ballkontakt auspfiffen – mehr als unfair, den Mann von Barcelona als Hauptschuldigen für den bisher enttäuschenden Turnierverlauf herauszupicken.
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