Meine Reise ist endgültig vorbei, ich bin wieder in der schönsten Stadt der Welt –die Donau braucht sich weder vor der Seine, noch vor... EM-Tagebuch aus Frankreich (20): Die kuriose U-Bahnfahrt und Bengalen in der Innenstadt

Österreich Fans_abseits.atMeine Reise ist endgültig vorbei, ich bin wieder in der schönsten Stadt der Welt –die Donau braucht sich weder vor der Seine, noch vor der Garonne verstecken. Natürlich ist Frankreich wunderschön gewesen, aber wir haben uns ehrlich gesagt auch wieder ein kleines bisschen auf die Heimat gefreut.

Das Preisniveau wurde wieder akzeptabel: die Highlights waren in Paris ein angebotener Hot Dog um 9,50€ auf Monmatre, bzw. der Preis eines belgischen Biers von 9,00€ für den halben Liter in der Fanzone von Bordeaux. Aber auch ansonsten ist alles etwas teurer, einen Kebap bekommt man auch außerhalb der Stadt inkl. Getränk kaum unter 7,50€ – dafür sind hier auch noch Pommes dabei. Aus fantechnischer Sicht war eine Begegnung mit uns unbekannten Österreichern und Engländern (insgesamt waren wir vielleicht 10-15 Fans) eines der größten Highlights. Nach der Niederlage gegen Island, irgendwann gegen Mitternacht, haben wir die Metro von Saint Denis in Richtung Pariser Innenstadt genommen. Die Gruppe von Österreichern hat sofort „Immer wieder …“ angestimmt und wir haben uns natürlich angeschlossen. Als die Engländer unsere Gesangsfreudigkeit wahrnahmen, stimmten sie das nächste Lied an – mein persönliches Lied dieser Europameisterschaft:

Don’t take me home please,
don‘t take me home,
I just don‘t wanna go to work,
I wanna stay here and drink all your beer,
please dont, please dont take me home.

Dieses hypnotisierende Lied sangen wir fast die gesamte Fahrt hindurch; dermaßen stimmgewaltig, dass drei unserer Gruppe tagelang die Stimme versagte (und wir sind uns einig, dass vor allem diese Fahrt dafür verantwortlich war). Die Franzosen in dieser U-Bahn waren alles andere als genervt, viele machten Bilder und Videos mit uns. Als die Engländer ausstiegen mussten, folgten noch ein paar österreichische Gesänge; Spielergesänge für Junuzovic, Arnautovic, Alaba, Almer, usw. – am Ende unserer Fahrt verabschiedeten wir uns bei den Franzosen mit einem stimmkräftigen „Auuuuf Wiederseeeeeehn, Auuuf Wiederseeeehn, Auf Wiederseeehn!“ – als Dank dafür applaudierte uns sogar schließlich ein französischer Metrogast. Solche Situationen machen (unter anderem natürlich) das Fandasein zu dieser wunderschönen Beschäftigung, die uns allen so sehr gefällt.

Über das gemeinsame Singen von Fußballfans aus psychologischer Sicht empfehle ich übrigens die Juli-Ausgabe von Psychologie Heute. Darin Reinhard Kopiez: „Menschen verspüren eine gewisse Lust an der Deindividualisierung (…) Ich verliere und ich gewinne auch etwas. Sich diesem Strom, dem Kollektiven hinzugeben und gleichzeitig zu wissen, dass es nicht ungefährlich ist, weil die Situation nicht mehr ganz beherrschbar ist.“

Beeindruckt waren wir auch von den Fans der belgischen Nationalmannschaft. In Bordeaux feierten die Belgier gemeinsam mit Iren bis spät in die Nacht. Auch die Anrainer der kleinen Gassen, in denen sich die Partystimmung ausbreitete, wurden gezwungen, daran teilzunehmen. Immer wieder wurden Bewohner beklatscht, die sich an ihren Fenstern zeigten und winkten oder mitsangen. Obwohl auch Fußball gespielt wurde, waren die französischen Lokalbesitzer dieser Straße überhaupt nicht besorgt, sondern begeistert von dieser friedlichen Atmosphäre – logisch, sie verdienten sich mit den durstigen Fans schließlich auch eine goldene Nase. Schön an diesem Abend war auch ein gezündeter Bengale der Fans, der die ausgelassene Stimmung noch untermauerte. Eine andere Situation ereignete sich tagsüber, ebenfalls in Bordeaux, als wir irische und belgische Fans sahen, die ein spontanes Straßenfest veranstalten wollten. Der Bus, der deswegen nicht passieren konnte, steckte für 10-15 Minuten fest. Der Busfahrer schien sich darüber aber sogar zu freuen, er hupte im Rhythmus der Fangesänge und ließ die Fans in den Bus einsteigen bzw. dort ihre Flaggen aufhängen. Als der Spaß irgendwann vorbei war, konnte der Busfahrer endlich weiterfahren und wurde unter großem Applaus verabschiedet.

Zu den schönsten Erlebnissen bei dieser Europameisterschaft gehörten aber ganz sicher die vielen spontanen Gesänge mit anderen Österreichern. Jeder war hier per du und wir erlebten zahlreiche  verschiedene Situationen: das Singen in der Metro vor und nach dem Spiel; oder bei einer Flasche Wein unter der Sacré-Cœur während der Fête de la Musique in Paris; das Anstimmen von „wer nicht hüpft, der ist Franzose, hey, hey!“ während der Begegnung Frankreich-Schweiz in der Fanzone vor dem Eiffelturm; das spontane Singen der österreichischen Nationalhymne während (!!) des Spiels Österreich gegen Portugal; das stimmgewaltige „I am from Austria“ vor den Spielen, vor allem vor dem Spiel gegen Island waren unsere Fans großartig – all diese Erinnerungen werde ich lange in mir tragen. Auch wenn wir uns fußballerisch nicht von unserer besten Seite gezeigt haben, unsere Fans haben Österreich ohne Zweifel gut vertreten. Ein Freund erzählte mir auch, dass Thierry Henry im französischen Fernsehen gesagt haben soll, dass unsere Fans Weltklasse seien. Viele Franzosen waren begeistert von uns, wir machten nicht so viel Müll wie andere Fans, verursachten kein Verkehrschaos, aber waren immer gut hör- und sehbar und den ein oder anderen Schmäh verstand der Franzose dann in Übersetzung sogar auch. Ein Engländer und ein Franzose, die gegen Portugal neben uns saßen (links und rechts von uns sitzend, voneinander unabhängig) standen bei „Steht auf für Österreich“ mit uns mit auf, feierten mit, machten Videos mit uns und der Franzose fragte sogar nach einem Selfie nach dem Spiel, weil er so eine Freude mit uns hatte.

Hier das Gänsehaut-verursachende Video von „I am from Austria“ vor dem Spiel gegen Island.

(Klicken zum Vergrößern)

Emanuel Graf, abseits.at

Emanuel Graf

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