Das erste Spiel bei der EURO war gesehen und mit den Eindrücken des ersten Tages stieg schon die Vorfreude auf unser zweites Spiel bei... EM-Tagebuch aus Lille und Lyon (22): „Wickel“ in Lille und das „Huhn auf dem Auto“

Das erste Spiel bei der EURO war gesehen und mit den Eindrücken des ersten Tages stieg schon die Vorfreude auf unser zweites Spiel bei diesem Turnier. Da sich der Anreiseweg an diesem Sonntag in Grenzen hielt, wurde schon zeitig Villeneuve d´Ascq, das in der Metropolregion der Stadt Lille liegt, angefahren. Dort befindet sich auch das Stade Pierre Mauroy, die Heimstätte des OSC Lille und der Austragungsort der heutigen Partie. Doch da es noch einige Stunden bis zum Anpfiff waren, ging es per Metro noch ins Zentrum der Stadt Lille.

Deutschland – Ukraine 2:0 (1:0)

Im Laufe des Nachmittags füllte sich die Altstadt Lilles mit zahlreichen Fußballfans aus Deutschland und der Ukraine. Die Deutschen waren zahlenmäßig zwar etwas in der Überzahl, aber alle feierten gemeinsam dieses Fußballfest. Insbesondere auf dem Balkon des Rathauses, wo Fans beider Lager standen und abwechselnd ihre Gesänge zum Besten gaben. Leider störten einige deutsche Hooligans diese Idylle in dem sie einen Überraschungsangriff auf ukrainische Fans durchführten. Die Ukrainer mussten danach ärztlich behandelt werden und nachdem die Hooligans eigentlich schon wieder das Weite suchten, traktierten sie noch einen weiteren Fan, nur weil dieser ein Trikot von Galatasaray Istanbul trug. Leider schritten die Uniformierten viel zu langsam ein, sodass diese Gruppe von Krawallmachern ungesühnt davon kam.

Aufgrund der Vorfälle in der Altstadt ging es mit einer etwas betrübten Stimmung zum Stade Pierre Mauroy zurück. Durch das ständige Eintreffen der Fans und Zuschauer rückte auch der Fußball wieder in den Vordergrund.  43.035 Besucher befanden sich zum Anpfiff im Stadion, wobei die Ukrainer auch in einer großen Zahl vertreten waren und sich nicht verstecken mussten. So wie auf den Rängen hatte aber auch Deutschland auf dem Rasen leichte Vorteile.

Allerdings hielt die Ukraine mit dem Weltmeister in der Anfangsphase unerwartet gut mit, doch die Deutschen wären nicht die Deutschen, wenn sie nicht dann zuschlagen würden, wenn keiner damit rechnet. In der 21. Minute verwertete der aufgerückte Mustafi einen in die Mitte geflankten Freistoß per Kopf zum 1:0. Ein optimaler Spielverlauf aus deutscher Sicht, denn nun musste die Ukraine aktiv werden und gegen mittlerweile defensiv agierende Deutsche einen Treffer erzielen.

Dieses Bild setzte sich auch nach dem Seitenwechsel fort. Die deutsche Defensivabteilung spielte abgeklärt und ließ keine Torchancen der Ukrainer zu. Dies wurde von meinem Sitznachbarn auch wohlwollend so festgesellt. Ein Fan aus England hoffte hingegen auf weitere Treffer und feuerte jedwede Offensivbemühung eines der beiden Teams an. Da dies mit einer Hingabe tat, dachten wir uns, dass er eine Torwette über 2,5 für dieses Spiel laufen hatte. Warum gerade 2,5 ist auch leicht erklärt, denn als der eingewechselte Schweinsteiger in der Schlussphase die sich ihm gebotenen Räume nutze und er so den zweiten Treffer der Deutschen an diesem Abend erzielte, war der englische Fan immer noch nicht zufrieden.

Wir waren hingegen mit der Stimmung im Stadion und dem Spiel mehr als zufrieden. Es war zwar ein glanzloser, aber verdienter Sieg für Deutschland. Aber auch die Ukraine sollte nicht unerwähnt bleiben, denn sie versuchten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Deutschen zu fordern. Dabei waren sie zwar etwas glücklos, aber gegen Deutschland haben schon ganz andere Teams schlechter ausgesehen.

Belgien – Italien 0:2 (0:1)

Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen aus Nordfrankreich und es galt die über 600 Kilometer lange Strecke nach Lyon zurückzulegen. Da wir spät aus Lille im Quartier ankamen, entschlossen wir uns auszuschlafen und dann direkt zum etwas außerhalb der Stadt Lyon liegenden Stade des Lumières zu fahren. Der Hunger trieb uns dann in einen Supermarkt eines nahe gelegenen Einkaufszentrums, wo uns sofort ein Grillhuhn anlachte. Mangels dortiger Sitzgelegenheiten wurde dieses dann zum Auto mitgenommen und mit einem Schweizer Messer perfekt tranchiert und auf dem Autodach liegend verspeist. Das war die Geburtsstunde des „Poulet au voiture“, dem Huhn auf dem Auto.

So ging es mit einem vollen Magen um Stadion, wo dunkle Gewitterwolken aufzogen. Noch bevor wir uns der Sicherheitskontrolle näherten, begann es wie aus Kübel zu schütten. Situationsbedingt nahmen es die Damen und Herren bei den Einlasskontrollen nicht ganz so genau und ließen die Leute schnell passieren, damit diese zumindest einmal unter dem Stadion Vordach vom Regen geschützt sind. Glücklicherweise lockerten sich die Wolken eine Stunde vor Spielbeginn wieder auf, sodass auch das Szenario einer möglichen Spielverschiebung nicht eintreten konnte. Pünktlich zu Spielbeginn kam dann sogar die Sonne wieder zum Vorschein. So stand dem Schlagerspiel der Gruppe E zwischen Belgien und Italien nichts mehr im Wege.

Vor 55.408 sollten die zu favorisierenden Belgier gegen Italien nie ins Spiel kommen. Torchancen waren Mangelware und falls einmal ein Ball aufs italienische Tor ging, dann war der Altmeister Buffon zu Stelle. Italien, das diesmal einen Kader ohne eine große Anzahl an Stars aufgeboten hatte, spielte nicht nur in der Defensive exzellent, sondern setzte auch überraschend viele Akzente in der Offensive. So war es auch nicht wider den Spielverlauf als Giaccherini die Squadra Azzurra in der 32.Minute in Führung brachte.

Spätestens nach dem Seitenwechsel erwarteten sich die Zuschauer ein Aufbäumen der roten Teufel aus Belgien, doch unerwarteter Weise kontrollierten die Italiener weiterhin das Spiel. Zwar mit einem Hauptaugenmerk darauf, keinen Gegentreffer zu kassieren, aber das Spiel Italiens besteht bei dieser EURO nicht nur aus der Defensive. So wurde einige Male schnell umgeschalten und es kam zu weiteren Tormöglichkeiten für die Südeuropäer. Als in der Nachspielzeit Pellè den zweiten Treffer Italiens an diesem Abend erzielte, war diese Partie endgültig entschieden.

Die Italiener haben mit ihrer Spielweise sicher beeindruckt und sind durch den Sieg gegen Belgien wohl in den erweiterten Kreis der Titelanwärter aufgestiegen. Für Belgien bleibt nach diesem Abend nur zu hoffen, dass sie einen rabenschwarzen Tag erwischt haben und sie in den restlichen Gruppenspielen den nötigen Punktezuwachs für den Aufstieg einfahren können. Die Klasse für einen langen Verbleib im Turnier hat diese Elf allemal.

Um Mitternacht waren wir dann wieder startklar und wir verließen Lyon. Es gab eine erneute Nachtfahrt in Richtung Westen, wo wir nach rund 600 Kilometer Wegstrecke am Morgen Bordeaux erreichen sollten, denn bereits am Nachmittag sollte auch hier der Ball wieder rollen.

Heffridge, abseits.at

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Heffridge

Philipp Karesch alias Heffridge wurde 1979 in Wien geboren und hatte von Kindesbeinen an die Lust am Reisen und Fußball zu spielen. Durch diese Kombination bedingt, zieht es ihn nach wie vor auf die Fußballplätze dieser Welt. Die dort gesammelten Eindrücke sind ein fixer Bestandteil der abseits.at-Kolumne Groundhopper's Diary.

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