EM-Tagebuch aus Paris (13): 12.000 km in 10 Tagen, zweiter Akt
EURO 2016 22.Juni.2016 Gerald Walouschek 0
Nach unserem Bordeaux-Trip und einigen Tagen aus Termingründen und wegen Meetings im Büro war es wieder soweit! Paris wir kommen!
Per Auto ging es nach München, von dort mit dem TGV via Stuttgart, Karlsruhe und Strasbourg nach Paris – danach eine Nacht im Zentrum von Paris und mit TGV, ICE und Auto den gleichen Weg wieder zurück!
Schon am Hauptbahnhof München fiel auf: In dem Zug sind wir als Österreicher nicht allein, in Stuttgart stiegen dann noch einige dazu und natürlich hatten wir auch wie beinahe unvermeidlich in einem Zug ab München einige deutsche Fans an Bord!
Nach etwas mehr als sechs Stunden Zugfahrt kamen wir in Paris Gare de Lest an und bezogen nach kurzem Spaziergang unser Zimmer im Hotel de Près. Nachdem wir uns in unsere rot-weiß-rote Fankluft geworfen hatten, war ein Stadtbummel angesagt. Richtung Oper wollten wir um in der Galeries Lafayette Haussmann den PSG-Fanshop zu plündern. Bereits in der Rue la Fayette war klar: Paris ist rot-weiß-rot – vor uns eine Gruppe von zehn Österreichern, auf der anderen Straßenseite detto, in den Lokalen ringsum Österreicher, so ziemlich an jeder Ecke rot-weiß-rote Fahnen, Schals, Hüte und rote Dressen überall. Das wird doch nicht etwa Heimspiel werden?
Hier war auch das erste Mal in unserem Frankreich-Trip, wo uns die Sicherheitsmaßnahmen augenscheinlich auffielen! Während wir in Bordeaux kein Militär auf den Straßen sahen, fiel uns in Paris sofort auf, dass Soldaten mit gesichertem Sturmgewehr die neuralgischen Punkte wie stark frequentierte Metrostationen, Einkaufszentren und Sehenswürdigkeiten bewachen. Auch ist hier die Nervosität – von Panik vor Anschlägen möchte ich nicht sprechen – deutlich spürbar! Überall Polizei, Militär und private Securities, letztere eindeutig gereizt und so gar nicht freundlich.
Nach dem PSG-Shopping – die Preise sind hardcore; ein aktuelles PSG-Shirt mit allen Badges, Nummer und Name um € 165,- ist heftig – ging es Richtung Gare de Lyon um den Rest unserer Gruppe zu treffen! Zur Überbrückung der Wartezeit entschieden wir uns für ein Mittagessen und hatten so die Gelegenheit die Gastronomie und auch die Preise kennenzulernen! Im „Les deux Savoie“ nahmen wir eine Mahlzeit zu uns. Als Fußballfans eindeutig erkennbar, kamen wir sofort mit Einheimischen und dem Garçon ins Gespräch! Es entwickelte sich eine witzige Unterhaltung in dem Rest von Französisch das ich von der Matura noch intus hatte, Englisch, das die Franzosen so gar nicht sprechen wollen und Händen mit Füßen zu den Themen Fans, Idioten die Randalieren, Sicherheit und natürlich Les Bleus! Vom österreichischen Team kennt man in Frankreich eigentlich nur David Alaba, der wurde aber im Zusammenhang mit der Nationalteam in jedem zweiten Satz genannt.
Nach einem sehr guten Mittagessen und der mich kurz in Schnappatmung verfallen lassenden Rechnung – ich wollte nicht die ganze Kuh kaufen, ich hatte doch nur ein Steak – achten wir uns auf den Weg den Rest der Gruppe ab zu holen, natürlich mit den besten Wünschen der Belegschaft des Restaurants und dessen Gästen. Freundlich sind sie allemal die Franzosen!
Schnell das Gepäck ins Hotel und dann auch schon ab Richtung Parc de Princes, noch einmal kommen wir nicht zu spät, uns passiert kein zweites Bordeaux!
Die Metro Richtung Stadion war fest in österreichischer Hand, wie immer verhielten sich unsere Fans zivilisiert, trotzdem aber voll motiviert, lustig und jedenfalls stimmgewaltig! Gleich neben der Metrostation das letzte Lokal vor dem ersten Sicherheitscheck, auch hier dasselbe Bild: Rot-Weiß-Rot überall, dazwischen vereinzelt rot-grüne Portugiesen! Alles war friedlich, gemeinsam saß oder stand man in Blickweite zum Fernseher um die Isländer gegen die Ungarn anzusehen und gemeinsam das eine, das andere und auch noch das weitere Bier (und hier noch mit Alkohol) zu trinken!
Pünktlich drei Stunden vor Spielbeginn öffnete die Polizei die erste Sicherheitskontrolle, ab hier Zutritt nur mehr mit Matchkarte und ohne irgend einer Art von gefährlichen Gegenständen (keine Schirme, keine Selfie-Sticks, keine Batterien, zwei kleinen Jungs vor uns wurden sogar die Plastik-Klatschhilfen abgenommen etc.). Die Zutrittskontrollen waren deutlich strenger als in Bordeaux, wir wurden insgesamt dreimal gefilzt und jedes Mal aufs Neue in alle Taschen und Jacken hineingesehen!
Vor dem Stadion die üblichen Shops, Stände und fliegenden Bierverkäufer, wie überall anders auch! Noch kurz einen Gruppenschal der Gruppe F im Fanshop ergattert und wir machten uns auf die Tribüne einzunehmen! Wir hatten Kategorie 2 Tickets direkt neben dem Fanblock der Österreicher im ersten Rang und zum Glück unter dem vorstehenden 2. Rang, so wurden wir beim einsetzenden Regen nicht nass.
Zum Stadion selbst: Ganz nett aber man merkt, dass es dort so etwas wie Fankultur nicht gibt! Keine Graffitis, keine Sticker, keine Anzeichen, dass es hier auch Fußballfans gibt – es wirkt eher wie ein Eventstandort.
Ähnlich die Stewards: Alle Fetzen wurden wieder entfernt, Fans die sich dagegen wehren wollten, wurden umgehend abgeführt, zumindest jedoch gemaßregelt. Erst das beherzte Eingreifen der Verantwortlichen des ÖFB ermöglichte das Aufhängen der Fetzen in unserer Kurve – die Herren des ÖFB legten hier selbst Hand an; RESPEKT!!! Das Aufstehen der Fans hatten die ebenso wenig gern, wie ohne Matchkarte das WC heimzusuchen, von ohne Ticket ein Getränk holen rede ich gar nicht. Paranoid, die Stewards!
Dort war eindeutig die Paranoia und Angst vor Ausschreitungen erkennbar – nach jedem WC-Besuch wurde ich am Tribünenaufgang wieder gefilzt, nach jedem Buffetbesuch gleichfalls. Pikanterweise hat es der Flitzer aber doch geschafft ganz unbehelligt auf den Rasen zu kommen, erst dann sind die Ordner hinterher.
Zum Spiel selbst ist alles schon gesagt, die Stimmung in unserer Kurve war GIGANTISCH! 90 Minuten sind wir gestanden, haben gesungen, gepfiffen, getanzt und sind gehüpft – das habe ich speziell auswärts in dieser Intensität beim Team noch nicht erlebt! GÄNSEHAUT pur! Ab dem verschossenen Elfer von Ronaldo – ich denke der träumt heute noch von den „Messi, Messi“ -Gesängen – gab es gar kein Halten mehr! Bis dahin hatten wir die Portugiesen zwei-, dreimal kurz gehört – ab dann war gar nichts mehr von gegenüber wahrnehmbar! Der Jubel war mit dem bei einem Tor der Unsrigen vergleichbar!
Nach Spielende ging es mit der Metro – die Abreise vom Stadion war gut organisiert, die Station immer Blockweise zugänglich gemacht, um keine Drängerei am Bahnsteig zu haben – zum Trocadéro. Von dort hat man den besten Blick auf den Eifelturm, der leider nicht rot-weiß-rot erstrahlte sondern in den Farben Belgiens! Mit den unvermeidlichen Selfies im Gepäck ließen wir uns noch im Cafè Klèber auf ein paar Getränke nieder – auch hier wieder an jedem zweiten Tisch Österreicher und alle meist heiser bis stimmlos!
Gegen 1:30 Uhr machten wir uns auf den Weg ins Hotel und um 7:25 Uhr mit dem TGV über Strasbourg, Karlsruhe nach Stuttgart um von dort mit dem ICE nach München zu gelangen! Knapp vier Stunden später kamen wir in Wien an, pünktlich um uns die Engländer gegen die Slowaken anzusehen!
In einem Satz kann ich sagen: Paris war definitiv eine Reise wert! Die Stimmung, das Spiel, die Stadt alles war so wie wir es erhofft hatten , das mit Abstand geilste Auswärtsmatch mit dem Team ever. Einzig das Ergebnis… ich male mir gerade aus was dort abgegangen wäre, hätten wir drei Punkte gemacht.
Egal, am Mittwoch werden wir das toppen – Island wir kommen!
Next Stop Stade de France/St. Denis! ALLEZ les Autrichiens!!!!!
Gerald Walouschek aus Paris für abseits.at
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