EM-Toranalyse: Eine einstudierte Einwurfvariante bringt Island in die KO-Phase
EURO 2016 23.Juni.2016 Alexander Semeliker 0
Nach der 1:2-Niederlage gegen Island muss die österreichische Nationalmannschaft bereits nach drei Spielen ihre Zelte in Frankreich abbauen. Obwohl man gute Chancen hatte ging man auch im letzten Gruppenduell als Verlierer vom Platz. Während Island sich konsequent auf seine Stärken besann, tat Österreich dies nur in der zweiten Hälfte.
Wer die Isländer in den Spielen vor der Europameisterschaft beobachtet hat, dem wurde schnell klar, worauf sie ihr Spiel fokussieren. Sie verschieben äußerst kompakt im Raum, sind im Konter brandgefährlich und zählen bei Standardsituationen zu den wohl besten Teams dieser Endrunde. In Summe macht sie das also zu einem äußerst unangenehmen Gegner, vor allem wenn sie in Führung gehen.
Eine Standardsituation war auch im Spiel gegen das ÖFB-Teamder Dosenöffner und wohl der vorentscheidende Faktor für den Aufstieg in die KO-Phase. Wir wollen dieses Tor nun aus zwei Blickwinkeln betrachten. Zunächst sehen wir uns die Aufteilung bei den Österreichern an, dann nehmen wir die Abläufe der Isländer genau unter die Lupe.
In diesem Bild sind die Aufgaben der einzelnen ÖFB-Spieler skizziert. Österreich verteidigt bei diesem Einwurf weitestgehend mannorientiert. Zunächst fällt hier die Situation am linken Bildrand auf (schwarz), wo es eine drei-gegen-drei-Situation mit eindeutigen Zuordnungen gibt: Aleksandar Dragovic gegen Jon Dadi Bödvarsson, Julian Baumgartlinger gegen Ragnar Sigurdsson und Florian Klein gegen Birkir Bjarnason.
Auch am kurzen Pfosten gibt es eine Manndeckung: Stefan Ilsanker gegen Kolbeinn Sigthorsson (schwarzer Kreis). Gerade dieses Duell ist in dieser Szene ein durchaus wichtiges. Ein Resultat daraus ist nämlich, dass Sebastian Prödl dadurch wohl mehr Raum als geplant alleine abdecken muss (rot). Mehr dazu später. Auch auf David Alaba trifft das im Grunde genommen zu (grün), doch dieser befindet sich in einer wesentlich ungefährlicheren Zone. Seine Aufgabe besteht lediglich darin, bei einem kurzen Einwurf sofort Druck auszuüben.
Im Zentrum gibt es des Weiteren zwei Spieler, die den Raum vor dem Sechszehner sichern sollen und ein sehr entscheidendes Duell zwischen Christian Fuchs und Kari Arnason (weiß). Hier entscheidet sich in weiterer Folge nämlich, in welche Richtung der Ball nach dem Einwurf hingeht. Nun zu den Isländern.
Der Ablauf, der zu diesem Tor geführt hat, scheint eine einstudierte Variante zu sein. Ein Grund dafür, dass dies bei Island möglich ist, ist die Tatsache, dass sie mit Aron Gunnarsson einen Spieler haben, der den Ball enorm weit und scharf werfen kann. Hier schleudert er den Ball in den grün eingezeichneten Bereich, wo Christian Fuchs steht. Auf den ersten Blick also genau auf den Gegner.
Wie man im obigen Bild erkennt ist mit Arnason (blau) allerdings auch ein Teamkollege in der Nähe positioniert. Dieser kann daher mit Anlauf in den Luftzweikampf gehen. Ein ganz wichtiger Vorteil gegenüber Fuchs, der aus dem Stand springen muss. Dementsprechend verliert der ÖFB-Kapitän das Kopfballduell und Arnason kann den Ball weiter ins Zentrum leiten. Dort scheinen die Österreicher orientierungslos zu sein. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber, dass die Isländer einen entscheidenden Beitrag dazu leisten.
Einerseits nutzen sie in dieser Situation die Schwäche der Manndeckung aus. Bödvarsson (gelb) kreuzt hier nämlich den Weg zwischen Baumgartlinger und Sigurdsson (weiß). Er entledigt sich damit seines nominellen Bewachers, Dragovic, und schiebt sich vor Baumgartlinger, der sich erst orientieren muss. Die dafür notwendige Zeit hat er in dieser Situation allerdings nicht, sodass der isländische Stürmer zum 1:0 einschieben kann.
Als Unterstützung für einen solchen Fall gibt es bei Manndeckungen oft zusätzliche, meist kopfballstarke Spieler, die im Raum decken. Bei Österreicher ist das in dieser Szene zum einen, wie erwähnt, Prödl und zum anderen Martin Hinteregger. Der Grund dafür, dass die beiden bei diesem Tor diese Absicherung nicht gewährleisten konnten, lag an der intelligente Bewegung von Sigthorsson (schwarz).
Dieser war wie erwähnt eigentlich nur Ilsanker zugeordnet. Er positioniert zuerst bei Torwart Robert Almer, weshalb er zusätzlich noch die Aufmerksamkeit von Hinteregger erlangte. Dann bewegte er sich schnell weg, zog den österreichischen Innenverteidiger mit und sorgte eben dafür, dass Prödl mehr oder weniger alleine absichern musste. Gegen einen dermaßen einstudierten Spielzug, wie ihn die Isländer hier zeigten, ist das in den meisten Fällen zu wenig.
Alexander Semeliker, abseits.at
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