Die Viertelfinalspiele sind vorbei und haben uns einige interessante Aspekte geliefert, die wir für euch in Aussicht auf die Halbfinalpartien analysiert haben.
Frankreich – Island
Die Franzosen zeigten in einem 4-2-3-1, mit Matuidi und Pogba auf der Doppelsechs, vor allem im Ballbesitz ein verbessertes Spiel. Die Heimmannschaft hat sich in einigen Aspekten immer von Spiel zu Spiel gesteigert, dieses Mal war es das Positionsspiel worin sich die Bleus von einer besseren Seite zeigten. Im Pressing merkte man ihnen jedoch weiterhin an, dass stabile Abläufe beziehungsweise Variationen dazu fehlen. Einige Male konnten sich die definitiv nicht für ihr besonderes Aufbauspiel bekannten Isländer im Zentrum frei spielen.
Die wird man definitiv verbessern müssen, vor allem da Weigl für den verletzten Khedira ins deutsche Team rücken könnte. Der junge Spieler von Dortmund, der aufgrund seiner Spielweise gern mit Sergio Busquets verglichen wird, ist ein Meister des Findens von Schnittstellen, von denen es im französischen Abwehrverbund genug gab.
Deutschland – Italien
Joachim Löw hatte aus den Fehlern von Vicente del Bosque gelernt und passte das Spiel seiner Mannschaft an den Gegner an. Die Deutschen spielten ein 3-4-2-1, das eine Überzahl in der Defensive im Zentrum und der Abwehrlinie ermöglichte. Da die Italiener ein 3-5-2 in diesem Turnier spielten und durch oftmaliges Aufrücken der Flügelläufer nicht nur vier Spieler in der letzten Linie, sowie auch drei Spieler im Zentrum besaßen, wäre es für die Deutschen fahrlässig gewesen mit Viererkette zu spielen und eine Gleichzahl in der Abwehr zu riskieren.
Die Bundesadler nahmen dafür einen Rückgang an eigenen Torchancen in Kauf, ließen aber nur drei italienische Torschüsse zu, einer davon war der Elfmeter. Zum Vergleich: Spanien ließ neun Torschüsse zu. Zwar wurde Löw von Mehmet Scholl und der breiten Öffentlichkeit kritisiert, jedoch ist diese Kritik nie plausibel begründet worden, was auch kaum möglich ist.
Bitter für die Deutschen: Khedira und Gomez sind verletzt, ob Schweinsteiger spielen kann ist ebenfalls fraglich. Für ihn könnte Julian Weigl vom BVB ins Team rücken, was aber eine große strukturelle Veränderung mit sich bringen würde, da der junge Mittelfeldspieler gerne eher tiefer im Aufbau, so wie eben Toni Kroos, agiert. Somit könnte der Zehnerraum an Unterbesetzung leiden, beziehungsweise Verbindungsprobleme entstehen, falls Weigl und Kroos zu oft auf einer Höhe zu finden wären.
Polen – Portugal
Die Portugiesen haben es geschafft ohne einen einzigen Sieg in 90 Minuten das Halbfinale zu erreichen. Im Viertelfinale kam man schließlich im Elfmeterschießen gegen die Polen weiter.
Die Portugiesen spielten eine fluide Formation, die sich von 4-2-3-1, 4-2-2-2 bis zu 4-3-3-Staffelungen veränderte. Die Polen hatten vor allem zu Beginn mehr Ballbesitz, das Abkippen von Krychowiak sorgte zwar für prinzipiell bessere Strukturen im Aufbau, die Portugiesen führten ihre Mannorientierungen jedoch sehr konsequent aus und waren auch in den Übergabemomenten gut im Timing. Es entwickelte sich ein Spiel ohne viel Durchschlagskraft, wenngleich die Polen ab und an durch direkte Vertikalpässe Chancenansätze zeigen konnten.
Die Portugiesen, die in letzter Minute ausglichen, zeigten zwar individualtaktisch immer wieder gute Szenen, die Folgeaktionen waren jedoch meist unpassend, ein kohärentes Zusammenspiel war nicht wirklich zu erkennen. Die Partie gegen Wales wird auch aus taktischer Sicht sehr interessant werden, da sich beide Mannschaften sehr voneinander unterscheiden, was die Eingespieltheit betrifft. Zudem organisieren beide Teams auf verschiedene Art und Weise das Spiel.
Wales – Belgien
Die Waliser, unbestritten das von Taktik-Hipstern favorisierte Team bei dieser EM, setzten sich gegen die von der breiten Öffentlichkeit erneut als Geheimfavoriten kategorisierten Belgier klar mit 3:1 durch. Zwar konnten die Belgier durch einen Distanzschuss vom völlig freistehenden Nainggolan in Führung gehen, doch die Waliser konnten durch eiskaltes Ausnutzen der systemischen Probleme, die Belgien unter Wilmots hat, noch den Sieg erringen. Wales überzeugte einmal mehr durch flexibles, optionsorientiertes Pressing im 3-4-2-1/5-2-2-1 Hybrid. Im Positionsspiel agierte man ebenfalls klar strukturiert und sauber.
Joe Allen vom FC Liverpool, auch genannt „the welsh Xavi/Pirlo“ zeigte ein sehr gutes Spiel, er leitete die Ballzirkulation seiner Mannschaft und spielte strategisch gute Pässe. Ramsey zeigte zudem wie effektiv und durchschlagskräftig er am gegnerischen Sechzehner sein kann und dass ein Fokus der Verteidigung auf Bale nicht viel Sinn hat. Bitter für Wales: Aaron Ramsey ist aufrgund seiner zweiten gelben Karte gegen Portugal gesperrt und wird so wie Abwehrspieler Ben Davies fehlen.
David Goigitzer, abseits.at
David Goigitzer
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