Turnierfavorit mit vielen Schwächen: Frankreich trotz Erfolgs mit zahlreichen Problemen
EURO 2016 11.Juni.2016 Daniel Mandl 0
Plangemäß sicherte sich die Equipe Tricolore die ersten drei Punkte der EURO 2016. Aber überzeugen konnte der Favorit auf den EM-Titel keineswegs. Gut eingestellte Rumänen drängten die Deschamps-Elf an den Rand einer Niederlage. Die erwarteten Schwächen der Franzosen bewahrheiteten sich.
Zuordnungsschwierigkeiten bei Standards und schwache Außenverteidiger. Getragen wurde die französische Elf vom Ältesten im Team, Patrice Evra, nicht gerade. Der 35-jährige Juventus-Legionär wirkte eher wie ein ängstlicher Debütant und kostete Frankreich beinahe den Sieg.
Pogba zu sehr auf sich selbst konzentriert
Aber auch den Star der neuen Generation darf man nicht von Schuld freisprechen. Paul Pogba legte eine fast schon egomanische Leistung auf den Rasen, schien hauptsächlich deshalb antreten zu wollen, um seinem offenbar verhassten Friseur auf der europäischen Bühne eins auswischen zu können. Pogba versuchte zwar Vertikalität ins Spiel der Franzosen zu bringen, hatte aber ohne Ball kaum den Blick für seine Kollegen in der Zentrale. Anders als viele Weltklasseachter wusste er nicht immer, wo seine Kollegen stehen.
Kanté als bärenstarker Stabilisator
Neben dem Held des Abends, dem Siegtorschützen Dimitri Payet, zeigte erwartungsgemäß N’Golo Kanté eine starke Leistung. Der Leicester-Sechser war der einzige Franzose, der richtig clever presste und somit teilweise Bälle gewann, ohne seinen Gegenspieler richtig zu attackieren – das Andeuten der Attacke reichte oft aus. Zudem präsentierte sich Kanté passsicher, brachte 92% seiner Bälle an den Mann, hatte mit 101 Ballkontakten bei weitem die meisten auf dem Platz. Der Balancegeber und Balleroberer war gestern der wahre Schlüsselspieler, auch wenn ORF-Kommentator Thomas König das 89 Minuten lang brotlose, wenn auch technisch hochwertige Showboating Payets erquickender fand.
Trotz Sicherheit, kein konsequentes Anlaufen
Kanté verstand es also die Zentrale der Franzosen zu stabilisieren. Der 25-Jährige war der defensivste der drei zentralen Mittelfeldspieler und hatte somit bei rumänischem Aufbau eine tiefe Rolle inne. Dieser Rolle war es geschuldet, dass die zentral agierenden Akteure der Rumänen, allen voran Andone, aber auch Hoban, nie ins Spiel fanden. Öffnende Pässe durch die Mitte waren de facto nicht möglich. Allerdings taten die Franzosen zu wenig, um die Rumänen zu Fehlern zu zwingen. Obwohl die zentrale Defensive gut abgesichert war, presste die Equipe völlig zahn- und mutlos.
Nach außen leiten, statt Bälle zu erobern
Wenn die Rumänen das Spiel aufbauten, liefen die Franzosen die gegnerischen Abwehrreihen praktisch nie mannschaftlich geschlossen an. Man schaffte es lediglich die Elf von Anghel Iordanescu nach außen zu leiten, wodurch vieles über Linksverteidiger Razvan Rat lief. Aber auch dieser wurde nicht konsequent genug unter Druck gesetzt, die Franzosen überließen den Gästen weite Räume des Spielfelds, standen insgesamt zu tief. Dies war aber garantiert kein Stilmittel. Frankreich hatte nicht im Sinn, die Rumänen kommen zu lassen, um dann eventuell kontern zu können – sie konnten es am gestrigen Abend wirklich nicht besser.
Das könnte den Franzosen noch auf den Kopf fallen
Unterm Strich stehen zwar ein verdienter Sieg der Franzosen, aber viele Fragezeichen, was den weiteren Turnierverlauf betrifft. Die größten Probleme, die in weiterer Folge auf den Quotenfavoriten warten:
– Eine harte Gangart kann der Truppe von Didier Deschamps wehtun.
– Wenn man es mit stärkeren Flügelspielern zu tun bekommt, wird Evra, aber wahrscheinlich auch Sagna Probleme bekommen.
– Es ist unabdingbar, bei Defensivstandards noch konzentrierter, vielleicht sogar etwas mannorientierter zu sein.
– Wenn ein Gegner „unlogisch“ deckt und zum Beispiel versucht bei gegnerischem Ballbesitz mit seinem Zehner den Sechser Kanté aus dem Spiel zu nehmen, wird Frankreichs Zentrale Probleme mit der Stabilität bekommen.
– Pogba muss sich in den Dienst der Mannschaft stellen und darf trotz der großen Erwartungshaltung keine One Man Show abziehen.
Faktor Selbstvertrauen
Alles in allem sahen wir gestern keinen Titelkandidaten, allerdings kann sich das schnell ändern. Der Last-Minute-Sieg ist natürlich enorm wichtig für die Stimmung und das Selbstvertrauen. Dimitri Payet wird sich nach seinem Erfolgserlebnis in den nächsten Partien noch weniger pfeifen.
Beherzte Rumänen
Die Rumänen müssen die knappe Niederlage hinnehmen, können dies aber erhobenen Hauptes tun. Auch beim Außenseiter hat sich bewahrheitet, was vor dem Turnier kolportiert wurde: Eine insgesamt sichere Abwehr, dafür aber biedere Flügel bzw. allgemein eine eher durchschnittliche Offensive. Iordanescus Elf machte aber dennoch vieles durch große Kampfkraft wett. Rumänien ist insgesamt etwas stärker als erwartet, sollte die Schweiz biegen und Zweiter werden können.
Noch mehr Laufaufwand ohne Ball nötig
Aber auch die Tricolorii können noch einiges besser machen, was nicht unbedingt spielerische Qualität erfordert. Zum Beispiel könnte die Laufbereitschaft ohne Ball im mittleren Drittel noch höher sein. Das Verschieben klappte schon gut, aber speziell in der offensiven Dreierreihe mangelt es bei gegnerischem Ballbesitz ein wenig an der Staffelung. Die aufbauenden Gegner könnten noch besser angelaufen werden. Zu häufig bildeten die Rumänen keinen kompakten Block mit den drei Offensivsten, sondern lediglich dahinter.
Verhindern, das Spiel selbst machen zu müssen
Iordanescu wäre gut beraten, gegen die Schweiz und Albanien das Spiel weitgehend aus der Hand zu geben und sich zum Erfolg zu pressen. Die Rumänen sind keine Mannschaft, die mit Vorliebe das Spiel macht, sind aber sehr wohl im Stande jede Menge Schnittzweikämpfe zu gewinnen und Bälle bei gegnerischer Vorwärtsbewegung zu gewinnen und zu sichern. Wenn das Team aber die Räume öffnet und etwa gegen die Schweiz auf Teufel komm raus angreift (was natürlich nicht zu erwarten ist), läuft man Gefahr ausgekontert zu werden. Die beiden verbleibenden Gruppenspiele werden für die Rumänen völlig anders sein, als das verhältnismäßig „dankbare“ Auftaktspiel gegen Franzosen, die hauptsächlich keine Fehler machen wollten.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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