Der SK Rapid Wien legte am gestrigen Abend mit einem 1:0-Heimerfolg über Dila Gori den Grundstein für die Qualifikation zur Europa-League-Gruppenphase. Das Ergebnis ist... Abwehrschlacht: Rapid kämpft georgische Menschenmauer mit 1:0 nieder!

Zoran Barisic (SK Rapid Wien)Der SK Rapid Wien legte am gestrigen Abend mit einem 1:0-Heimerfolg über Dila Gori den Grundstein für die Qualifikation zur Europa-League-Gruppenphase. Das Ergebnis ist zwar knapp, die Ausgangslage aufgrund der Grundausrichtung der beiden Mannschaften aber sehr gut. abseits.at erklärt warum – und auch warum kein höherer Sieg drin war.

Zoran Barisic überraschte mit Lukas Grozurek in der Startelf, während Marcel Sabitzer vorerst nur auf der Bank Platz nahm. Sonnleitner rückte nach seiner leichten Blessur, die ihn gegen die Admira zum Zusehen zwang, wieder in die Startelf. Im zentralen Mittelfeld war die Achse Boskovic-Petsos-Hofmann schon von Beginn an ein klares Zeichen – man wollte Dauerdruck auf die Georgier ausüben.

Vier nominelle Innenverteidiger in der Startelf

Die Aufstellung von Dila Gori war so zu erwarten – bis auf eine Ausnahme, die jedoch eine markante Auswirkung auf die Partie hatte. Der zentrale Mittelfeldspieler Irakli Maisuradze blieb auf der Bank und machte Platz für Innenverteidiger Mamuka Kobakhidze, der auch tatsächlich in der Dreier-Innenverteidigung der Georgier begann. Dafür rückte der kampfstarke Innenverteidiger Gulverd Tomashvili ins defensive Mittelfeld, wo er etwa auf einer Linie mit Lasha Gvalia spielte.

Noch defensiver als zuletzt

Dies hatte Auswirkungen auf den Zwischenlinienraum zwischen Verteidigung und Mittelfeld. Die Fünferkette stand erwartungsgemäß auf einer Linie, davor machten die drei Mittelfeldspieler zentral die Räume eng. Wie erwartet. Allerdings war das Mittelfelddreieck personell dermaßen defensiv besetzt, dass die Zwischenlinienräume extrem eng gemacht wurden. In den vorherigen Partien ließ Dila Gori zwischen den Linien einige Meter mehr Platz zu. Diesmal bildete man eine massive Mauer, in der die Verteidiger und die Mittelfeldspieler noch dazu vertikal versetzt spielten, wodurch es in der Mitte praktisch keine Chancen auf Lochpässe gab.

Iluridze ebenfalls defensiver als sonst

Eine weitere kleine Veränderung zu den letzten Partien betraf das Antizipationsspiel der offensivsten Akteure. Normalerweise hat nur Dolidze eine Freigeistrolle über, die er auch gegen Rapid wieder praktizierte. Diesmal spielte Stürmer Iluridze aber auch noch einige Meter tiefer als sonst. Somit stand Dila Gori praktisch durchgehend mit allen Spielern in der eigenen Hälfte und verteidigte in einem klassischen 5-3-2.

Abstände bei Dila Gori sehr klein

Der daraus resultierende Vorteil für Rapid: Die Innenverteidiger konnten im Spielaufbau sehr weit aufrücken und damit zumindest irgendwie für Übergewicht in gewissen Zonen sorgen. Die Nachteile überwogen aber: Dadurch, dass Dila Gori extrem kompakt stand und die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen in Rückwärtsbewegung sehr gering waren, konnte das Team nach Ballgewinnen schnell umschalten. Dieses Umschaltverhalten wurde erwartungsgemäß von Lasha Gvalia dominiert. Auch wenn der georgische Vizemeister nur mit drei bis vier Mann nach vorne umschaltete, wurde er dadurch in Ansätzen immer wieder gefährlich, erzeugte mehrmals 3-gegen-3-Situationen in der Offensive.

Terminus Abwehrschlacht muss neu erfunden werden

Der offensichtlichste Nachteil für Rapid: Dila Gori rührte Beton an, wie man ihn im Hanappi-Stadion bisher selten zuvor sah. Auf eine Abwehrschlacht des Underdogs war man eingestellt – dass diese aber so destruktiv vonstatten gehen würde, konnte man auch nach genauesten Analysen nicht ahnen. Immerhin ist Dila Gori eine Mannschaft, die in der heimischen Liga durchaus das Spiel macht. Betrachtet man die technischen Fähigkeiten und den Spielwitz der einzelnen Akteure, wundert man sich, wie sie das überhaupt bewerkstelligen können.

Pervers: Kontertor gegen Abwehrmauer

Fakt ist nämlich, trotz des knappen Ergebnisses, dass Dila qualitativ und spielerisch klar unter Rapid zu stellen ist. Die Mannschaft lebt defensiv von Masse und offensiv von individuellem Laufspiel. Eine Linie im Offensivspiel der Blauen erkannte man nicht. Das Spiel war für Rapid zermürbend und zur Pause stand es nur 1:0, obwohl der Gegner in allen Belangen beherrscht wurde. Rapid spielte in der ersten Halbzeit insgesamt eine gute Partie, zeigte sich passsicher im Mittelfeld, machte gruppentaktisch vieles richtig. Der Ball wollte aber nur einmal rein. Dass dies ausgerechnet aus einem Konter passierte, mutet fast schon ironisch an.

Einzelaktionen fehlten in der ersten Halbzeit

Eines der großen Probleme Rapids in der ersten Halbzeit war die fehlende Eigeninitiative an den Flügeln. Nicht gruppentaktisch, sondern individuell. Die Außenverteidiger Rapids banden ihre Gegenspieler gut in der eigenen Hälfte und das Zusammenspiel, sowie Einsatz und Pressing stimmten. Da die Georgier Rapids Flügelspieler aber weit nach außen drängten, kam man nur selten in günstige Positionen für Hereingaben in den Straf- bzw. idealerweise Fünfmeterraum (Strafraumgrenze!). Hier fehlte phasenweise ein wenig der Mut. Die eine oder andere Eins-gegen-Eins-Situation hätte Abhilfe schaffen können, aber Rapid versuchte sich fast ausschließlich mit Pässen in bessere Positionen am Flügel zu bringen. Dies erwies sich aber deshalb als sehr schwierig, weil eben die Abstände beim Gegner so gering waren, dass das richtige Verschieben und Staffeln schon mit wenigen Schritten erledigt werden konnte.

Schwächere zweite Halbzeit, aber mehr Konkretes

In der zweiten Halbzeit zeigten Rapids Flügelspieler mehr Initiative und so erarbeitete sich Grün-Weiß, trotz schwächerem Spiels als in der ersten Halbzeit, mehr zwingende Chancen. Der starke Torhüter Nukri Revishvili verhinderte ein weiteres Tor der Hütteldorfer. Auch wenn die zwischenzeitlich leicht aufmachenden Georgier im Mittelfeld in Ballbesitz etwas sicherer wurden, strahlten sie nie echte Gefahr aus.

Mental schwierige Partie ermüdete die Rapid-Akteure

Rapid hätte in der Phase zwischen der 60. und 75. Minute die Möglichkeit gehabt, Dila Gori noch einmal zu knacken. Danach musste man einer mental sehr schwierigen Partie Tribut zollen. Thanos Petsos wurde nach einem guten ersten Durchgang immer passiver, nachdem er in beiden Halbzeiten jeweils einen Schlag abbekam. Hofmann suchte in typischer Manier Lücken, fand sie aber nicht und wurde ebenso wie Petsos ausgewechselt. Schaub und Burgstaller legten viele leere Kilometer zurück, die mit der Zeit gegen einen derart destruktiven Gegner auch auf die Psyche gehen.

Grozurek erneut kein Aktivposten

Erstmals in dieser Saison, in der Rapid bisher stets mit kämpferisch guten, erfrischenden Leistungen auffiel, muss der eine oder andere junge Spieler seine Leistung hinterfragen. Betroffen sind hier Lukas Grozurek und Brian Behrendt. Grozurek trägt im Grunde nichts zum Spiel der Mannschaft bei. Man hat den Eindruck, dass er Bälle möglichst schnell loswerden will und zu häufig „prallen lässt“. Weitere Kritikpunkte am 21-Jährigen, der in seiner dritten Kampfmannschaftssaison eigentlich einen wesentlichen Schritt nach vorne machen müsste, sind die aufrechte Körperhaltung, der damit verbundene Nachteil in Mann-gegen-Mann-Duellen und sein Einsatz, bei dem man nie den Eindruck hat, dass er am Limit ist. Auch sollte ein Flügelspieler wie Grozurek sich hie und da eine Einzelaktion zutrauen – doch davon war der ehemalige Sportklub-Akteur weit entfernt.

Mehr Konzentration bei Behrendt erforderlich

Ernüchternd war auch der Auftritt von Brian Behrendt. Er kam erst in der 71.Minute für Thanos Petsos ins Spiel und war auf der Sechserposition auf der Stelle ein Unsicherheitsfaktor. Einige seltsame Fehler im Passspiel hatten Blackout-Charakter. Im Gegensatz zu Grozurek, der bereits länger dabei ist, verdient Behrendt mehr Geduld. Schließlich war es erst sein achtes Pflichtspiel für Rapid – für Grozurek war es das 53.Pflichtspiel. Dennoch muss er wesentlich konzentrierter zu Werke gehen, wenn er Boskovic dauerhaft aus der Mannschaft spielen will. Der Montenegriner zählte gestern zu den besten Akteuren auf dem Platz, überzeugte mit Übersicht und Ballsicherheit, war zudem immer anspielbar und auch gegen harte Attacken der Georgier weitgehend resistent.

„Leichteres“ Spiel in Tiflis?

Das 1:0 ist natürlich dünn, aber Rapid würde im Rückspiel ein Remis zum Weiterkommen reichen. Würde Grün-Weiß in Tiflis treffen, müsste Dila Gori bereits drei Tore machen, um in die Gruppenphase einzuziehen. Wenn Dila das Visier im Rückspiel nur ein wenig öffnet und versucht die Fäden in die Hand zu nehmen, wird Rapid diesen Treffer auch erzielen. Rapid ist technisch klar besser als die Truppe aus der Geburtsstadt von Josef Stalin und bewies im Hinspiel, dass man den ohnehin sehr holprigen Spielaufbau des Gegners mit gezieltem, mannschaftlich geschlossenem Pressing, relativ einfach stören kann. Unsere Prognose ist daher, dass sich Rapid im Auswärtsspiel eine Spur leichter tun wird, als beim gestrigen Versuch, gegen elf Türlsteher, das georgische Tor zu finden…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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