Analyse: Austria geht im Mailänder San Siro unter
Europa League 25.November.2017 Dalibor Babic 0
Am fünften Spieltag der UEFA Europa League wartete auf die Austria das bisherige Highlight in dieser Europacup-Saison. Es ging in das altehrwürdige Guiseppe-Meazza-Stadion und die Heimstätte des Kontrahenten an diesem Abend, dem AC Milan. Dabei wollte man sich in diesem tollen Umfeld so teuer wie möglich verkaufen und für die vielen jungen Spieler in der Mannschaft stellte es eine wunderbare Gelegenheit dar, sich gegen Gegenspieler zu messen, die bereits dort sind, wo man selbst einmal hinkommen möchte. Für die Gruppenkonstelation war das Spiel eher zweitrangig, da vor allem dem Parallelspiel entscheidende Bedeutung zukam und man von diesem abhängig war, da ein Sieg gegen den Favoriten aus Mailand eher unwahrscheinlich blieb. Letztlich sollte auch an diesem Abend der Traum vom Aufstieg weiterleben und sich am letzten Spieltag verwirklichen lassen.
Austria wesentlich defensiver und tiefer als gewohnt
Nachdem sich die Personalsituation speziell in der Verteidigung nach wie vor prekär darstellte, gab es für Trainer Fink wenig Möglichkeiten für großartige Veränderungen und Experimente. Einzig bei Sechser Serbest gab es im Vorfeld Überlegungen, diesen wieder in die Innenverteidigung zu ziehen und so die Stabilität zu erhöhen, jedoch würde dies dann wiederum im Mittelfeld ein Loch reißen, da kein Ersatz für Serbest parat stand. So bildeten Kadiri und Borkovic die junge Innenverteidigung und dieser wurde auf der rechten Seite noch zusätzlich De Paula hinzugestellt, um zumindest etwas Erfahrung in die Viererkette zu bringen. Im Mittelfeld rückte Prokop statt Tajouri auf den Flügel und Alhassan übernahm dessen Rolle im Zentrum, was vor allem mehr Kampfkraft und Kopfballstärke gegen den Ball als Ausgangspunkt der Überlegung hatte. Dabei formierte man sich in einem etwas angepassten 4-1-4-1, das ab und an auch wie ein 4-3-2-1/-4-5-1 aussah. Das hing vor allem mit einigen gegnerspezifischen Anpassungen im System zusammen, die man für dieses Spiel vornahm, wodurch sich die Anordnung immer mal wieder kurzzeitig änderte. Abgesehen davon wählte man eine sehr tiefe Stellung aus und versuchte mit so vielen Spielern wie möglich hinter dem Ball zu stehen, die Räume zu verengen und es dem Gegner so schwer wie nur möglich zu machen, durch das Zentrum zu kombinieren.
Zunächst war die prägnanteste Adaption jene der beiden Achter, die jeweils eine neue Rolle zugewiesen bekamen. Holzhauser und Alhassan sollten die beiden Achter von Milan Kessie und Calhanoglu in Manndeckung nehmen, um diese damit zu neutralisieren und vor Probleme zu stellen. Diese Aufgabe legte vor allem Alhassan sehr extrem aus und verfolgte den türkischen Spielmacher auf Schritt und Tritt, teilweise auch bis in die Abwehr hinein. Serbest sollte stattdessen seine Position vor der Abwehr halten und diese Bewegungen ausbalancieren, aber auch die beiden jungen Innenverteidiger unterstützen. Interessant war aber auch zunächst die Rolle von Prokop. Dieser stand ab und zu etwas höher als der Rest und verfolgte den Außenverteidiger Rodriguez nicht mannorientiert, sondern stand oft im Raum und sollte wohl als Anspielstation nach Ballgewinn fungieren, um dann so schnell wie möglich nach vorne zu kommen.
Situativ gab es aber auch Pressing-Sequenzen der Veilchen zu sehen und man versuchte so den Rhythmus der Partie etwas zu verändern. Dabei war der Pressingauslöser entweder ein schlechter Pass der Abwehr oder ein Abstoß, den man zustellen wollte, um so einen Ballgewinn oder zumindest den langen unkontrollierten Ball zu erzwingen. Diese Sequenzen waren jedoch nur vereinzelt zu sehen und man verharrte grundsätzlich in einer tieferen Position.
Durch die sehr tiefe Ausrichtung war es etwas schwerer als gewöhnlich auch selber im Ballbesitz aktiv zu werden, da vor allem die Wege nach vorne für die Offensivspieler sehr weit waren und diese viel Kraft nahmen. Man versuchte jedoch nach Ballgewinn sich speziell die Stärke von Flügelspieler Pires und Monschein im Umschaltspiel zunutze zu machen und diese starteten sofort in die Tiefe, um die Schnittstelle des Gegners zu attackieren. Prokop sollte eher als kurze Anspielstation dienen und bei dem Übergang in höhere Zonen helfen, um sich dann aus engen Situationen zu befreien. Abgesehen davon, versuchte man zwar durchaus auch einige Male von hinten heraus zu spielen, jedoch griff man oft bereits relativ frühzeitig bereits bei Ansatz von Druck zum langen Ball, statt nochmal von hinten neu aufzubauen, da man wenig Risiko eingehen wollte. Vereinzelt gab es aber auch Szenen im Spielaufbau, in denen vor allem Kapitän Holzhauser und Serbest immer wieder flexibel abkippten und sich abwechselten. Holzhauser agierte dabei weiträumiger und kippte wie gewohnt oft nach links hinter Salamon ab, wo er dann versuchte seine Wechselpässe einzustreuen und das Spiel zu verlagern.
Abtasten in der Anfangsphase, Austria schlägt eiskalt im Konter zu
Das Spiel begann zunächst wie zu erwarten mit viel Ballbesitz und Kontrolle von Milan, während die Austria sehr tief stand und versuchte die Räume in der eigenen Hälfte zu verschließen. Dies sollte vor allem in der Anfangsphase auch durchaus gelingen und die Gastgeber fanden wenig Räume vor. Die Mailänder agierten aus einer 3-1-4-2/4-4-2 Hybridformation heraus, aus der man immer mal wieder hin und her wechselte. Dabei gaben die beiden Flügel Borini und Rodriguez oft konstant Breite, während sich der Rest meist im Zentrum tummelte und viel bewegte. Der Fokus lag dabei auf Flügeldurchbrüche und dem klassischen Flankenspiel, womit man dann die beiden Stürmer im Zentrum bedienen wollte. So flogen bereits in der Anfangsphase viele Flanken in den Strafraum und die Verteidigung hatte alle Hände voll zu tun, konnte dies jedoch noch gut verteidigen. Abgesehen davon taten sich die Mailänder zunächst schwer, da die beiden Achter konstant manngedeckt wurden und es so an Verbindungen mangelte, um die Austria auch durch das Zentrum zu bespielen. Dadurch überstanden die Veilchen die Anfangsphase relativ gut und wirkten auch einigermaßen stabil, auch wenn sich auch da bereits einige Probleme offenbarten, die jedoch noch nicht ausgenutzt wurden.
Nicht nur dass man die Anfangsphase ohne Gegentreffer überstand, selber nutzte man die erste Chance eiskalt zum Führungstreffer aus, auch wenn der Gegner dabei tatkräftig mithalf. Pentz warf den Ball schnell auf Holzhauser aus, der auf die rechte Seite abgekippt war und dann mit einem schönen Außenristpass Monschein bediente, der alleine auf Torhüter Donnarumma zulief und diesen dann auch überspielte – jedoch fiel sein Schuss zu schwach aus und so bekam Bonucci die Möglichkeit den Ball zu klären. Dieser leistete sich jedoch einen kuriosen Fehler und der Ball rutschte ihm durch die Beine und kullerte so unglücklich ins Tor. Mit der Führung mit Rücken wurde allerdings die Austria nicht beflügelt, sondern es wachte eher der große Favorit aus der Lethargie auf und war nun gefordert. Montella reagierte auch von außen und nahm einige Anpassungen vor, um speziell die Manndeckungen der Austria zu bespielen.
So gab es nun vermehrt Ausweichbewegungen der beiden Stürmer, die gut eingebunden wurden von den Läufen der beiden Achter von Milan. So zog man Holzhauser und Alhassan immer wieder aus dem Zentrum heraus und besetzte dann die geöffneten Räume, wodurch man auch im Zentrum nun eine stabile Zirkulation hatte. Vor allem Alhassan hatte große Probleme und wirkte heillos überfordert, wodurch er Calhanolgu quasi überallhin verfolgte und ständig seine Position offenließ, statt seinen Raum zu besetzen und ihn zu übergeben. Aber nicht nur das wurde zum Problem. Die Innenverteidiger von Milan konnten darüber hinaus sehr weit in die gegnerische Hälfte ungestört vordringen (teilweise bis 20-25 Meter vor dem Tor) da die beiden Achter gebunden waren und sonst keiner rausrückte aus Angst ein Loch zu reißen und einen Passweg zu öffnen. Aber auch auf den Flanken bekam die Austria zu wenig Druck auf den Gegner, da Milan immer wieder geschickt Räume öffnete und Spieler mitzog, die violetten Gäste aber auch nicht mit dem Rest der Mannschaft zum Ball verschoben, sondern meist nur zu dritt. Dadurch konnte sich Milan problemlos durchspielen und immer wieder Lösungen finden.
So konnten die Mailänder meist unbedrängt Flanken in den Strafraum bringen, so wie auch beim Ausgleichstreffer zum 1:1. Borini konnte ungehindert flanken, Kadiri orientierte sich an dem falschen Gegenspieler, wodurch De Paula einrücken musste und so der aufgerückte Rodriguez völlig blank stand und zum Ausgleich traf. In dieser Phase konnte sich die Austria gar nicht mehr befreien, da man meist zu schnell wieder den Ball verlor und dadurch ein Angriff nach dem anderen auf das eigene Tor zurollte. Milan ließ die Wiener auch gar nicht mehr aus der Hälfte und betrieb ein intensives Gegenpressing, womit man auch im Vorfeld des Ausgleichs den Ball erobern konnte. Es dauerte dann auch nicht lange, bis der nächste Treffer fiel. Ein schwacher Freistoß von Rodriguez landete glücklich vor den Füßen von Silva, der sich alleine vor dem Tor die Chance nicht nehmen ließ und auf 2:1 stellte.
Die Austria bekam weiterhin kaum einen Zugriff auf den Gegner und konnte sich gar nicht mehr aus der eigenen Hälfte befreien. Im Gegenteil, man fing sich wenig später bereits den nächsten Treffer ein. Milan wechselte zweimal die Seite relativ zügig, die Austria kam immer zu spät und Borini bediente erneut einen der beiden Stürmer per Flanke und so konnte Cutrone unbedrängt zum 3:1 köpfen. Dies war dann auch der Halbzeitstand und es ging in die Pause.
Milan schaltet zwei Gänge zurück und Austria verzeichnete mehr Ballbesitzphasen
Nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit, nahm die Dominanz von Milan etwas ab. Der Gastgeber überließ der Austria nun öfter den Ball und zog sich stattdessen ein wenig zurück. Dadurch kamen die Veilchen zu mehr Ballbesitzzeiten, verzeichneten nun auch Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte, die man im ersten Durchgang kaum betrat und selten bespielen konnte. Deshalb wurde das Spiel etwas offener und die Veilchen kamen zu mehr Spielanteilen, auch wenn man daraus nur wenig machte. Darüber hinaus rückte die Wiener nun auch etwas weiter auf und pressten zu Beginn wesentlich höher. Milan stand gegen den Ball in ihrem 4-4-2/5-3-2 sehr stabil und die Austria spielte viel um den Block herum, kam aber nur selten zwischen die Linien oder konnte für Flügeldurchbrüche sorgen. Durch die vermehrten Ballbesitzanteile rückten die Violetten auch höher auf, wodurch sich mehr Räume für die Mailänder zum Kontern anboten, da die Austria auch Probleme bei der Absicherung der eigenen Angriffe hatte. Nicht nur das, man agierte auch ansonsten zu fehlerhaft im Ballbesitz, wodurch Milan zu einigen weiteren Möglichkeiten kam für die endgültige Entscheidung zu sorgen.
Die Austria hatte nur eine gute Umschaltsituation durch Pires, der auf rechts durchbrechen konnte, dessen Schuss jedoch zu unpräzise ausfiel. Das Spiel plätscherte nun etwas vor sich hin und Trainer Montella nahm auch den starken Rodriguez bereits frühzeitig runter, da das Spiel nicht drohte zu kippen und um ihn für das nächste Spiel zu schonen. So dauerte es bis zu 70. Spielminute, bis Milan den nächsten Treffer erzielte. Nach einem Konter kam Andre Silva zum Abschluss, Torhüter Pentz blieb im Rasen hängen und so kullerte der Ball über die Linie zum 4:1. Dabei blieb es jedoch nicht, in der Nachspielzeit setzte Cutrone nach einer schönen Kombination den endgültigen Schlusspunkt und stellte auf 5:1, was schlussendlich auch das Endergebnis blieb.
Fazit
Die Austria fängt sich letztlich wie bereits im Hinspiel erneut eine deutliche 1:5 Schlappe gegen den haushohen Favoriten AC Mailand ein. Dabei begann das Spiel aus Sicht der Wiener durchaus ordentlich und man ließ wenig zu, konnte darüber hinaus sogar noch in Führung gehen. Jedoch gelang es ab da an nicht mehr für die notwenige Entlastung zu sorgen und der eigenen Abwehr etwas Luft zu verschaffen. Darüber hinaus wurden die defensiven Probleme der Wiener immer besser vom starken Gegner bespielt und dieser fand recht schnell ein geeignetes Mittel, um die Violetten zu knacken. Gerade bei dem Ausgleichstreffer ist die mangelnde Routine und die fehlenden Automatismen in der durch Verletzungen gebeutelten Abwehr gut zu sehen, die man sich gegen so einen Gegner auf dem Niveau nicht leisten darf. Auch abgesehen davon muss man letztlich konstatieren, dass das Personal zurzeit nicht mehr hergibt und es vor allem in der Defensive an Alternativen und Qualität mangelt. Deswegen kann man Trainer Fink nur wenig vorwerfen, auch wenn ein Defensiv-Guru womöglich noch ein paar Prozentpunkte mehr herausholen und man natürlich hier und da noch taktische Anpassungen vornehmen könnte. So muss sich die Austria nun mit dem Personal in den Winter retten und bis dahin versuchen, so viele Spiele wie nur möglich zu gewinnen. Dank des Resultates im Parallelspiel, bekommt man sogar noch ein Finalspiel am letzten Spieltag im Heimspiel gegen den AEK Athen. Gewinnt man dieses Spiel, würde dies sogar den Aufstieg in die K.O. Phase bedeuten, was angesichts der Verletztenliste wohl eine kleine Sensation wäre. In Anbetracht der Fünfjahreswertung wäre dies Gold wert und würde wohl Platz 11 endgültig zementieren, womit man sich einen Fixplatz in der Champions League und darüber hinaus zwei weitere in der Europa League schnappen würde.
Dalibor Babic, abseits.at
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