Die Losfee hatte es mit den Salzburgern nicht unbedingt gut gemeint, traf man im UEFA Europa-League-Achtelfinale doch auf den italienischen Vizemeister SSC Neapel. Einerseits... Analyse: Klare Niederlage für Salzburg in Neapel

Die Losfee hatte es mit den Salzburgern nicht unbedingt gut gemeint, traf man im UEFA Europa-League-Achtelfinale doch auf den italienischen Vizemeister SSC Neapel. Einerseits war dies zwar ein äußerst attraktives Los gegen eine europäische Spitzenmannschaft, andererseits aber auch ein ungemein schwerer Brocken, welchen man auf dem Weg ins Viertelfinale erst einmal biegen muss. Doch der österreichische Meister bewies erst im letzten Jahr, dass man auf diesem Niveau bestehen kann, weshalb man sich insgeheim doch einige Chancen ausrechnete.

Salzburg startet ambitioniert

Mit der Reise nach Neapel und dem Aufeinandertreffen gegen den italienischen Vizemeister, stand vor allem die Frage im Raum, ob die Salzburger erneut auf diesem Niveau bestehen werden können. Mit dem von Carlo Ancelotti trainierten SSC Neapel trifft man auf einen Gegner, der zwar von der Spielanlage nicht mehr so dominant und spektakulär wie noch unter dem zum Chelsea abgewanderten Sarri agiert, doch mit Ancelotti kehrte ein gewisser Pragmatismus in den italienischen Süden ein, wo vor allem die Stabilität und defensive Organisation im Vordergrund stehen. Damit wurden nicht zuletzt Spitzenteams wie Liverpool und PSG in der Champions League konfrontiert, die sich beide jeweils bei ihren Auswärtsspielen schwer taten und nur wenige Möglichkeiten gegen die Italiener erspielen konnten.

Nominell liefen die Neapolitaner in einem 4-4-2 System auf, was jedoch im Ballbesitz durch einen asymmetrischen Mechanismus zum 3-4-1-2 wurde. Dieser asymmetrische Mechanismus betraf in erster Linie die Rollen der beiden Außenverteidiger der Italiener. Rechtsverteidiger Hysaj blieb meist sehr tief und auf einer Linie mit den beiden Innenverteidigern, während Linksverteidiger Rui weiter nach vorne schob und wesentlich höher stand, was man beim ersten Bild gut erkennen kann:

Napoli in Ballbesitz, Rechtsverteidiger Hysaj bleibt tief und auf einer Linie mit den beiden Innenverteidigern, während Linksverteidiger Rui hoch schiebt und Breite gibt.

Der Profiteur dieses Mechanismus sollte in erster Linie die linke Seite sein. Bereits unter Sarri war diese Zone so etwas wie der Ausgangspunkt des eigenen Ballbesitzspieles, was sich unter Ancelotti nicht großartig veränderte. Mit Koulibaly verfügt man einerseits über einen dominanten Aufbauspieler, während andererseits mit Sechser Fabian und Mittelfeldspieler Zielinski zwei technisch starke Akteure aus dieser Zone heraus das Spiel nach vorne gestalten sollten.

Was dachten sich die Salzburger dagegen aus? Zunächst einmal wurde von den ersten Minuten bereits klar ersichtlich, dass die Bullen keine Anstalten machten, von ihrer Spielanlage abzurücken. Man blieb auch bei der üblichen 4-3-1-2 Grundordnung und große Überraschungen gab es in der Aufstellung ebenfalls nicht zu sehen. Die Salzburger versuchten von Beginn an, mit gezielten Pressingwellen die Italiener unter Druck zu setzten. Oft ließ man die ersten Pässe der Neapolitaner zu, ehe man im passenden Moment ins Pressing startete und den Gegner attackierte. Die Zuordnung im Pressing kann man beim nächsten Bild gut erkennen:

Napoli in Ballbesitz, Salzburger startet nun aus dem 4-3-1-2 ins Angriffspressing mit einer klaren Zuteilung, wobei Schlager in der Szene zwei Spieler abdecken muss und im Normalfall auf den linken Außenverteidiger herausrücken muss.

Zu Beginn hatte man noch kleine Zugriffschwäche im Bereich der starken linken Seite der Gastgeber, wo mit Sechser Fabian ein pressingresistenter Akteur anzutreffen war und dieser  gemeinsam mit Zielinski Raum für Linksverteidiger Rui schaffen konnte. Doch das bekam man mit Fortdauer der Partie besser in den Griff, indem Wolf und Sechser Samassekou stärker nachschoben und Schlager unterstützte. So hatte man in der Anfangsphase bereits einige gute und saubere Ballgewinne zu verzeichnen und Napoli vermochte es kaum, sich sauber aus dem Pressing der Bullen zu lösen und in die gegnerische Hälfte einzudringen. Die Salzburger kamen dank des guten Pressings auch zu gefährlichen Situationen in der gegnerischen Hälfte, wobei Wolf und Dabbur mit zwei Schüssen sich beim Torhüter der Gastgeber vorstellten.

Doch so gut die Salzburger in die Partie starteten, dem italienischen Spitzenteam reichte eine toll herausgespielte Szene, um bereits früh den 1:0 Führungstreffer zu erzielen. Dabei zeigten die Neapolitaner in ihrer Verhaltensweise ein erkennbares Muster, wie man die Bullen knacken wollte. Fabian und Zielinski sollten sich, wie bereits erwähnt, aus dem linken Halbraum heraus nach vorne kombinieren und gemeinsam interagieren, während sich Stürmer Mertens im passenden Moment aus der Spitze in den Zwischenlinienraum fallen lassen sollte, um anspielbar zu sein oder zumindest einen Innenverteidiger aus seiner Position herauszuziehen. Genau dieses Muster führte auch zum Führungstreffer der Italiener, wobei wir einen näheren Blick darauf werfen wollen:

Szene vor dem 1:0, Fabian spielt auf Zielinski, der den Ball an Samassekou vorbeispitzelt und in die Tiefe durchstartet. Stürmer Mertens lässt sich mit einer Gegenbewegung fallen, Ramalho zögert jedoch damit, Mertens zu verfolgen, da ansonsten ein riesiges Loch hinter ihm aufgeht und Zielinski komplett frei wäre. Daher kann Mertens den Ball unbedrängt empfangen, aufdrehen und Milik mit einem Lochpass bedienen, der sich alleine vor dem Tor die Chance nicht nehmen lässt.

Napoli hatte es also sichtbar auf die Verteidigung der Salzburger abgesehen. Mit Gegenbewegungen versuchte man Löcher im Abwehrverbund der Bullen zu schaffen und man attackierte recht häufig den Rücken der Abwehr mit Flanken oder tiefen Pässen. Daher hielt sich neben den beiden Stürmern auch Zielinski oft im zentralen Korridor auf.

Für die Salzburger war der Rückstand natürlich bitter, war man doch zuvor gut im Spiel und schien einen guten Tag erwischt zu haben. Doch schon vor dem Rückstand zeigte man bereits Schwierigkeiten im eigenen Ballbesitz, was die Bullen nahezu die gesamte erste Halbzeit über verfolgen sollte. Ramalho hatte vor dem 0:1 bereits einen haarsträubenden Fehler fabriziert, der zu einer guten Möglichkeit für den Gegner führte. Auch danach brachten die Salzburger vor allem im Aufbauspiel kaum Ruhe in ihr Spiel hinein. Egal ob es Samassekou, Schlager, Onguene oder Lainer war, jeder von ihnen leistete sich einen leichtfertigen Ballverlust im Aufbauspiel und leitete damit gefährliche Konter des Gegners ein. Das eigenartige dabei war allerdings, dass Napoli nicht einmal ein kontinuierliches Angriffspressing praktizierte und einen großen Raumdruck entfachte. Gelegentlich rückte man zwar auch mal im Kollektiv nach vorne, doch die meiste Zeit waren nur die beiden Stürmer für das Anlaufen zuständig, die situativ von nach vorne stechenden Mittelfeldspielern unterstützt wurden.

Damit bestätigte sich auch mal wieder eine recht banale Erkenntnis. Man kann die beste Struktur und Voraussetzung für die Spieler und die Mannschaft schaffen, bei der Ausführung sind jedoch einzig die handelnden Akteure gefragt. Und die Salzburger wirkten an diesem Abend im Ballbesitz ungewohnt nervös, fahrig und leichtsinnig. Man blieb oft am Gegenspieler hängen, war im Passspiel nicht sauber genug oder ließ sich einfach zu viel Zeit am Ball. Diese Anhäufung von einfachen Fehlern hatte man in der Amtszeit von Marco Rose bislang kaum gesehen, der auch dementsprechend verärgert an der Seitenlinie reagierte. Wie etwa im Vorfeld des 2:0, als man unbedrängt im Aufbauspiel den Ball ins Toraus spielte und dem Gegner einen Corner schenkte.

Vor allem Innenverteidiger Onguene machte keine gute Figur und wurde mit Fortdauer der Partie auch von den Italienern gezielt anvisiert und unter Druck gesetzt. Das Ärgerliche dabei war, dass man nach wie vor durch das gute Pressing schöne Ballgewinne erzielte und es Napoli schwer machte, sich im Aufbauspiel sauber nach vorne zu kombinieren. Doch aus diesen Ballgewinnen machte man zu wenig und vor allem das eigene Aufbauspiel kam in der gesamten ersten Halbzeit quasi nie zur Ruhe. Man versuchte das Problem dann in den Griff zu bekommen, indem sich Kapitän Ulmer im Aufbauspiel tiefer aufhalten und Abkippen sollte, um die Innenverteidigung zu unterstützten – was zumindest etwas Abhilfe schuf.

So gesehen war man einerseits im Spiel gegen den Ball phasenweise recht gut in der Partie, andererseits machte man sich im Ballbesitz vieles wieder kaputt und lud den Gegner mehr oder weniger ein. Dementsprechend ging es dann auch mit einem 0:2 Rückstand in die Halbzeitpause.

Salzburg findet Klarheit wieder

Nach der durchwachsenen ersten Halbzeit und dem klaren Rückstand, musste auf Seiten der Salzburger klarerweise etwas passieren. Dabei nicht so sehr in taktisch/strategischer Sicht, wo man den Italienern Paroli bieten konnte, sondern im Hinblick auf die individuelle Ausführung, wo man sich zu viele Fehler leistete. Und tatsächlich, nach dem Wiederanpfiff wirkten die Bullen wesentlich konzentrierter und sauberer in ihrem Spiel, was wohl mit einer deutlichen Pausenansprache von Trainer Marco Rose zusammenhing. Dass diese Wirkung  zeigte, konnte man bereits nach wenigen Augenblicken sehen, als Dabbur im Strafraum zu einer guten Möglichkeit kam und aus kurzer Distanz am gegnerischen Torhüter scheiterte.

Mit dieser Moralspritze bekamen die Bullen etwas Selbstvertrauen und wirkten nun wesentlich klarer in ihrem Spiel. Das merkte man vor allem bei Innenverteidiger Ramalho, der wesentlich ruhiger in der Spieleröffnung wurde und prompt einige gute Zuspiele einstreute. Jedoch leistete man sich nach wie vor immer wieder leichte Fehler und speziell Onguene erwischte einen ganz schlechten Tag. So lief nach einem Stellungsfehler des Innenverteidigers Mertens alleine auf Walke zu, doch der Torhüter konnte mit einer Parade einen weiteren Gegentreffer gerade noch verhindern. Wenig später war der Torhüter der Salzburger dann allerdings machtlos, als der verunsicherte Onguene seine schlechte Leistung mit einem unglücklichen Eigentor quasi krönte und auf 3:0 für den Gegner erhöhte.

Mit der 3:0 Führung im Rücken konnte sich Napoli jetzt klarerweise zurücklehnen, die Salzburger kommen lassen und auf eigene Kontergelegenheiten lauern. Die Bullen brauchten jetzt dringend ein Auswärtstor, um sich die Ausgangsposition für das Rückspiel zumindest etwas zu verbessern. Trainer Rose nahm auch einen Doppelwechsel vor und brachte mit Gulbrandsen und Mwepu zwei frische Kräfte in die Partie. Und vor allem die Einwechslung von Gulbrandsen sollte dem Spiel gut tun, denn der Norweger brachte mehr Direktheit und Entschlossenheit in das letzte Drittel und kam so auch zu einigen guten Gelegenheiten. Die beste vergab er kurz vor Schluss, als sein Abschluss nach einem guten Haken zu schwach ausfiel und vom Torhüter pariert werden konnte. Auf der anderen Seite hätte man sich aber auch ein viertes Gegentor einfangen können, als Callejon und Milik zwei große Möglichkeiten alleine vor dem Tor vergaben.

So gut die Bullen nun im Spiel waren und immer mehr Spielanteile an sich rissen, bissen sie sich dennoch im letzten Drittel die Zähne an der starken Defensive der Gastgeber aus. Napoli zeigte mit ihrer defensiven Organisation, dass die Stärke italienischer Mannschaften in der Abwehrarbeit kein Klischee ist. Man verdichtete den zentralen Korridor mit zwei Viererketten so sehr, dass es nahezu kein Durchkommen durch diesen Abwehrblock gab. Die starke Strafraumverteidigung der Italiener kann man beim nächsten Bild wunderbar erkennen:

Salzburg im Angriff, Napoli steht mit acht Spielern im eigenen Strafraum extrem eng zusammen und konzentriert sich auf den zentralen Korridor, weshalb es für Salzburg und den ballführenden Schlager kein Vorwärtskommen gibt und er sogar aus dem Strafraum gedrängt wird. Selbst Stürmer Milik (gelber Kreis) hält sich in der Nähe des eigenen Strafraums auf.

Wie man sieht, war es für die Salzburger unheimlich schwer, dieses gut organisierte Bollwerk zu knacken. Und da sprechen wir noch nicht einmal von Innenverteidiger Koulibaly, der seine Klasse in dieser Partie mehrmals unter Beweis stellte und nicht umsonst von den größten Clubs der Welt gejagt wird. Umso beachtlicher war es, dass es den Bullen dennoch einige Male gelang und man sich einen eigenen Treffer durchaus verdient gehabt hätte. Doch das wichtige Auswärtstor blieb dem österreichischen Meister verwehrt, weshalb es letztlich  bei der 0:3 Niederlage blieb.

Fazit

Es war ein bitterer und zugleich lehrreicher Abend für die Salzburger. Man zeigte sich phasenweise zwar durchaus auf Augenhöhe mit dem italienischen Vizemeister, doch insgesamt beging man letztlich zu viele einfache Fehler und einige Spieler erwischten nicht gerade ihren besten Tag. Entscheidend für diese Partie war wohl, dass man vor allem in der ersten Halbzeit keine Ruhe in das eigene Spiel brachte und in vielen Phasen zu nervös und hektisch im Ballbesitz wirkte. Erst nach der Pause wurde es in dieser Hinsicht wesentlich besser und man legte eine ordentliche zweite Halbzeit hin. Doch auf diesem Niveau reichen gute 45 Minuten nicht aus, um gegen einen starken Gegner zu bestehen. Das mussten gerade die jungen Spieler der Bullen auf die harte Tour lernen, weshalb die Ausgangslage für das Rückspiel nun denkbar ungünstig ist und man ein Wunder braucht, um doch noch das Viertelfinale zu erreichen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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