Mit einem 6:1-Heimsieg über Wisla Krakau bescherte Rapid seinen Fans gestern Abend in stimmungsvollen Ambiente im Weststadion ein erstes, frühes Saisonhighlight. Wenn man dabei die erste Halbzeit betrachtet, könnten wohl noch viele folgen – denn Rapid präsentierte sich technisch sicher, kompakt, explosiv und hungrig.
Rapid-Trainer Robert Klauß schickte eine durchaus offensive Mannschaft im 4-2-2-2-System aufs Feld. Burgstaller und Beljo stürmten, dahinter sollten Seidl und Jansson mit ihrem hohen Aktionsradius für die nötigen Ballverteilungen und Dribblings sorgen. Statt des gesperrten Bendegúz Bolla spielte erwartungsgemäß Moritz Oswald.
Überraschend offensiv ausgerichteter Oswald
Und Letzterer war gleich eine der positiven Überraschungen des Spiels. Oswald interpretierte seine Rolle ebenso offensiv wie Bolla, stellte die Polen auf ihrer linken Abwehrseite vor große Probleme und war mit vier Schussvorlagen und vier Schlüsselpässen auch der aktivste Vorbereiter bzw. Einfädler bei den Grün-Weißen. Der Assist zum 3:0 war schließlich auch ein zählbarer Erfolg für den U21-Teamspieler. Effizienter war nur Isak Jansson, der gleich drei Assists sammelte und seine steigende Formkurve bestätigte.
Jansson enorm schwer zu verteidigen
Der Schwede ist einer der Spieler, die bei Rapid in der neuen Saison einen Unterschied ausmachen können. Vor allem seine Umtriebigkeit und die vielen Positionswechsel sind für den Gegner nur sehr schwer zu verteidigen. Das war etwa vor Burgstallers drittem Treffer zum 4:0 sichtbar, als Jansson plötzlich von der rechten Seite zur Mitte zog und seinem Offensivpartner assistierte. Da auch Janssons Nebenmann Matthias Seidl in der Offensive sehr polyvalent und teilweise – wie auch der Schwede – instinktgetrieben ist, funktionieren diese kleinen, aber effizienten Positionsrochaden sehr gut.
Sangaré als Herzstück der Mannschaft
Der klare Schlüsselspieler der neuen Rapid-Mannschaft ist allerdings Mamadou Sangaré. Der Malier ist ein Box-to-Box-Midfielder, wie ihn Rapid schon lange nicht mehr in seinen Reihen hatte und überzeugt mit Kampfkraft, Stärken im Gegenpressing, aber auch Spielwitz und ausgesprochen intelligenten Pässen und Spielverlagerungen. Vor allem die Verlagerungen waren ein Grund dafür, dass der polnische Zweitligist in vielen Situationen nicht mitkam und von den sehr schnellen und gezielten Umschaltmomenten der Hütteldorfer immer wieder überrumpelt wurde.
Kompakter Block als „Sicherheitsgarantie“
Vor der Umstellung aufs 4-2-2-2 durch Robert Klauß fragte man sich, ob die Herangehensweise und Ausrichtung mit dem bestehenden Spielermaterial nicht deutlich zu offensiv sein wird und wie Rapid eine ausbalancierte Rückwärtsbewegung bewerkstelligen kann. Die beiden Spiele gegen Wisla Krakau zeigten nun bereits recht gut, was Klauß’ Plan im neuen System ist.
Bereits in der Analyse des Hinspiels erwähnten wir die sehr kompakte Grundordnung und die geringen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Im Heimspiel war dies sogar noch markanter:
Screenshot von Wyscout S.p.a.
In dieser Grafik sehen wir die Durchschnittspositionen der Rapid-Spieler beim 6:1 gegen Wisla Krakau. Gerade der Schnitt in der Tiefe, also auf der y-Achse ist hier hochinteressant, denn Rapid schaffte es im Schnitt einen Block von nur 36 Metern Tiefe zu kreieren, was für ausgesprochen hohe Kompaktheit und die besagten, geringen Abstände spricht.
Mehrere Faktoren sichern hohe Kompaktheit
Der Schlüssel zur Kompaktheit ist nicht eine einzelne Facette, sondern das Zusammenspiel mehrerer. Unter anderem:
…die hohe Positionierung der Innenverteidigung, die bei Bällen hinter die eigene Abwehr von Raux-Yaos Schnelligkeit auf längere Distanzen lebt.
…der bereits erwähnte, hohe Aktionsradius von Sangaré, aber auch Grgic.
…die Umtriebigkeit von Seidl und Jansson, vor allem in der Breite, was es dem Gegner sehr schwer macht, innerhalb dieses Rapid-Blocks stressfrei zu verteidigen.
..die starken Abkipp- und Pendelbewegungen der beiden Stürmer, die sich beide immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lassen, um Bälle festzumachen oder zu kombinieren, dann aber doch wieder gut den Strafraum besetzen.
In der Breite ist die obenstehende Grafik hingegen nicht sehr repräsentativ. Einerseits weil etwa Jansson und Seidl so stark rochierten, dass eine Durchschnittsposition hier tatsächlich einfach den Mittelwert und keine repräsentative Feldposition darstellt. Andererseits weil etwa Moritz Oswald ab der 62. Minute von der rechten Abwehrseite auf die Sechs wechselte – dadurch ist seine Durchschnittsposition „realtaktisch“ verfälscht.
Extremer Torhunger in der ersten Halbzeit…
Die Kompaktheit war eine Sache – aber der noch viel wichtigere Faktor im Rapid-Spiel war die Freude der Hütteldorfer am Kicken und der Torhunger der Gastgeber. Im Laufe der ersten Halbzeit spielte sich Rapid gegen einen überforderten Gegner in einen Rausch und man wollte stets mehr. So auch Mamadou Sangaré, der Dion Beljo den Elfer „wegnahm“ und am weißrussischen Keeper der Polen scheiterte. Doch trotz des vergebenen Elfers schien es innerhalb der Truppe kein böses Blut zu geben. Die beiden Spieler klatschten ab – und vier Minuten später sorgte mit dem seinen Gegenspielern oft klar überlegenen Raux-Yao ein weiterer Neuzugang ohnehin für das 5:0.
…unerklärliches „Sättigungsgefühl“ in der zweiten
In der zweiten Halbzeit tauschte Robert Klauß durch, nahm mit Beljo, Burgstaller und Sangaré drei Schlüsselspieler vom Platz und brachte stattdessen Bischof, Dursun und Kaygin. Damit verzichtete Klauß auch auf die Chance, Rekorde aufzustellen. Der höchste Sieg im (nicht mehr ganz so) neuen Stadion war ein 6:0 gegen die Wiener Viktoria in der Corona-Zeit. Der höchste Sieg im Europacup war ein 8:0 gegen Avenir Beggen im Jahr 1982. Klauß zog die Schonung seiner Spieler aber vor.
Die Jungrapidler, die in der zweiten Halbzeit ran durften, ließen dann in einer bereits gewonnenen Partie ein wenig den Esprit vermissen. Gerade die Stürmer wirkten verkrampft. Angesichts der stressfreien Ausgangslage in der zweiten Halbzeit, hätte von Bischof und Dursun deutlich mehr kommen müssen. Nicht nur spielerisch-technisch, sondern auch was den unbedingten Willen betrifft, weitere Tore nachzulegen oder zumindest in gute Abschlusssituationen zu kommen. Kaygin war etwas bemühter, brachte aber auch nicht die zündenden Ideen ein, für die man ihn ursprünglich holte. Christoph Lang, der aktuell ebenfalls keine besonders einfache Situation vor der Brust hat, legte nach Traumpass des wechselhaft agierenden Auer schließlich doch noch das sechste Tor nach.
Rapids „zweieinhalbter Anzug“
Klauß setzte hier aber bewusst auf sehr unerfahrene Spieler, wie eben Dursun oder Vincze. Böckle, Kerschbaum und Cvetkovic verblieben auf der Bank. Wenn man bedenkt, dass etwa Louis Schaub noch nicht matchfit war, Schöller verletzt, Bolla gesperrt ist, dann sah man in der zweiten Hälfte weniger den zweiten Anzug, sondern eher den „Anzug 2.5“ in Grün-Weiß. Dass dieser nicht wie eine geölte Maschine läuft, ist natürlich auch klar. Aber bei 5:0 wäre mit etwas mehr Lockerheit auch für die Einwechselspieler deutlich mehr drin gewesen. Einzig zum Ende des Spieles hin war wegen dem starken Regen spielerisch kaum mehr sauberer Fußball möglich.
Der erste Gradmesser wird Sturm
Es sollte Kritik auf hohem Niveau sein. Rapid deklassierte den polnischen Cupsieger schlussendlich verdient und in der ersten Halbzeit auch spektakulär. Die Fans gingen zufrieden nach Hause, das Echo war unisono dasselbe: „Verstecken brauchen wir uns vor niemandem – aber wie gut wir wirklich sind, wird das Match gegen Sturm am Sonntag zeigen. Und die erwischen wir vielleicht zu einem guten Zeitpunkt…“
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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