Analyse: Salzburg-Express rollt auch durch den Celtic-Park
Europa League 14.Dezember.2018 Dalibor Babic 0
Am letzten Spieltag der UEFA Europa League-Gruppenphase stand für den österreichischen Meister Red Bull Salzburg noch einmal ein Highlight an. Es ging nämlich in den Berüchtigten Celtic-Park nach Schottland, wo man bereits vor einigen Jahren gastierte und die britische Luft schnuppern durfte. Die Reise in dieser Saison konnte man dabei recht entspannt antreten, denn durch die vergangenen fünf Siege war man bereits Gruppensieger und qualifizierte sich vorzeitig für die K.O.-Phase der Europa League. Völlig konträr war dagegen die Lage bei Celtic Glasgow, denn die Schotten mussten zumindest einen Punkt holen, um auf Nummer sicher gehen zu können und ebenfalls den Sprung in die nächste Phase dieses Bewerbs zu schaffen.
Salzburg startet griffig und bissig
Bei den Roten Bullen war von der relativen „Bedeutungslosigkeit“ dieser Partie in der Aufstellung nichts zu sehen, denn man bot quasi die stärkste verfügbare Elf auf dem Feld auf und verzichtete darauf einigen Leistungsträgern eine Pause zu geben. Einzig Schlager musste infolge einer Gelbsperre ersetzt werden, für ihn rutschte Mwepu in die Mannschaft und übernahm damit quasi dessen Achter-Position. Etwas überraschend war einzig die Tatsache, dass Wolf und Minamino zusammen im Angriff neben Dabbur ran durften, während der Norweger Gulbrandsen auf der Bank Platz nehmen musste. Die Grundformation verblieb dabei im üblichen 4-3-1-2 und man vertraute also trotz der Ausfälle der beiden „Stammachtern“ auf diese Struktur. Dabei zeigte man auch von Anfang an, dass man dieses Spiel sehr ernst nahm und unbedingt gewinnen wollte. Man lief zwar Celtic nicht bereits ganz vorne an mittels Angriffspressing, sondern stellte zunächst mit der gewohnten 2-1 Staffelung die beiden Innenverteidiger und den Sechser der Gastgeber zu, allerdings sobald der Pass dann auf die Außenverteidiger gespielt wurde, war dies quasi der Pressingauslöser, um folglich den Gegner unter Druck zu setzten und für einen Ballgewinn zu sorgen. Die Zuordnung dabei kann man beim nächsten Bild gut erkennen:
Celtic im Spielaufbau, die Schotten spielen auf den Flügel, was dann der Pressingauslöser für die Bullen ist, die aus der 4-3-1-2 Formation heraus Druck erzeugen. Mwepu schiebt dabei aus dem Zentrum heraus und attackiert den gegnerischen Außenverteidiger, während seine Kollegen dahinter ebenfalls nachschieben und die Gegenspieler zustellen.
Celtic versuchte zwar durchaus einen geordneten Spielaufbau zu praktizieren und spielerische Lösungen zu kreieren, allerdings waren die Salzburger bestens auf die Schotten eingestellt. So war es das Ziel von Celtic, über die Flügel zu kommen und mit einem Pärchen die Salzburger auf den Flügel herauszuziehen, während sich dann „Zehner“ Rogic folglich aus dem Zentrum hinter dem Außenverteidiger der Bullen fallen ließ und versuchte ihren „Rücken“ zu attackieren. Allerdings waren die Gäste darauf bereits vorbereitet und Sechser Samassekou verfolgte seinen Gegenspieler Rogic einfach auf den Flügel und verließ damit seine Position, weshalb es für die Schotten auf diesem Weg kein vorbeikommen gab. Stattdessen verfing man sich sogar laufend im „Gegenpressing-Netz“ der Salzburger, die im zweiten Spielfelddrittel viele Bälle sehr schnell erobern konnten und so Celtic kaum Luft zum Atmen gab. Dies ging dann soweit, dass Celtic selbst nach Ballgewinn rundum den eigenen Strafraum keinen kontrollierten Klärungsaktionen, geschweige denn saubere Konter fahren konnte und somit kaum aus der eigenen Hälfte herauskam.
Das führte auch zu einer starken Anfangsphase der Salzburger, die bereits früh zahlreiche gute Chancen vorfanden, wo man bereits komfortabel in Führung hätte liegen können. Celtic versuchte zunächst aus einer 4-4-1-1/4-1-4-1-artigen Mischformation heraus die Angriffe der Bullen zu verteidigen. Dabei zog man sich relativ schnell in die eigene Hälfte zurück und stand recht tief in der Hoffnung, die wichtigen Räume verschließen zu können. Dies klappte allerdings in der Anfangsphase kaum, denn man hatte ziemlich oft eigenartige Staffelungen in der Defensive, wodurch man es dem Gegner einfach machte, ins letzte Drittel vorzustoßen. So orientierte man sich zu Beginn recht stark in Richtung Zentrum mit dem eigenen Defensivblock, wodurch wiederum speziell Rechtsverteidiger Lainer viel Raum vorfand und immer wieder problemlos bis an die Strafraumkante vorstoßen konnte. Das führte dann auch dazu, dass die Salzburger viele Spielverlagerungen einstreuten und immer wieder versuchte, die Seite schnell zu wechseln und den offenen Raum am ballfernen Flügel zu attackieren. Des Weiteren verzichtete Celtic auch auf ein Zustellen von Sechser Samassekou, der sich dadurch immer wieder im Spielaufbau lösen konnte und oft unbehelligt den Ball von hinten heraus nach vorne transportieren konnte. Die Salzburger fanden dabei auch immer wieder den Weg in den Zwischenlinienraum und die drei Angreifer Minamino, Wolf und Dabbur bewegten sich viel und tauchten quasi überall auf dem Feld auf, wodurch sie schwer zu verteidigen waren. Dabei konnten die Salzburger Dank guter Gegenbewegungen geschickt Platz im Zwischenlinienraum schaffen, wo man dann versuchte mit schnellen Direktkombinationen nach vorne zu kommen und in die Tiefe zu kommen nach dem Muster: Pass in den Zwischenlinienraum, den Ball prallen lassen und sofort die Tiefe mit einem Lauf und einen Pass attackieren. Celtic war damit zunächst völlig überfordert und brachte überhaupt keinen Fuß auf den Rasen, weshalb es nur eine Frage der Zeit schien, bis Salzburg den Führungstreffer erzielen würde.
Salzburg verliert etwas den Rhythmus
Doch überraschenderweise brach der Rhythmus der Bullen nach rund 30-35 Minuten etwas ein. Man kam folglich nicht mehr so sauber in das letzte Drittel, musste öfter in die Breite spielen und konnte nicht mehr die gleiche Intensität auf den Platz bringen, wie es noch zuvor der Fall war. Dies hing jedoch auch damit zusammen, dass Celtic im Spiel gegen den Ball zumindest etwas besser wurde. Die Staffelungen wurden nun sauberer und man bekam das Zentrum besser verteidigt, da auch die losen Mannorientierungen nun besser griffen und man so näher am Gegner stand. Wichtig war dabei aber auch, dass immer wieder die beiden Innenverteidiger die Fallbewegungen von Dabbur und Wolf nach hinten mit aufnahmen und verfolgten, wodurch sich Salzburg nicht mehr so einfach im Zwischenlinienraum lösen und freilaufen konnte. Die verbesserte Defensivformation der Schotten kann man beim nächsten Bild gut erkennen:
Salzburg im Spielaufbau, Celtic steht nun durch die losen Mannorientierungen etwas besser und kompakter, weshalb es für Ramalho nun schwer ist, eine Anspielstation im Zentrum zu finden. Wichtig ist dabei auch, dass der Innenverteidiger von Celtic (gelber Kreis) das Zurückfallen von Wolf verfolgt, was zwar einerseits riskant ist und sich dadurch Raum in seinem Rücken öffnet, aber andererseits kann man dadurch den Zwischenlinienraum besser kontrollieren und verengen.
Salzburg tat sich folglich wie gesagt etwas schwerer, Lösungen im Spielaufbau durch das Zentrum zu finden und so weiterzumachen, wie man es bis zu diesem Zeitpunkt praktizierte. Es war dann auch eher so, dass es die Schotten den Gästen nicht mehr so einfach machten, sich durch das Zentrum durchzuspielen. Daher verlagerte man den Fokus etwas stärker auf die Flügel, wobei speziell Wolf oder Dabbur immer wieder auf den linken Flügel auswichen, während auf rechts Lainer quasi die Seite alleine beackerte und oft sehr hoch stand. Ein großartiges Problem war das oben beschriebene aber auch nicht wirklich und eher Jammern auf hohem Niveau, denn nach wie vor funktionierte das Gegenpressing der Salzburger hervorragend und die Absicherung klappte reibungslos, weshalb man sich auch weiterhin in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte. Da man allerdings nicht mehr so sauber in den Strafraum kam bzw. die Aktionen fertig spielte, blieb es beim 0:0 im ersten Durchgang.
Spiegelnde Formationen
In der zweiten Halbzeit entschied sich dann Celtic-Trainer Rodgers weitere Adaptionen vorzunehmen, um die drückende Überlegenheit der Gäste zu mildern und mehr Kontrolle über das Spiel zu erlangen. Um dies zu bewerkstelligen, griff man zu einer interessanten Umstellung. Die betraf nicht, wie man es zumindest annehmen würde, die Einwechslung von Kapitän Brown, der im Zentrum seinem Ruf als „Wadlbeißer“ gerecht werden sollte, sondern die Veränderung im System, die dieser Wechsel nach sich zog. Die Schotten entschieden sich nämlich, eben einen zusätzlichen zentralen Mittelfeldspieler Brown für den Flügelspieler Sinclair einzuwechseln, wodurch man die Formation zu einem 4-3-1-2 umstellte – ergo die Grundordnung der Salzburger von nun an einfach spiegelte. Der rechte Flügelstürmer Forrest wechselte stattdessen in die Spitze und gesellte sich zu Mittelstürmer Edouard, während Rogic weiterhin den „Zehner“ gab. Die Adaption bei Celtic kann man auch beim nächsten Bild gut erkennen:
Die Formation von Celtic nach der Pause, man ist zu einem klaren 4-3-1-2 System übergegangen und „spiegelt“ somit die Anordnung der Salzburger, um mehr Zugriff auf den Gegner zu bekommen.
Darüber hinaus versuchte man neben den strukturellen Adaptionen nun auch wesentlich aggressiver und forscher zu attackieren, die Salzburger auch mal höher anzupressen und damit den Druck auf den ballführenden zu erhöhen. Das gelang auch relativ ordentlich, wodurch das Spiel ausgeglichener wurde und sich viel zwischen den Strafräumen abspielte. Doch nach gut 67 Minuten schlugen die Salzburger dann doch plötzlich zu. Dabbur köpfte eine wunderschöne Flanke von Rechtsverteidiger Lainer ins Tor und brachte somit seine Mannschaft mit 1:0 in Front. Celtic schien danach geschockt zu sein und gleichzeitig öffneten sich auch mehr Räume zum Kontern für die Gäste. Dabbur hätte wenig später auf 2:0 stellen können, scheiterte jedoch aus kurzer Distanz an Torhüter Gordon. Zuvor noch der Held, mutierte Celtics-Torhüter Gordon wenig später zum Depp, als er versuchte das Spiel schnell zu machen und mit einem Auswurf den eingewechselten Gulbrandsen traf, der sich dieses Geschenk nicht nehmen ließ und auf 2:0 erhöhte. Danach fiel Celtic relativ wenig ein und schienen die Bullen die Partie problemlos nach Hause spielen zu können. Celtic bekam zwar noch in der Nachspielzeit einen Elfmeter zugesprochen und konnte auf 1:2 verkürzen, allerdings ertönte wenig später der Schlusspfiff und es blieb beim 2:1 Sieg der Salzburger. Jedoch konnten letztlich beide Mannschaften jubeln, da im Parallelspiel Leipzig nicht über ein Unentschieden hinauskam und sich Celtic somit ebenfalls für die nächste Runde qualifizieren konnte.
Fazit
Es gehört mittlerweile scheinbar zur Normalität, dass der österreichische Meister Salzburg in den berüchtigten Celtic-Park fährt und dort so dominant und kontrolliert auftritt, wie es nur wenige Teams in der Vergangenheit in der Art und Weise gelang. Das zeigt einfach das mittlerweile unheimlich hohe Niveau der Bullen, die frei von jedem Druck und Erwartung, trotz der hohen Belastung dieser Herbstsaison, dennoch auf dem Punkt da sind und eine Mentalität an den Tag legen, die nur als imponierend zu bezeichnen ist. Man trat mit einer ungeheuren Intensität und Leidenschaft an, wodurch es für Celtic quasi kein Entkommen aus dem Gegenpressing und dem „Netz“ gab, welches die Bullen spannten. Selbst Ausfälle von zwei Schlüsselspielern wie Haidara und Schlager konnte man verkraften und einen großen Qualitätsabfall im Spiel der Salzburger war nicht zu vernehmen, was ganz klar für das tolle Trainerteam rundum Chef Marco Rose spricht. Nun blickt man gespannt am nächsten Montag nach Nyon und wartet auf den kommenden Gegner, den man zugelost bekommt. Doch ganz gleich wer dieser auch sein möge, die Salzburger als Gegner wünscht sich wohl keiner und das kommt nicht von ungefähr.
Dalibor Babic, abseits.at
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