Analyse: Salzburg setzt Erfolgslauf weiter fort
Europa League 30.November.2018 Dalibor Babic 0
Am fünften Spieltag der Europa League-Gruppenphase kam es zum Showdown und zum Rückspiel der beiden Red Bull-Vereine Salzburg und Leipzig, welches nicht nur aufgrund der Ausgangslage mit viel Spannung erwartet wurde. Die Leipziger hatten sich nämlich seit dem Hinspiel merklich stabilisiert und sind mittlerweile das Team mit der besten Defensive in der deutschen Bundesliga. Allerdings lief es in der Europa League dafür nicht so rund und man stand schon unter Zugzwang, weshalb ein Punktegewinn quasi Pflicht war, wenn man die Chance auf den Aufstieg in die K.o. Phase wahren wollte. Bei Salzburger hingegen war die Ausgangslage wesentlich angenehmer und den Bullen reichte bereits ein Punktegewinn, um den Aufstieg vor dem letzten Spieltag bereits zu fixieren.
Salzburg legt wie die Feuerwehr los
Ralf Rangnick muss es gewurmt haben, dass das „kleine Tochterunternehmen“ in Salzburg die großen Leipziger, wohin sich mittlerweile das Hauptaugenmerk des Red Bull Konzerns verlegt hat, im Hinspiel so klar beherrscht hatte und eine Machtdemonstration ablieferte. Für das Rückspiel sollte dies allerdings nicht nochmal geschehen, weshalb sich der Leipzig-Trainer auch etwas besonderes einfallen ließ. Anfänglich wurde von der UEFA ein 4-3-3 als System der Leipziger angegeben, doch die Sachlage stellte sich im Spiel dann vollkommen anders dar. Der Sechser der Leipziger Ilsanker, lief nämlich nicht auf der „Sechs“ auf, sondern rückte eine Etappe zurück in die Abwehr, weshalb die Gäste nominell mit einer Fünferkette aufliefen. Darüber hinaus stellte man mit Laimer nur einen echten zentralen Mittelfeldspieler auf, der zusätzlich von den beiden Kreativspielern Bruma und Cunha ergänzt wurde, während Augustin und der deutsche Nationalspieler Werner den Angriff bildeten. Dadurch ergab sich bei den Leipzigern eine recht klare 5-3-2 Grundordnung, die jedoch sehr variabel interpretiert wurde.
So blieb es nämlich nicht konstant bei der Fünferkette, sondern griff man zum Mittel der „pendelnden Viererkette“, denn der jeweilige Flügelverteidiger der Leipziger stieß immer wieder aus der Abwehr heraus nach vorne, um in etwa den gegnerischen Außenverteidiger zu attackieren, weshalb die Fünferkette kurzzeitig auch mal quasi aufgelöst wurde. Dies kann man beim ersten Bild recht gut erkennen:
Salzburg im Spielaufbau, Leipzig verteidigt aus einer 5-3-2 Grundordnung heraus und mit einer Fünferkette, jedoch rückt der Flügelverteidiger der Leipziger (höherer gelber Pfeil) immer wieder aus seiner Position weit nach vorne und attackiert den gegnerischen Außenverteidiger, während der Halbverteidiger (tieferer gelber Pfeil) nachschiebt und quasi kurzzeitig den Rechtsverteidiger mimt, weshalb hinten auch eine Viererkette verbleibt – ergo eine pendelnde Viererkette ist hier zu sehen.
Mit diesem Kniff, erhoffte man sich in erster Linie einen sauberen Zugriff auf die Außenverteidiger der Salzburger zu erhalten und sie von ihren gefährlichen Vorstößen so gut es geht abzuhalten, da sie auch im Spielaufbau der Gastgeber eine elementare Rolle einnehmen. Gleichzeitig galt es jedoch, die Abwehr nicht zu entblößen und eine gute restliche Absicherung zu haben, damit die Salzburger nicht die Räume hinter den aufrückenden Flügelverteidiger bespielen konnten. Mit den beiden Halbverteidigern, die nachschoben und die Flügelverteidiger unterstützten, hatte man da allerdings eine gute Absicherung und konnte daher die Räume bei sauberer Ausführung unter Kontrolle halten. Des Weiteren war den Leipzigern wichtig, mit der 2-3 Staffelung in der „Offensive“ das Zentrum zu kontrollieren, sowie man es im ersten Bild auch gut erahnen kann. Die beiden Stürmer sollten meist leicht versetzt attackieren und Sechser Samassekou im Auge behalten, damit dieser abgedeckt und dadurch die Spieleröffnung über das Zentrum erschwert wurde. Darüber hinaus gab es immer wieder lose Mannorientierungen auf die beiden Halbraumspieler Schlager und Junuzovic zu sehen, die man gezielt verfolgte und so versuchte ebenfalls abzudecken.
Mit dieser Strategie und mit der gewählten Grundordnung, erhoffte man sich natürlich einerseits, mithilfe der Fünferkette die Breite des Feldes gut abzudecken, andererseits aber im Zentrum mit der 2-3 Staffelung ebenfalls ausreichend Spieler zu haben, um diese Region zu kontrollieren. Dabei sollte auch die klare Zuordnung diese Aufgabe erleichtern und jeder Spieler wusste, um welchen Gegenspieler er sich jeweilig zu kümmern hatte bzw. welche Räume man im Auge behalten musste. Man verzichtete dabei allerdings auf das typische „Red Bull-Angriffspressing“ und setzte stattdessen auf ein Mittelfeldpressing, um die mannschaftliche Stabilität zu erhöhen und Salzburg bewusst den Ball zu überlassen, damit man auf Ballgewinne lauern konnte. Die klare Zuordnung der Sachsen kann man beim nächsten Bild ebenfalls gut erkennen:
Mit einer klaren Zuordnung und einigen Mannorientierungen, versuchten die Leipziger auch immer wieder Zugriff auf Salzburg zu bekommen und sie so auf dem Flügel festzusetzen.
Salzburg und die Gegenbewegung
Doch in der Anfangsphase klappte der Matchplan der Leipziger nur unzureichend und man wackelte gehörig. Die Abläufe waren sichtlich noch nicht automatisiert und immer wieder wurde das Defensivkonzept von den Salzburger gehörig auf die Probe gestellt. Mal konnten die Gastgeber trotz der Deckung von Sechser Samassekou ihn anspielen und damit die beiden Stürmer und ersten Verteidiger aus dem Spiel nehmen, oder die beiden Innenverteidiger dribbelten sich einfach nach vorne und hebelten damit die Mannorientierungen der Leipziger aus. Doch die größten Probleme hatten die Leipziger einerseits mit dem variablen Positionsspiel der Salzburger und andererseits mit den ständigen Gegenbewegungen, die die Gastgeber kontinuierlich einstreuten. So agierten im üblichen 4-3-1-2 der Salzburger vor allem die beiden Offensivspieler Wolf und Dabbur sehr flexibel in ihrer Positionierung und ließen sich immer wieder aus der Spitze fallen, während aus der Etappe dann ein anderer Spieler meist in die Tiefe sprintete und den Ball in die Spitze forderte. So standen die Abwehrspieler der Deutschen oft vor der folgenden Problematik: Gehe ich mit meinem Gegenspieler mit und verlasse ich meine Position oder lass ich ihn frei und hoffe, dass die Spieler vor mir ihn übernehmen? Vor diesem Dilemma standen die Leipziger sehr oft, wie man dies beim nächsten Bild auch gut erkennen kann:
Die Funktionsweise und das Muster der „Gegenbewegung“, die eine große Rolle im Spiel der Salzburger einnimmt, kann man hier wunderbar erkennen. Achter Junuzovic (schwarzer Pfeil) startet in die Tiefe und zieht die Aufmerksamkeit der Abwehr auf sich, während Stürmer Dabbur (gelber Pfeil) im gleichen Moment sich zurückfallen lässt und sich „kurz“ anbietet, um angespielt zu werden. Simpel und doch sehr effektiv, denn der Verteidiger steht damit vor einem Problem und muss sich entscheiden, welchen Gegenspieler er jetzt verfolgt.
Durch dieses gewählte Muster, können die Salzburger entweder den Ball in die Tiefe spielen oder sich doch dafür entscheiden, über Kombinationen nach vorne zu kommen und den Gegner so auszuspielen, indem man durch den Lauf in die Tiefe Raum schafft für die Offensivspieler und die Aufmerksamkeit der Abwehr auf sich zieht. Die Leipziger bekamen dies die ersten 20 Minuten nur schwer in den Griff, konnten sich oft nur mit Fouls helfen und mussten sich auf ihre starke Strafraumverteidigung verlassen, die sie vor schlimmeren bewahrte. Nachdem man diese Phase überstand, wurde das Spiel etwas ausgeglichener, da die Abläufe im neuen System der deutschen Gäste etwas sauberer wurden und man die Gastgeber vermehrt auf den Flügel drängen konnte, wo der physisch starke Upamecano viele Angriffe dank seiner Robustheit abfangen konnte. Andererseits konnte man aber auch den Ball länger in den eigenen Reihen halten und vor allem der linke Flügelverteidiger Saracchi nahm dabei eine wichtige Rolle ein, da er immer wieder über seine Seite spielerische Lösungen gegen den Druck der Salzburger fand.
Dadurch wurde das Spielgeschehen wesentlich ausgeglichener und es ging vor allem zwischen den beiden Strafräumen ordentlich zur Sache, wo sich die beiden Mannschaften mit ihrem Gegenpressing und starken Verschiebebwegungen quasi neutralisierten, wie man dies beim nächsten Bild gut erkennen kann und es auch exemplarisch für viele Phasen der Partie steht:
Ein riesiges Feld wird von beiden Mannschaften ganz eng gehalten und man verwickelt sich unter einem enormen Raumdruck laufend in Zweikämpfe. Kurz gesagt, es geht ordentlich zur Sache und die Intensität ist enorm.
Zwar konnten sich die Salzburger nur selten wirklich sauber in den Strafraum kombinieren und gefährlich werden, da wie erwähnt Leipzig in puncto Strafraumverteidigung sehr gute Arbeit leistete, im letzten Drittel die Räume extrem eng machte und sich da geschlossen zusammenzog. Allerdings waren auch die heimischen Bullen sehr stabil in der Defensive und verteidigten nahezu alles weg, was die Leipziger nach vorne versuchten. Einer der beiden Außenverteidiger der Salzburger blieb dabei oft als Absicherung hinten, um eine Drei gegen Zwei Überzahlsituation gegen die beiden Stürmer von Leipzig zu haben und auch Sechser Samassekou stand als Absicherung parat und fing entweder Pässe bereits frühzeitig ab oder eilte schnell genug nach hinten, weshalb man oft vier Spieler in der Absicherung hatte. Dadurch stand man selbst nach Ballverlust und wenn das Gegenpressing nicht funktionierte sehr stabil und der deutsche Nationalspieler bekam nur eine einzige Möglichkeit im ersten Durchgang, als Ramalho nämlich unglücklich ausrutschte.
In der zweiten Halbzeit kippte dann die Partie wieder etwas mehr in Richtung der Gastgeber. Den Salzburgern gelang es, dass Spielgerät wieder länger in den eigenen Reihen zu halten, wodurch die Ballbesitzzeiten auf 60 Prozent kletterten. Dies gelang, indem man vor allem über die Flügel immer wieder Lösungen kreieren konnte und vor allem die starke linke Seite mit Ulmer, den ausweichenden Dabbur und den bärenstarken Wolf, der ebenfalls immer wieder auf die beiden Flügelzonen auswich, kombinierten sich einige Male bis ins letzte Drittel. Dadurch kam man auch ein paar Mal gefährlich in den Strafraum, auch wenn die Chancenflut weiterhin ausblieb. Darüber hinaus blieb man im Gegenpressing giftig und konnte aufgrund der Stabilität und der guten Absicherung in der Defensive viele Angriffe bereits frühzeitig abfangen, weshalb Leipzig eigentlich kaum bis gar keine Konterangriffe fahren konnte und das obwohl man einen der besten Konterstürmer Europas in den eigenen Reihen hatte. Doch Werner war bei den beiden starken Innenverteidigern gut aufgehoben und von seinen Mitspielern kam ebenfalls wenig. So kam was kommen musste und die Salzburger Bullen münzten diese Überlegenheit auch in einen Gegentreffer um. Und wie fiel dieser? Natürlich infolge einer Gegenbewegung, mit der man den Leipzigern wie bereits beschrieben immer wieder Probleme bereitete:
Szene vor dem 1:0-Siegestreffer, Dabbur lässt sich vom linken Flügel nach hinten fallen. Flügelverteidiger Klostermann entscheidet sich ihn zu verfolgen, verlässt seine Position und öffnet damit den Raum, in den dann Ulmer mit einer Gegenbewegung startet und von Junuzovic auch prompt bedient wird.
Nach dem Führungstreffer der Salzburger, stand Leipzig nun arg unter Zugzwang und warf nochmal alles nach vorne, um doch noch den benötigten Punktegewinn einzufahren. Doch bis auf einen Werner-Schuss, den Walke sehenswert parierte, blieben die Sachsen harmlos und mussten sich letztendlich geschlagen geben:
Fazit
Allmählich gehen einem die Superlative aus, um die Leistung der Salzburger zu beschreiben und langsam wird dies auch zur Normalität. Gegen eines der besten Teams der deutschen Bundesliga, setzten sich die österreichischen Bullen auch im Rückspiel gegen den „großen Bruder“ durch und fixierten damit den Aufstieg in die K.o.-Phase. Dabei glänzte man in diesem Spiel zwar nicht unbedingt mit Offensivpower und zahlreichen Torchancen, sondern dominierte das Spiel mit der eigenen Stabilität und der starken Arbeit gegen den Ball, womit man den Gegner nahezu über die gesamte Spielzeit im Griff hatte und die Partie damit kontrollierte. Aber auch in der Offensive hatte man immer wieder aussichtsreiche Ansätze und vor allem dank der perfekt automatisierten Gegenbewegungen, konnte man immer wieder gute Situationen und Lösungen kreieren, womit man letztlich sogar das Spiel gewinnen konnte. Die Salzburger setzten also mal wieder ein deutliches Ausrufezeichen und zeigten eindrucksvoll, dass sie für höhere Aufgaben bestimmt sind. Und wer weiß, vielleicht wiederholt oder toppt man sogar den Erfolg der vergangenen Saison, zuzutrauen wäre es dem österreichischen Meister auf alle Fälle und auch Leipzig-Trainer Rangnick musste neidlos anerkennen, dass die Salzburger mittlerweile eine europäische Spitzenmannschaft sind.
Dalibor Babic, abseits.at
Dalibor Babic
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