Eine österreichische Mannschaft in einem Europacup-Halbfinale? Für viele heimische Fans verband man so ein Ereignis eher mit nostalgischen Erinnerungen, als dass man es im... Analyse: Salzburg verliert Hinspiel gegen eiskalte Franzosen

Eine österreichische Mannschaft in einem Europacup-Halbfinale? Für viele heimische Fans verband man so ein Ereignis eher mit nostalgischen Erinnerungen, als dass man es im modernen Fußball und dem Big-Money für möglich gehalten hätte, dass es tatsächlich eine Mannschaft international soweit schafft. Red Bull Salzburg gelang dieses Kunststück, nachdem man hochkarätige Gegner wie den BVB oder Lazio Rom sensationell eliminieren und so ins Habfinale vorstoßen konnte. Nun wartete der französische Traditionsklub Olympique Marseille und dessen fanatische Anhängerschafft auf die Salzburger, die man bereits in der Gruppenphase erfolgreich bespielen konnte und in den beiden Duellen letztlich ungeschlagen blieb. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen für diese beiden Spiele und die Hoffnung, diese Ergebnisse auch in der K.O.-Phase wiederholen zu können. Einfach würde es nicht werden, befanden sich doch die Franzosen ebenfalls in Topform und haben den Red Bull Schwesternclub aus Leipzig mit einer ähnlichen Spielanlage bereits aus dem Bewerb werfen können.

Kaum Überraschungen bei den Salzburgern

Erfolgstrainer Marco Rose konnte im Vorfeld des Hinspiels im Halbfinale aus dem Vollen schöpfen und hatte nahezu die Qual der Wahl, nachdem sich auch Mittelfeldmotor Haidara rechtzeitig wieder fit meldete und einsatzbereit war. Eine kleine Überraschung hatte der Coach der Salzburger dann doch noch parat. So bekam nämlich Hannes Wolf den Vorzug vor Xaver Schlager auf der Position hinter der Spitze, um womöglich im Umschaltspiel noch mehr Dynamik und Geschwindigkeit in der Offensive zu haben. Ansonsten blieb bei den Bullen alles beim alten, so auch die bekannte 4-3-1-2 Grundformation und mit einer Raute im Mittelfeld. Etwas überraschender war da eher die ausgewählte Spielanlage, respektive die gewählte Höhe des eigenen Pressings. So verzichtete man überwiegend auf ein hohes Angriffspressing, versuchte stattdessen den Spielaufbau der Gäste mehr zuzustellen und zu leiten, um vermutlich einerseits die Franzosen zum Fußball spielen einzuladen – um dann im richtigen Moment für die Balleroberung zu sorgen – und andererseits bei möglichen langen Bällen der Gastgeber genügend Mann hinter dem Ball zu haben, um beim Kampf um den ersten und zweiten Ball genügend Spieler im Umfeld zu haben und da raschen Zugriff zu bekommen. Nur situativ attackierte man auch mal etwas weiter vorne, was dann speziell für die beiden Achter Berisha und Haidara weite Wege zur Folge hatte, mussten sie doch immer mal wieder aus dem Zentrum heraus die gegnerischen Außenverteidiger attackieren und stellen.

So orientierten sich im Spiel gegen den Ball die beiden Stürmer Dabbur und Hwang mehr an den Raum und der Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger, während Zehner Wolf den tieferen Sechser von Marseille im Auge behalten sollte und die Halbspieler Berisha und Haidara etwas tiefer den Raum absicherten. Das ergab dann oft eine 4-1-2-1-2 artige Formation, mit der man die Franzosen empfing, was allerdings nicht immer der Fall war. Man war nämlich auch auf das Abkippen eines gegnerischen Sechser ebenfalls vorbereitet und reagierte darauf entsprechend,  was man beim ersten Bild auch gut sehen kann:

Marseille im Spielaufbau, Salzburg verteidigt zunächst im 4-1-2-1-2 gegen den Ball. Nachdem sich ein Sechser nach hinten absetzt und abkippt, rückt Wolf nach vorne und wird die Salzburger Formation zu einem 4-3-3, womit man Richtung Ball platziert ist und so erfolgreich den langen Ball des Gegners erzwingt.

Gegen den Ball gelang es den Bullen den Spielaufbau der spielstarken Franzosen überwiegend zu neutralisieren, wobei dies nicht nur ausschließlich der eigenen Stärke zuzuschreiben war. Nachdem der Ersatztorhüter in der Anfangsphase für zwei gefährliche Ballverluste nach schlechten Abschlägen sorgten, wurden Rückpässe nach hinten bzw. ein herausspielen über den Torwart minimiert und viele Bälle nach vorne auf Zielspieler Mitroglu geschlagen. Daher gab nur noch vereinzelte Szenen, wo sich Marseille von hinten befreien konnte, indem z.B. Sechser Sanson nach links abkippte, dort eine Überzahlsituation kreieren konnte und so für einen sauberen Übergang nach vorne sorgte. Allerdings reagierten die Bullen passend auf diesen Kniff und verschoben in dem Fall noch stärker in Richtung Seitenlinie.

Problematischer wurde es da für die Bullen, sobald Marseille den Ballbesitz in höheren Zonen sichern konnten. Dann gab es vor allem auf der rechten Seite starke Überladungen zu sehen, indem Spielmacher Payet immer wieder auswich und gemeinsam mit Thauvin und dem starken Sarr ein brutal spielstarkes Dreieck bildete, welches oft auch von einem der beiden Sechser Sanson oder Lopez unterstützt wurde. Daher liefen auch nahezu alle Angriffe der Gastgeber über die rechte Seite und nur vereinzelt über links, während das Zentrum völlig vernachlässigt wurde – auch weil die Salzburger vor allem mit dem starken Sammasekou diesen Raum unter Kontrolle hatten. Komplementiert wurde dieser extreme Fokus  auf die rechte Außenbahn mit einer asymmetrischen Formation der Abwehr, in der dynamische Rechtsverteidiger Sarr wesentlich mehr Freiheiten nach vorne hatte und auch mal sehr weit aufrückte, während sein Pendant auf der linken Seite wesentlich passiver agierte und oft neben den Innenverteidigern hinten zur Absicherung blieb.

Salzburg versuchte dies so zu kontern, indem man sehr stark zur Seite verschob – ergo Berisha sich an den Außenverteidiger Sarr orientierte, Ulmer an Thauvin und Sammasekou weit aus seiner Position rückte und Payet verfolgte, Wolf einen der beiden Sechser deckte, während von vorne Dabbur im Rückwärtspressing oft Druck machte und hinten Caleta-Car seine Vorderleute absicherte und auf Flügeldurchbrüche spekulierte. Es spricht jedoch für die Franzosen und deren spielerische Qualität, dass trotz des Bewusstsein und die entsprechende Verengung des Raumes durch die Salzburger, sich Marseille dennoch in einigen Situationen befreien und die Angriffe fortsetzen konnte. Dies kann man auch bei der nächsten Szene sehen:

Marseille im Ballbesitz – Payet lässt sich fallen und die Franzosen versuchen ein Dreieck auf der rechten Seite aufzubauen und die Seite zu Überladen, jedoch kontert Salzburg entsprechend und verschiebt mit vier Mann in Richtung Ball. Die Tür scheint zu..

.. doch der starke Rechtsverteidiger Sarr (am Ball) hat andere Pläne. Er spielt einen doppelten Doppelpass mit Payet ( oben mit den roten Schuhen) und löst diese Situation in nahezu absurder Weise auf und nimmt sechs Salzburger damit aus dem Spiel – und Marseille spielt sich damit gefährlich vor das gegnerische Tor. 

Dass die Gastgeber nicht noch mehr aus diesen Situationen herausholen konnten, lag einerseits an der guten Strafraumverteidigung der Bullen, in der speziell die beiden Innenverteidiger alle Flanken in den Strafraum dank ihres guten Stellungsspiels klären konnten und andererseits, dass man speziell Thauvin gut im Griff hatte und den Raum auf der Seite meist passend verengte. Dennoch gingen die Salzburger unglücklich in Rückstand, nach einem unnötigen Foulspiel von Wolf zirkelte Spielmacher Payet einen Freistoß perfekt auf die zweite Stange, wo Thauvin nur noch vollenden musste.

Marseille überrascht zu Beginn mit hohem Pressing

Während der Trainer der Franzosen Rudi Garcia im Vorfeld dieser Begegnung die Favoritenrolle den Salzburgern zuschob, zeigte man sich zu Beginn der Partie alles andere als zurückhaltend. Im Gegenteil, die Franzosen gingen die ersten Minuten sehr weit vorne drauf und pressten die Bullen aggressiv an, wodurch eine hohe Intensität gleich in der Anfangsphase zustande kam. Allerdings flaute dieses Angriffspressing nach etwa zehn Minuten ab und die Pressinghöhe wurde nach hinten verschoben, auf ein tiefes Mittelfeldpressing. Dafür stellte sich Marseille in einer 4-4-1-1/-4-4-2 Formation auf, mit zwei klaren Viererketten und den beiden Spitzen Mitroglu und Payet, wobei letzterer meist etwas tiefer postiert war. Ziel war es zunächst, mit den beiden Stürmern den Passweg ins Zentrum zu verschließen, indem einer der beiden Angreifer auf den ballführenden Innenverteidiger ging, während ihn der andere absicherte und sich an Sechser Sammasekou orientierte. Dadurch wollte man den Spielaufbau der Salzburger auf den Flügel leiten und den Gegner dort dann empfangen. Infolgedessen sollte dann erneut das Zentrum verschlossen und durch gutes Verschieben die Bullen auf der Außenbahn festgesetzt werden, damit sie entweder zurückspielen oder im besten Fall den Ball verlieren sollten.

Interessant war dabei, dass die beiden Sechser nicht nur im Raum verschoben, sondern sich oft an den Gegenspielern orientierten – speziell wenn es in Richtung Seitenlinie ging. Aber auch die ballfernen Flügelspieler standen oft etwas breiter und verschoben nicht immer mit ihren Kollegen mit, sondern behielten etwas strikter ihren Gegenspielern im Auge. Damit wollte man vermutlich die Spielverlagerungen auf die Außenverteidiger unterbinden, aber auch die Vorstöße der beiden Salzburger Außenverteidiger sollten allgemein direkt verfolgt werden. Vor allem bei Flügelspieler Thauvin war das ziemlich stark zu sehen, wobei dies vermutlich auch mit dem Zurückfallen von Berisha in den linken Halbraum zusammenhing – wodurch Thauvin etwas nach vorne schob und in dessen Umfeld bleiben sollte. Die Defensivformation von Marseille kann man beim nächsten Bild gut sehen:

Salzburg im Ballbesitz und Spielaufbau, Marseille verteidigt im klaren 4-4-1-1. Die beiden Sechser von Marseille verschieben zum Ball, behalten aber vor allem auch ihre Gegenspieler im Auge. Im nächsten Bild wird der oben beschrieben Sachverhalt noch besser zu sehen sein.

Die Salzburger ihrerseits hatten da in der Anfangsphase einige Probleme in der Ballzirkulation und leisteten sich gegen den kompakten Gegner ungewohnte Fehler, wodurch man relativ schnell den Ball verlor. Nach gut zwanzig Minuten wurde dies jedoch mit einigen Anpassungen wesentlich besser, wodurch die Bullen nach dem Rückstand das Zepter in die Hand nehmen konnten. Das lag vor allem daran, dass man Spielmacher Berisha besser in den Spielaufbau einbinden konnte, der sich zwar zu Beginn bereits etwas tiefer aufhielt (wie im letzten Bild zu erahnen) jedoch kaum gesucht wurde. Allmählich reagierte man dann auf das Zustellen von Sammasekou, indem dieser nun stattdessen vermehrt versuchte, seinen Gegenspieler wegzuziehen und Raum für Berisha zu schaffen. Dieser ließ sich dann meist gut von der linken Seite nach hinten Fallen um den Ball zu empfangen und das Spiel in höhere Zonen zu verlagern und nach vorne zu treiben.

Aber nicht nur deshalb wurde das Aufbauspiel der Bullen besser, ein weiterer taktischer Kniff war dafür entscheidend. Die Salzburger erkannten schnell die Mannorientierungen des Gegners und versuchten laufend ihre Gegenspieler aus ihren Positionen zu ziehen und durch ihre Bewegungen Raum für die anderen Mitspieler zu schaffen. Dadurch, dass vor allem der ballferne Flügelspieler von Marseille oft nicht konsequent nachschob, sondern sich mehr an den Außenverteidiger orientierte, öffnete sich in eben diesem ballfernen Halbraum eine Schnittstelle, die speziell Ramalho mit flachen Diagonalpässen oft erfolgreich bespielen konnte – in der sich entweder Wolf oder Dabbur auch immer wieder gut fallen ließen und dadurch angespielt werden konnten. Dies kann man beim nächsten Bild gut sehen:

Salzburg im Ballbesitz, Ramalho führt den Ball, die Bullen erkennen die Mannorientierung des Gegners und vor allem Haidara und Wolf im Zentrum ziehen ihre Gegenspieler aus ihren Positionen, wodurch sich ein großes diagonales Passfenster für Ramalho öffnet, da auch der ballferne Flügelspieler von Marseille (oben rechts) an den Gegenspieler orientiert und nicht nachschiebt. Dabbur erkennt dies gut und lässt sich im richtigen Moment fallen, wodurch er auch angespielt wird und das Spiel nun in einer höheren Zone fortgesetzt werden kann.

Durch die taktisch klugen Maßnahmen fanden die Bullen immer besser in das Spiel und konnten nach der wackligen Anfangsphase mit dem Gegentreffer aus einem Standard auch in der Ballbesitzstatistik aufschließen und gleichziehen. Jedoch mangelte es  an der Durchschlagskraft im letzten Drittel und man erspielte sich kaum Chancen, da vor allem Stürmer Hwang keinen guten Tag erwischte und man allgemein viele Bälle leichtfertig verlor. Damit ging es mit einem Rückstand in die Pause:

Salzburg übernimmt endgültig die Kontrolle

Mit der ersten Szene nach dem Wiederanpfiff zeigte Marseille auf symbolischer Art und Weise, wie man gedenkt, die zweite Halbzeit anzugehen. Man spielte nämlich den eigenen Anstoß einfach ins Out und wollte die Bullen nicht zum Pressing einladen. Eine Aktion in weiser Voraussicht möchte man meinen, denn auch die Gastgeber wussten, was sie nun in der zweiten Halbzeit erwarten würde. Die Bullen legten nämlich noch eine Schippe an Intensität im Vergleich zum ersten Abschnitt hinzu, attackierten den Gegner noch aggressiver und schnürten ihn damit regelrecht in die eigenen Hälfte ein. Marseille versuchte nun auch die diagonale Schnittstelle besser zu verschließen und sich beim Verschieben vermehrt an den Raum zu orientieren, statt sich von den Gegenspielern relativ trivial aus ihren Positionen ziehen zu lassen. Das Offensivspiel der Salzburger bremste man damit nicht wirklich, und so wurde es bereits nach wenigen Minuten gefährlich, als der Torhüter Marseilles mit etwas Glück vor dem heranstürmenden Hwang in höchster Not klären konnte. Wenig später hatten die Bullen Pech, als nach einem Lainer-Vorstoß dieser regelwidrig zu Fall gebracht wurde, die Pfeife vom Schiedsrichter allerdings stumm blieb. Quasi direkt im Anschluss an diese Szene kombinierten sich die Salzburger durch die Abwehrreihe des Gegners und Wolf zwang aus aussichtsreicher Position den Torhüter zu einer Glanzparade.

In dieser Drangphase der Salzburger sorgten die Gastgeber mit ihren frenetischen Anhängern im Rücken jedoch für eine kalte Dusche. Ramalho ließ sich vom eingewechselten Nije aus seiner Position ziehen, der mit einem schönen Steilpass den geöffneten Raum und Payet bediente, der wiederrum auf Nije zurücklegte und dieser Ramalho erneut abschütteln konnte – damit alleine vor Torhüter Walke stand und eiskalt zum 2:0 traf. Die Bullen zeigten sich von dem Gegentreffer allerdings nicht geschockt, rannten weiter an und drückten den Gegner weit ins seine eigene Hälfte zurück, um doch noch den wichtigen Auswärtstreffer zu erzielen. Man kam auch noch zu zwei, drei guten Gelegenheiten, wobei Gulbrandsen mit Abstand die beste vergab und bei seinem Abschluss an die Innenstange Pech hatte. Allerdings fehlte es auch in der zweiten Halbzeit an der letzten Durchschlagskraft, da man oft entweder in der Entscheidungsfindung nicht klar genug war oder den Bullen immer wieder kleinere Fehler unterliefen. So retteten sich die mit zunehmend Krämpfen kämpfenden Franzosen doch noch irgendwie über die Restspielzeit ohne einen Gegentreffer zu erhalten und hielten somit dieses exzellente Ergebnis aus ihrer Sicht.

Fazit

Ein bitterer Abend für die Salzburger, die nun mit dieser 0:2 Niederlage und einer schwierige Ausganssituation in das Rückspiel nächste Woche gehen werden. Dabei war das Spiel zwar alles andere als einseitig, sondern ging in der ersten Halbzeit noch auf Augenhöhe vonstatten, während Salzburg im zweiten Durchgang endgültig die Kontrolle über die Partie übernehmen konnte und einiges an Druck entfachte. Man könnte natürlich sagen, dass Marseille einfach Kaltschnäuziger und effektiver war,  allerdings ist die andere Seite der Medaille auch, dass die Bullen mit der Durchschlagskraft im letzten Drittel und dem herausspielen von klaren Chancen so ihre Probleme hatten und noch dazu ihre wenigen nicht verwerten konnten. Das zeigt auch die Expected-Goal Wertung, in der Marseille letztlich mit 1,3 zu 0,6 Toren die Nase vorne hatte. Nichtsdestotrotz konnte man auf einige positive Sachen aufbauen und man sah auch in mehreren Szenen, wie die Franzosen zu knacken sind. Dies gibt den Bullen Hoffnung, im Rückspiel die richtigen Mittel zu finden und das Ergebnis noch umzudrehen – um doch noch ins Finale einzuziehen. Dafür wird allerdings eine Topleistung vonnöten sein, was die Salzburger allerdings in den Runden davor bereits eindrucksvoll bewiesen haben, dass sie dazu in der Lage sind.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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