„Do or die“ hieß es für den österreichischen Meister Red Bull Salzburg. Nachdem man das Hinspiel des Europa-League-Sechszehntelfinales trotz ordentlicher Leistung mit 1:2 knapp verlor, ging man mit einem Rückstand in das Rückspiel und war gezwungen, eine Aufholjagd zu starten und das vorzeitige Ausscheiden zu verhindern. Einfach sollte die Aufgabe nicht werden, nachdem der belgische Gegner Brügge nicht nur die Salzburger bezwingen konnte, sondern in der heimischen Meisterschaft ebenfalls den klaren Tabellenführer Genk schlagen konnte und damit mit einer breiten Brust angereist kam. Das Rückspiel versprach also viel Spannung und die Bullen mussten ihr ganzes Können auspacken, um diese Hürde zu nehmen.
Salzburg mit der richtigen Antwort auf das Hinspiel
Nach der knappen Auswärtsniederlage in Belgien, konnte man trotz des bitteren Ergebnisses wichtige Schlüsse über den Gegner und dessen Spielweise ziehen. Brügge spielt nämlich ein äußerst flexibles und fluides System, was man von der Grundstruktur her als 3-5-2 beschreiben könnte, welches jedoch situativ immer wieder die verschiedensten Variationen einnehmen kann, von einem 4-4-2, bis zu einem 5-3-2. Diese Variabilität erlaubt es Brügge speziell im Offensivspiel verschiedene Schwerpunkte und Räume anzuvisieren und so unangenehm und schwer ausrechenbar für den Gegner zu sein. Die Salzburger reagierten auf diese Sachlage und stellten im Spiel gegen den Ball systematisch etwas um, nämlich auf ein unübliches 4-2-3-1.
Die Gründe dafür? Man wollte wohl im Anlaufverhalten bessere Winkel und einen saubereren Zugriff auf das Aufbauspiel der Belgier erhalten, die speziell über die starken Mittelfeldspieler im Zentrum über viel technische Qualität und Pressingresistenz verfügen und die breite Dreierkette in der Aufbauformation gerne auffächert und so schwer zu greifen ist. Um dagegen anzukommen, versuchten die Salzburger mit der Umstellung auf das 4-2-3-1 in der ersten Phase das Zentrum abzudecken und den gegnerischen Aufbau zu leiten, um dann ins Pressing zu starten. Daher gab es dann folglich auch einer klaren Zuteilung, wo Daka und Junuzovic neben Wolf rückten und die Flügelpositionen besetzten, um die beiden Halbverteidiger attackieren zu können, wie man beim ersten Bild gut erkennen kann:
Brügge im Spielaufbau, in der ersten Phase versucht Salzburg mit dem 4-2-3-1 den zentralen Korridor abzudecken (schwarze Markierung), um den Pass auf die Halbverteidiger bzw. in die Breite zu provozieren, bevor man dann ins Pressing startet und mit einer klaren Zuordnung (gelbe Linie) Zugriff auf die Dreierkette und den tiefen Sechser davor zu bekommen.
Und mit dieser Adaption wählte man den genau richtigen Ansatz, um das gute Ballbesitzspiel der Belgier einzudämmen. Brügge versuchte zwar durchaus mutig auch von hinten spielerische Lösungen zu finden, allerdings biss man sich oft die Zähne am Pressing der Salzburg aus und konnte sich nur selten sauber herauskombinieren. In tieferen Zonen wechselte man aus Stabilitätsgründen zwar hin und wieder zur nominellen 4-3-1-2 Formation, aber sobald man herausrückte und höher attackierte, switchte man wieder zum 4-2-3-1. Darüber hinaus gab es auch noch weitere kleiner Details, wie man sich noch eingehender auf den Gegner einstellte. Als Schlüsselspieler wurde scheinbar die Nummer 20 Hans Vanaken ausgemacht, denn dieser bekam eine Sonderbewachung in Person von Xaver Schlager. Dies ging dann sogar soweit, dass Schlager die ausweichenden Bewegungen von Vanaken auf den Flügel verfolgte und seine Position immer wieder verließ. Darüber hinaus versuchte man auf den Flügeln immer zu doppeln und dort Flügeldurchbrüche über die dribbelstarken Flügelverteidiger zu verhindern, damit diese den Sturmtank Wesley nicht bedienen konnten.
Auf der anderen Seite versuchte auch Brügge, offensiv und mutig im Spiel gegen den Ball die Sache anzugehen und sich nicht zu verstecken. Als Formation wählte man eine Art 5-1-2-2 Ordnung, wobei diese auch mal zwischen einem 4-4-2 und 3-1-4-2 hin und her pendelte, ergo diese Zahlenspielerei gewissermaßen relativierte und absurdum führte. Brügge versuchte dabei ebenfalls sehr früh die Salzburger unter Druck zu setzen und aggressiv anzulaufen, um die Gastgeber nicht in ihren Rhythmus kommen zu lassen und frühe Ballgewinne zu provozieren. Interessanterweise wählte man in der Zuteilung eine sehr risikoreiche Variante, da die beiden Flügelverteidiger oft auf die gegnerischen Außenverteidiger rückten und so eine 3-1-4-2 Formation im Pressing entstand, während man mit klaren (mannorientierten) Zuteilungen im Zentrum ebenfalls Zugriff herstellen wollte, wie man beim nächsten Bild gut erkennen kann:
Salzburg im Spielaufbau, Brügge versucht früh anzulaufen und mit einer klaren Zuteilung Druck auf den Ball herzustellen, wobei man mit sechs bis sieben Spieler bereits weit aufrückt und so oft ein 3-1-4-2 entsteht, wie hier zu erahnen.
Wie erwähnt, eine äußerst mutige Herangehensweise, die in Anbetracht des Hinspiel-Ergebnisses durchaus überraschend kam. Essentiell war es daher, die Salzburger festzusetzen oder zumindest genügend Raumdruck zu entfachen, um unkontrollierte hohe Bälle zu erzwingen. Doch gegen die technisch starken und flinken Salzburger lauerten viele Gefahren, die sich auch im Laufe des Spieles zeigen sollten.
Salzburg nützt defensive Schwächen des Gegners eiskalt aus
Das Spiel war von Anfang an von einer sehr hohen Intensität geprägt, da beide Mannschaften versuchten, den Gegner früh unter Druck zu setzten und schnelle Ballgewinne zu erzielen. Jedoch sollte sich vor allem bei Brügge die Tücken dieser mutigen Herangehensweise offenbaren. Durch das 3-1-4-2 sorgte man zwar dafür, dass man im Pressing viele Spieler in die gegnerische Hälfte brachte und dort eine klare Zuteilung hatte, allerdings war die Entscheidung, die Flügelverteidiger so weit aufrücken zu lassen, eine sehr gefährliche, da es für die verbleibende Dreierkette schwer war, die ganze Breite des Feldes und den Rückraum zu sichern. Und genau diese Schwachstelle nutzte Salzburg eiskalt aus. Dabei wird auch eine fußballerische Grundsätzlichkeit wunderbar gezeigt, nämlich warum es so wichtig ist, einen guten Spielaufbau zu haben. Gerade Mannschaften von Guardiola sind bekannt dafür, über einen exzellenten Spielaufbau zu verfügen. Um diesen zu verhindern, versuchen Mannschaften gerne ihn früh zuzustellen und Angriffspressing zu spielen, auch weil man womöglich der Meinung ist, die Philosophie von Guardiola würde es verbieten, lange Bälle zu spielen.
Doch auch bei Manchester City nimmt auch der gezielte lange Ball eine nicht unwichtige Rolle ein, um den Gegner zu knacken und die Tiefe zu attackieren. Dabei lockt man den Kontrahenten nach vorne und dieser muss mit vielen Spielern in die Hälfte von City, was den zu verteidigenden Rückraum groß werden lässt und da Möglichkeiten entstehen. Das klingt nach einer Binsenweisheit, doch aus strategischer Sicht wäre es töricht und verblendet, nicht diese Lücken auch mit langen Bällen zu bespielen, denn in erster Linie geht es noch immer darum, so schnell wie möglich zum gegnerischen Tor zu kommen.
Aber zurück zum Spiel, der gute Spielaufbau der Salzburger brachte sie also sozusagen erst in diese Lage, dass der Gegner versucht, diesen mit vielen Spielern zuzustellen, um so den Bullen Spielanteile wegzunehmen. Doch die Salzburger konterten diesen Versuch und überspielten einfach die Pressinglinien des Gegners mit hohen Bällen hinter den Flügelverteidigern, wie man dies bei den ersten beiden Schlüsselszenen in diesem Spiel sehen konnte – beim Elfmeter und im Vorfeld des 1:0:
Salzburg im Spielaufbau, Brügge versucht aus dem 3-1-4-2 heraus vorne Druck zu machen. Dadurch muss Brügge allerdings in der letzten Linie quasi Mann gegen Mann spielen (gelber Strich) und dem rechten Flügelverteidiger unterläuft ein Fehler, da dieser schon am Sprung nach vorne ist und mit ins Pressing gehen will. Deshalb kann sich Junuzovic mit einer klugen Bewegung von ihm absetzten und bricht nach dem langen Ball auf links durch, wenig später fällt dann das 1:0.
Nach diesem Muster hatte Brügge immer wieder große Probleme, die Angriffe der Bullen zu verteidigen und vor allem der schnelle Daka bereitete den Belgiern große Schwierigkeiten, da dieser natürlich den riesigen Rückraum als Einladung ansah, seine Sprints in die Tiefe unaufhörlich auszupacken. Das große Problemfeld der Belgier war einfach, dass man nicht genügend Druck auf den ballführenden Salzburger entfachen und sich die Gastgeber immer wieder befreien konnten, mittels langen Bällen oder spielerisch, wie im Vorfeld des 2:0, als sich Pongracic mit einem Dribbling aus dem Pressing befreite und einen Gegenangriff startete. So wurde aus der mutigen Spielweise von Brügge schnell einfach nur Harakiri-Fußball, ohne die passende (Tiefen)Absicherung.
So dominierte Salzburg die erste Halbzeit in allen Phasen und konnte sowohl über das starke eigene (Gegen)Pressing viele Bälle gewinnen, als auch immer wieder die passende Lösungen mit dem Spielgerät generieren und so die Defensivschwierigkeiten des Gegners attackieren – auch wenn die Belgier insgesamt etwas mehr Ballbesitz hatten, jedoch damit den Bullen bei weitem nicht so viele Probleme bereiteten. Die Folge davon war eine komfortable 3:0 Halbzeitführung und das Spiel war de facto damit schon vorentschieden.
In der zweiten Halbzeit musste Brügge natürlich noch mehr Risiko gehen und erhöhte dementsprechend die Präsenz in den höheren Zonen, weshalb die Salzburger etwas weiter nach hinten gedrängt wurden und öfter etwas tiefer verteidigten. In diesen Phasen zeigten die Belgier auch, dass sie fußballerisch durchaus den Salzburgern Probleme bereiten können und über gute Fußballer in ihren Reihen verfügen. Doch es reichte nicht, um die starke Strafraumverteidigung der Gastgeber unter arger Bedrängnis zu bringen und bis auf vereinzelte Szenen verteidigten die Salzburger nahezu alles weg. Stattdessen nutzte man die offenen Räume immer öfter und setzte kurz vor Schluss mit dem 4:0 von Dabbur nach einem Konter den Schlusspunkt auf diese Partie.
Fazit
Hatte es nach dem Hinspiel doch einige zweifelnde Meinungen über die Aufstiegschancen der Salzburger gegeben, so setzten die Bullen ein deutliches Ausrufezeichen und zeigten mal wieder, warum sie mittlerweile in ganz Europa gefürchtet werden. Perfekt eingestellt auf den Gegner, aggressiv, bissig und mit einer unwiderstehlichen Intensität, fegten die Salzburger nur so über den Platz und erdrückten nahezu den Gegner, der unter diesem Stress viele Fehler beging und speziell defensiv einfach oft überfordert war. Daher stellte der belgische Spitzenclub auch letztlich nicht die große Hürde dar und unterlag letztlich über die 180 Minuten klar und verdient. Damit geht die Reise durch Europa für die Bullen weiter und man darf gespannt sein, ob man den Erfolg des letzten Jahres wiederholen oder sogar toppen kann.
Dalibor Babic
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