Das ist der FC Thun (2): Mehr Torchancen als der FC Basel und dennoch anfällig in verschiedenen Situationen
Europa League 17.September.2013 Daniel Mandl 0
Nachdem wir im ersten Teil unseres großen Thun-Spezials auf den Klub an sich eingingen, werfen wir nun einen Blick auf die Taktik, die Stärken und die Schwächen des Rapid-Gegners. Im dritten Teil widmen wir uns dann den Protagonisten und Automatismen zwischen den Spielern.
Das Spielsystem
Trainer Urs Fischer schickt den FC Thun zumeist in einem 4-2-3-1 auf den Platz. Seltener ist das System auch als klassisches 4-1-4-1 zu bezeichnen, in dem Kapitän Dennis Hediger als typischer Sechser agiert und der Ivorer Sekou Sanogo weiter vorne als Achter spielt.
So oder so verfügt Thun über keinen altmodischen, spielgestaltenden Zehner. Für die „Zehner-Position“ gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder einen zusätzlichen Achter, der eher versucht Box-to-Box zu spielen, oder einen noch offensiveren Mittelfeldspieler, der eher wie eine Halbspitze wirkt und dem System der Thuner einen Hauch von 4-4-2 verleiht, während Sanogo eine defensivere Position einnimmt.
Stärken im Angriff
Grundsätzlich gilt Thun als Mannschaft, die Powerfußball praktiziert und mannschaftlich geschlossen nach vorne spielt. Die Elf von Urs Fischer hat großes Selbstvertrauen, was sicher auch mit dem innovativen Trainer zusammenhängt und versteckt sich nicht. Defensive Sicherheit in der Zentrale (vor allem im defensiven Mittelfeld) ist dabei natürlich wichtig, aber die Schweizer rücken im Umschaltspiel von Defensive auf Offensive durchwegs gut nach. Je nachdem wer spielt, finden Läufe zur Grundlinie, inverse Läufe oder gute Flanken statt – mehr dazu später in den Spieleranalysen. Das Offensivspiel des FC Thun ist insgesamt linkslastig. Diese offensive Asymmetrie macht das Angriffsspiel der Thuner unberechenbar und die Mannschaft durchaus gefährlich. Hinzu kommt, dass vor allem die Außenverteidiger Thuns sehr hohe Grundpositionen einnehmen und offensiv stark sind.
Statistische Eckdaten
Thun ist keine unfaire Mannschaft, kann aber hart spielen und nimmt auch härtere, hitzige Spielsituationen an, ohne in taktische Anarchie zu verfallen. Das Team begeht relativ wenige Fouls, obwohl man viele Zweikämpfe annimmt. Die Anzahl der Eckbälle, die dem FC Thun zugesprochen werden, ist durchschnittlich – mehrere Corner holt man sich über die linke Angriffsseite.
Interessanterweise konnte sich der FC Thun in der laufenden Saison wesentlich mehr Schüsse aufs Tor bzw. klare Torchancen herausspielen als der FC Basel. Dies ist wiederum ein Zeugnis für das direkte, abschlussorientierte Spiel dieser engagierten Mannschaft. Allerdings zeigte sich die Mannschaft im Abschluss nicht immer sattelfest und teilweise auch technisch etwas limitiert. Der letzte und vorletzte Kontakt, so etwa auch beim Stoppen des Balles vor einer potentiellen Großchance funktionierten nicht immer einwandfrei.
Unterbinden von Angriffen im Mittelfeld
Das Hauptmittel der Thuner, um zum Torabschluss zu kommen, führt über die Flügel. Doch manchmal versuchen es die Schweizer auch mit weiten Bällen hinter eine hochstehende Viererkette, vor allem um den schnellen Luca Zuffi oder den kantigen Marco Schneuwly – zwei Spieler für die Zentrale – zu „schicken“. Die Tatsache, dass mit dem Brasilianer Cássio Horta und dem Venezolaner Josef Martínez nun auch zwei dribbelstarke und schnelle Akteure ins Team finden, bekräftigt diesen Ansatz. Dennoch sind die Bälle hinter die Reihen eher ein Mittel in Auswärtsspielen – zu Hause spielt man als Mannschaft systematischer und strukturierter.
Schwächen in Abwehr und Aufbauspiel
Anders als gegen Dila Gori, wo Rapid auf eine massige Innenverteidigung traf, die die Mitte über weite Strecken beinhart zumachte, wird man in Thun auf den einen oder anderen Fehler der zentralen Defensive vertrauen können. Thun ist auf der Innenverteidigerposition einerseits aufgrund von Verletzungen ersatzgeschwächt und andererseits schlichtweg unsicher. In der Abwehr der Schweizer gibt es immer wieder Abstimmungsschwierigkeiten, Stellungsfehler und technische Probleme.
Das Aufbauspiel wird von den Innenverteidigern zumeist schnell an die Außenverteidiger oder die Doppelsechs übertragen. Werden diese Positionen passiv gepresst und ein offensiver Freigeist setzt auch noch die ballführenden Innenverteidiger unter Druck, kann das Aufbauspiel der Thuner früh unterbunden werden. Hinzu kommt, dass die sonst sehr offensiv agierenden Außenverteidiger mit entsprechendem Passivpressing gebunden werden können. Schafft man das nicht, werden sie Überzahl auf den Flügeln erzeugen, wie man es in der laufenden Saison schon mehrfach beobachten konnte.
Ein anderer Ansatz, um dem FC Thun beizukommen ist, dass man den Außenverteidigern mehr Luft gibt und nach defensiven Ballgewinnen schnell kontert. Dabei sind vor allem Diagonalpässe von der Mitte auf die Seiten ein probates Mittel – müssen die Thuner Innenverteidiger auf schnelle Flügelspieler hinausrücken, bekommen sie Probleme. Die Abwehrspieler verhalten sich dabei abwartend und statisch, weichen eher zurück, als resolut zu klären. Da die Außenverteidiger einen großen läuferischen Aufwand nach vorne betreiben, ist es gut möglich, dass es zu derartigen Situationen kommt. Setzt man den Thunern offensiv zu, wie es zum Beispiel Partizan nicht machte, werden den Spielern individuelle Unkonzentriertheiten passieren – auch wenn die grundlegende taktische Struktur nicht verlorengeht.
Standards
Bei defensiven Standardsituationen ist partielle Manndeckung wohl das beste Mittel, zumal speziell die Offensivspieler Berat Sadik und Marco Schneuwly sehr aktiv sein werden. Auch von Sanogo und Siegfried geht Gefahr aus, jedoch voraussichtlich weniger als von den beiden Erstgenannten. Da entweder Sadik oder Schneuwly spielen wird, wäre ein direkter Bewacher für den jeweiligen Angreifer anzuraten, während man ansonsten auf einer Linie den Raum verteidigen kann.
Bei offensiven Standards muss Rapid alles nach vorne werfen, was Masse hat. Die Thuner sind bei gegnerischen Standardsituationen anfällig und verfügen zudem kaum über großgewachsene Spieler. Allgemein hat Thun Probleme mit bulligen, körperlich präsenten Angreifern und hat keine echten „Abmontierer“ in seinen Reihen. Die Elf betreibt bei defensiven Standards Raumdeckung und ist dabei nicht immer gut sortiert.
Im dritten Teil der Serie über den FC Thun nehmen wir die Mannschaft unter die Lupe.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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