Der tschechische Meister mit verändertem Gesicht: Das ist Viktoria Pilsen!
Europa League 29.September.2016 Daniel Mandl 0
Die Wiener Austria bekommt es heute mit dem tschechischen Meister Viktoria Pilsen zu tun. Hierbei handelt es sich um einen Verein, gegen den der Erzrivale Rapid schon in der vergangenen Saison spielte und zwei Top-Leistungen brauchte, um zwei Siege einzufahren. Wir sehen uns an, was sich seitdem bei den Pilsenern änderte.
Mittlerweile wurde Pilsen viermal tschechischer Meister. 2016 gelang erstmals die Titelverteidigung gegen die starke Konkurrenz aus Prag. Ebenfalls in der abgelaufenen Saison musste Pilsen zwei Niederlagen gegen Rapid hinnehmen: 2:3 im Ernst-Happel-Stadion – Rapid spielte damals die wohl beste Partie unter Ex-Coach Barisic – und 1:2 in der heimischen Doosan Arena. Insgesamt holte Pilsen durch einen Heimsieg gegen Minsk und ein 3:3 gegen Villarreal am letzten Spieltag nur vier Punkte und wurde Dritter.
Erstmalig im Europacup
Das war freilich nicht immer so, denn die Pilsener zeigten in Europa auch schon ordentlich auf. Das Abenteuer „moderner Europacup“ startete für Pilsen vor sechs Jahren. Damals stieg man erstmals in die Europa League Qualifikation ein, unterlag aber Besiktas Istanbul (1:1 h, 0:3 a). Nur eine Saison später gelang den Tschechen völlig überraschend der Aufstieg in die UEFA Champions League. Unmittelbar nach dem ersten Meistertitel wurden Pyunik Yerevan (4:0 a, 5:1 h), Rosenborg BK (1:0 a, 3:2 h) und im Playoff schließlich der FC Kopenhagen (3:1 a, 2:1 h) ausgeschaltet. Ohne Qualifikationsniederlage ging’s in die Königsklasse.
Dort holten die Pilsener fünf Punkte und stiegen somit in die Frühjahrsrunde der UEFA Europa League um. Gegen BATE Borisov blieb Pilsen unbesiegt (1:1 h, 1:0 a), gegen den AC Milan gab’s einen Achtungserfolg (2:2 h, 0:2 a) und nur gegen den großen FC Barcelona blieb Pilsen chancenlos (0:2 a, 0:4 h). Im Sechzehntelfinale der Europa League war auswärts auf Schalke nach zwei 1:1-Remis nach der regulären Spielzeit erst in der Verlängerung Endstation.
Mit 13 Punkten durch die Europa League
Dieser ersten Top-Saison folgten zwei weitere. 2012/13 qualifizierte sich die Viktoria für die Gruppenphase der Europa League. In der Qualifikation besiegte man Metalurgi Rustawi (2:0 a, 3:1 h), Ruch Chorzow (2:0 a, 5:0 h) und im Playoff Lokeren (1:2 a, 1:0 h). Die Gruppenphase brachte Academica Coimbra, Atlético Madrid und Hapoel Tel Aviv als Gegner und Viktoria Pilsen überstand die Gruppe mit starken 13 Punkten, besiegte unter anderem Atlético zu Hause mit 1:0.
Sternstunde in Neapel
Nach dem Winter feierte Pilsen eine Sternstunde: Auswärts beim kriselnden SSC Napoli gab es einen 3:0-Sieg, zu Hause folgte ein 2:0-Erfolg. Erst im Achtelfinale war gegen Fenerbahce Istanbul knapp Endstation: Auf ein 0:1 zu Hause folgte ein 1:1 in Istanbul.
Harte Champions League Gruppe beim zweiten Anlauf
2013/14 war wieder Zeit für die Königsklasse. In der Qualifikation hatte der tschechische Meister Losglück und besiegte Zeljeznicar Sarajevo (4:3 h, 2:1 a), Nomme Kalju (4:0 a, 6:2 h) und den NK Maribor (3:1 h, 1:0 a). In der Gruppe erwischte man dafür ein höchst schweres und attraktives Los. Gegen Manchester City (0:3 h, 2:4 a) und den FC Bayern München (0:5 a, 0:1 h) war nichts zu holen, aber gegen ZSKA Moskau holten die Tschechen einen Sieg (2:3 a, 2:1 h), der erneut das Überwintern als Dritter ermöglichte.
Der Sieg über Shakhtar Donetsk
Im ersten K.O.-Spiel der Europa League gelang zu Hause ein respektables 1:1 gegen Shakhtar Donetsk, das auswärts mit einem 2:1-Sieg noch getoppt wurde. Zum zweiten Mal hintereinander war erst im Achtelfinale Schluss, diesmal gegen den französischen Spitzenklub Olympique Lyon. Allerdings folgte auf eine 1:4-Auswärtsniederlage ein 2:1-Sieg.
Bitteres Out gegen Ludogorets im CL-Playoff
Die Saison 2015/16 war auf europäischer Ebene relativ betrachtet nicht unbedingt ein Leckerbissen für die Pilsener Fans. Und auch die jetzige Saison begann für die Viktoria gebraucht: Nachdem man sich in der dritten Qualifikationsrunde zur Champions League über Qarabaq Agdam mühte, schied man im Playoff gegen ein eigentlich schlagbares Ludogorets Razgrad aus. Auf ein 0:2 auswärts folgte ein 2:2 zu Hause.
Späte Transfers
Das Nichterreichen der Königsklasse hatte zur Folge, dass sich in Pilsen doch etwas mehr am Transfermarkt bewegte als zuvor gehofft. So verlor man nach dem CL-Out mit Kolar und Rajtoral doch noch zwei Stammspieler an Gaziantepspor. Die 1,2 Millionen Euro Ablöse, die man für die beiden insgesamt lukrierte, sollten die fehlenden Einnahmen aus der Champions League ein wenig ausgleichen. Einkäufe tätigte man eher zu niedrigen Tarifen und ebenfalls spät: Tomás Poznar kommt aus Zlín, Martin Zeman von Sion und Ergys Kace – eigentlich der Königstransfer dieses Sommers – leihweise von PAOK Saloniki.
Ex-Rapidler auf der Trainerbank
Auch der Trainer ist im Vergleich zum letzten Jahr neu: Roman Pivarnik, drei Jahre lang Legionär beim SK Rapid, löste im Juli Karel Krejci ab. Dieser Trainerwechsel hatte auch eine Änderung in System und Spielweise zur Folge. Pivarnik trainierte zuvor die Bohemians Prag, baut in Pilsen auf mehr Sicherheit, lässt mit klassischer Doppelsechs spielen, die im Mittelfeld abräumen soll. Über das Spielermaterial dafür verfügt er nämlich. Zumeist sieht man die Viktoria heuer weniger spektakulär als in den letzten Jahren und in einem 4-4-2-System.
Personell nur wenige Änderungen
An den Spielern hat sich dabei gar nicht so viel verändert. Von den elf Spielern, die beim 1:2 Pilsens gegen Rapid im vergangenen November starteten, spielen heute noch acht für den tschechischen Meister. Drei, nämlich die bereits erwähnten Rajtoral und Kolar, sowie der zu Osmalispor gewechselte Abwehrchef Procházka, spielen heute in der Türkei.
Zwei zentrale, neue Personalien
Die zwei zentralen Personalien, die das Spiel Pilsens seit der vergangenen Saison veränderten sind Ergys Kace und Marek Bakos. Kace ist ein richtiger Abräumer für die Sechserposition, beinhart, weniger spielend als Patrik Hrosovsky. Und als solcher ist er auch ein sehr guter Zuarbeiter für den zweiten Zuarbeiter, von dem man nie wirklich verstand, wieso er keine große Karriere einschlug. Tomás Horava, mittlerweile 28, galt als eines der größten tschechischen Talente, schaffte aber nie den Sprung in eine andere Liga. Heuer zeigt seine Formkurve aber wieder nach oben, da ihm das neue System und vor allem Nebenspieler Kace liegen.
Routine und Kraft im Angriff
Marek Bakos wiederum sorgt dafür, dass Pilsen in der Gefahrenzone immer genügend Spieler hat. Neben dem 33-jährigen Routinier, der den Treffer beim 1:1 gegen die Roma erzielte, spielt mit Michal Duris ein spielender Angreifer, der jedoch auch immer schnell in die Box kommt. Zwar fehlt Pilsen der typische Zehner und auch Horava füllt diese Rolle nicht aus, aber dennoch ist Bakos‘ Verpflichtung und die Tatsache, dass die Tschechen nun in einem klassischen 4-4-2 spielen ein Signal dafür, dass man sich nicht lange im Mittelfeld aufhalten und direkt nach vorne spielen will. Hinzu kommt, dass die etatmäßigen Außenspieler Zeman und Kopic beide gut im Einrücken sind. Vor allem Kopic ist als Nadelspieler zu bezeichnen und rückt häufiger ein als Zeman.
Top-Talent statt verlässlichem Rajtoral
Nun galt es noch Frantisek Rajtoral zu ersetzen. Der Rechtsverteidiger war so etwas wie das Uhrwerk auf der rechten Angriffsseite Pilsens und halt als Spieler mit großem Offensivdrang und guter Defensivarbeit. Die Ersatzlösung ist mehr oder weniger hausbacken: Ales Mateju ist 20 Jahre alt, tschechischer U21-Teamspieler und seit einem Jahr in Pilsen. Zuvor kickte er in Pribram und in der zweiten Mannschaft von PSV Eindhoven. Er machte von allen im letzten Jahr wohl den größten Schritt und ersetzt Rajtoral bravourös.
Hochinteressanter, routinierter Linksverteidiger
Der wohl interessanteste Kicker Pilsens spielt aber auf der anderen Seite. David Limbersky ist bereits 32 Jahre alt und spielt seine vierzehnte Saison für die Viktoria, weshalb auch wenig verwunderlich ist, dass er die Schleife trägt. Der 40-fache Nationalspieler ist ein unheimlich ballsicherer, intelligenter Außenverteidiger, der trotz seines fortgeschrittenen Alters eine hohe Laufleistung an den Tag legt und auch mit Flanken aus dem Halbfeld gefährlich werden kann. Untypisch für Außenverteidiger ist es in diesem Fall nicht die Seite des Routiniers, die die Austria bespielen sollte. Limbersky macht defensiv für gewöhnlich die Schotten dicht – allerdings wird das gegen die schnellen Flügelspieler der Austria natürlich schwierig.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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