Heute steigt das Europa-League-Spiel zwischen dem FC Basel und Red Bull Salzburg. Der amtierende Schweizer Meister und letztjährige EL-Halbfinalist ist der nächste aussagekräftige Prüfstein... Die Taktik des FC Basel (1): Flexibel, kompakt, aber Probleme bei Kontern und Standards

Taktik, Theorie, TaktikboardHeute steigt das Europa-League-Spiel zwischen dem FC Basel und Red Bull Salzburg. Der amtierende Schweizer Meister und letztjährige EL-Halbfinalist ist der nächste aussagekräftige Prüfstein für die Bullen. In diesem Zweiteiler wollen wir uns zuerst die Spielweise Basels unter Murat Yakin ansehen, bevor wir auf die Wechselwirkungen mit den Salzburgern und die speziellen Begebenheiten eingehen. Beginnen wollen wir darum mit den grundlegenden strategischen Aspekten der Spielweise der Rot-Blauen.

Ein pragmatisches Ballbesitzteam

Schon die Statistiken sprechen eine klare Sprache: In der heimischen Liga kommt Basel auf einen durchschnittlichen Ballbesitz von 62% und eine Passgenauigkeit von 84%. Meistens formieren sie sich in einem 4-1-4-1, doch sowohl die Formation als auch die Abläufe in der Formation passen sie oftmals an ihren Gegner an. In diesem 4-1-4-1 lassen sie den Ball meistens geduldig im ersten Spielfelddrittel zirkulieren, bevor sie sich schnell mit ihm nach vorne bewegen. Eine Schüsselrolle spielen hierbei der Sechser und die beiden Achter.

Vorsichtige Zirkulation im ersten Drittel

Sie bieten den Innenverteidigern Anspielstationen im Mittelfeld, sind hierbei überaus beweglich und kombinationsstark, obgleich sie selten die Positionen untereinander tauschen. Die Außenverteidiger rücken meist schon früh weit nach vorne auf, geben Breite und ermöglichen den Flügelstürmern vor ihnen einrückende Bewegungen. Der FC Basel nutzt immer mal wieder auch das taktische Mittel des „Abkippens“, wo einer der Sechser sich zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lässt, damit die Innenverteidiger sich breiter positionieren und die Außenverteidiger noch weiter nach vorne aufrücken können.

Mit den beiden Achtern vor dem Sechser haben sie dennoch Anspielstationen im Mittelfeld. In den letzten beiden Ligaspielen konnten sie den Ball über 15-mal für eine Zeitdauer von mehr als 45 Sekunden durchgehend in den eigenen Reihen halten. Dies täuscht aber etwas darüber hinweg, wie sie, besonders gegen ebenbürtige Mannschaften, nach dem Übergang aus dem ersten Drittel angreifen.

Höhere Geschwindigkeit im zweiten Drittel bei den Angriffen

Nachdem der Ball aus der Abwehr gespielt wurde, geht es meistens schnell nach vorne. Sie versuchen Schnellkombinationen im Mittelfeld mit wenig Kontakt, überladen dazu die Flügel mit den einrückenden und dribbelstarken Flügelstürmern, die von den hoch aufrückenden Außenverteidigern unterstützt werden. Hier legt sich die Ballbesitzspielweise der Yakin-Elf etwas; schnelle Kombinationen, riskante Versuche von tödlichen Pässen (im Schnitt sieben pro Spiel), individuelle Aktionen durch Dribblings und auch einige Flanken dominieren das Spielgeschehen.

Lediglich Konter sparen sie oftmals geflissentlich aus. Nach Balleroberungen versuchen sie sich erst freizuspielen, bevor sie wieder angreifen, wobei dies je nach Gegner auch anders gehandhabt werden kann. Wenn sie kontern, sind es meistens lange Pässe auf offene Flügelräume, von denen aus sie schnell über die Flügelstürmer, einen mitgehenden Achter und die aufrückenden Außenverteidiger nach vorne kommen möchten.

Flexibilität in der Ausrichtung

An sich spielt Basel zwar oft mit dem 4-1-4-1/4-3-3-System, aber ihre Formation wechseln sie in einigen Spielen und stellen gegnerangepasst um. Von Dreierkette bis 4-5-1 oder gar einem klassischen 4-4-2-Pressing in der eigenen Hälfte haben sie in dieser Saison schon alles gespielt. Gegen Maccabi Tel Aviv haben sie sich sogar in einem 3-1-4-2 aufgestellt, um das gegnerische System zu spiegeln und mehr Zugriff zu erhalten; zuhause gewann man mit 3:0, auswärts holte man im Hinspiel ein 0:0.

Außerdem verändern sie oft auch die Angriffsabläufe oder die Spielerbesetzung. Meistens spielt zwar Frei auf der Sechs, doch die Akteure vor ihm können variieren. Wären alle Akteure fit, würde es aber voraussichtlich auf Marcelo Diaz auf der einen Achter-Position hinauslaufen, während die anderen Spieler – wie Delgado oder El Neny – sich um den Posten daneben streiten. Generell ist Marcelo Diaz der womöglich interessanteste Akteur der Schweizer.

Marcelo Diaz als Schüsselspieler?

Der chilenische Nationalspieler ist im zentralen Mittelfeld ein überaus wichtiger Spieler. Er fungiert oftmals als omnipräsenter Verbindungsgeber, der seine Mitspieler andauernd unterstützt, technisch sehr sauber spielt und kombinationsstark ist. Viele Anspiele holt er sich sogar in engen Räumen im Mittelfeld und kann dank seiner enormen Handlungsschnelligkeit sowie toller Beweglichkeit auch Drucksituationen umschiffen. Seine Technik und Spielintelligenz helfen ebenfalls dabei. Seine Ballverarbeitung ist präzise, seine Orientierung im Raum ist intelligent und er kann oftmals die kleinen Lücken im gegnerischen Bewegungsspiel anvisieren, um keine Bälle zu verlieren.

Mit Ball ist er somit enorm gut, er kann Angriffe kreativ einleiten, dem Spiel als Organisator Struktur verleihen und durch seine Pressingresistenz enge Räume auflösen, in denen viele andere den Ball verlieren würden. Teilweise ist er zwar zu ballorientiert im Freilaufen und Anbieten, alles in allem ist er aber wohl der wichtigste Akteur der Baseler, obwohl er selten auch Bälle durch seine Verspieltheit verliert. Die Verbindung von Mittelfeld in Angriff und auch von der Abwehr ins Mittelfeld war zuletzt ohne Diaz wegen dessen Verletzungsproblemen übrigens das große Problem des FCB. Sie fokussierten sich (noch) stärker auf Flügelangriffe, weil sie ihre Angriffe nicht durchs Zentrum nach vorne getragen bekamen. Teilweise agierten sie sogar im 4-3-2-1, um Diaz‘ Fehlen zu kompensieren, doch selbst das konnte ihn kaum ersetzen. Neben seinen technischen und taktischen Fertigkeiten ist Diaz außerdem noch ein starker Distanzschütze.

Im Pressing ist Diaz ebenfalls sehr gut – man möchte fast sagen „typisch chilenisch“. Durch seine Spielintelligenz kann er einige Pässe des Gegners durch seine tolle Antizipation schon im Mittelfeld abfangen. Doch auch hier ist seine etwas zu große Ballorientierung in der Bewegung leicht hinderlich; gelegentlich weicht er zu weit nach vorne im Pressing, doch wenn die Abwehr ordentlich nach vorne mitschiebt, wird aus der Schwäche sogar eine Stärke. Generell ist das Pressing der Baseler ein weiterer interessanter Aspekt.

Kompaktes, hohes Pressing und hohe körperliche Ausdauer

Meistens steht der Pressingblock der Schweizer vor der Mittellinie; sie pressen entweder mit einem Mittelfeldpressing oder gar einem Angriffspressing, wodurch sie viele Bälle schon weit und früh in der gegnerischen Hälfte erobern. Dies wird durch ihre Kompaktheit und zahlreiche Mannorientierungen, die Zugriff auf die Gegenspieler erzeugen sollen, gewährleistet. Schon auf die Innenverteidiger der Gegner wird Druck gemacht. In einzelnen Spielen – und sehr oft auch in einzelnen Phasen vieler Spiele – ziehen sie sich aber auch in die eigene Hälfte zurück und spielen in einem Abwehrpressing.

Dieses Zurückziehen für einzelne Phasen ist ein interessantes taktisches Mittel, welches für etwas Entspannung sorgt, den Gegner nach vorne schiebt und somit Räume für Konter öffnet. Desweiteren kann sich der Gegner nicht ordentlich an das vorherige offensive und aggressive Pressing anpassen. Der körperliche Effekt des kurzen „Ausruhens“ im Verbund mit ihrer grundsätzlichen Fitness sorgt auch dafür, dass sie in den Schlussphasen oft nochmals den Druck erhöhen können; 68% all ihrer Tore in der Schweizer Liga erzielten sie in der zweiten Hälfte, 23% sogar in der Schlussviertelstunde.

Neben all ihren Stärken haben sie aber auch einige Probleme. Zwei davon sind besonders klar ersichtlich.

Probleme bei gegnerischen Kontern und Standardsituationen

Sieben Gegentore erhielt man in dieser Saison in der heimischen Liga schon nach Defensivstandards. Meistens spielen sie mit drei bis vier Raumdeckern im Strafraum bei Ecken (Außenstürmer, Außenverteidiger und Streller), während die anderen Spieler manndecken. Teilweise stehen sie mit ihren insgesamt neun involvierten Feldspielern zu kompakt und es fehlen die Zuordnungen, was zu Problemen gegen sich dynamisch bewegende Teams führt.

Im Konterspiel haben sie ähnliche Probleme. Bei Vertikalsprints des Gegners aus der Tiefe – sprich: Dynamisch aufrückende Sechser/Achter – verfolgt Frei nicht sauber und hat Probleme mit dem Übergeben an die Innenverteidiger. Auch die offenen Flügelräume hinter den aufgerückten Außenverteidigern sorgen für Anfälligkeit und einige Gegentore, im Pressing öffnen sie vereinzelt die Halbräume zu sehr.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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