Ein Punkt aus den letzten vier Spielen von Bayer Leverkusen lassen Kritiker an Roger Schmidt zweifeln. Gegen Villareal, die Mannschaft mit den zweitwenigsten Gegentoren... Disziplinierte Spanier bezwingen ratlose Werkself

Roger Schmidt_abseits.atEin Punkt aus den letzten vier Spielen von Bayer Leverkusen lassen Kritiker an Roger Schmidt zweifeln. Gegen Villareal, die Mannschaft mit den zweitwenigsten Gegentoren in Spanien, musste man ebenfalls eine Niederlage hinnehmen. Wir sehen uns dieses sehr interessante EL-Duell näher an.

4-4-2 gegen 4-2-2-2

Wenn man die Vorschau im Fernsehen sieht bekommt man bei beiden Mannschaften dieselben Formationen präsentiert, beide im 4-4-2. Interessant ist jedoch, wie unterschiedlich beide Mannschaften die prinzipiell ähnlichen Grundordnungen interpretieren. Die Spanier spielen eine sehr positionsgetreue Raumdeckung, wie sie ähnlich auch schon Favre spielen ließ. Jedoch hat man sich diesbezüglich etwas weiterentwickelt und agiert etwas proaktiver und verlässt für weiträumiges Rausrücken auch ab und an die Positionen. Normalerweise wird jedoch das 4-4-2 in Defensive und Offensive sehr starr und eng interpretiert, wie auch bei den Gästen rücken die Flügelspieler oft weit ein, um im Zentrum Präsenz zu geben. Durch schnelles Umschalten nach Ballgewinn versucht man sich Chancen herauszuspielen, wie es auch beim 1:0 in Minute 4 gelang, als man einen zweiten Ball direkt über Bayers Abwehr lupfte und Bakambu das Tor erzielte. Ähnlich wie Leverkusen oder auch Atletico Madrid spielt man sehr direkt und schnell nach vorne, geht dabei viel Risiko mit scharfen Vertikalpässen in die Formation des Gegners. Durch das Einhalten der Defensivformation auch im Ballbesitz hat man jedoch eine gute Absicherung, die dieses Risiko oft gut auffängt. Im Pressing versuchte man schon früh die Innenverteidiger zuzustellen und mit Pressingfallen auf die Außenverteidiger Bälle zu gewinnen. Zu Beginn des gegnerischen Aufbaus agiert man noch recht passiv, kommt der Pass jedoch in die für die Falle bestimmte Zone oder wird er zurückgespielt, verschiebt man im Sprinttempo Richtung Ball und bringt den Gegner in unangenehme Situationen. Vor allem zu Beginn hatte Leverkusen damit Probleme und wurde immer wieder aufgrund schlechter Staffelungen und Körperstellungen zum Ball zu unkontrollierten Befreiungsschlägen gezwungen.

Screenshot (84)

Tah und Papadopoulos stehen vor dieser Szene eng beieinander, um Wendell auf links abzusichern. Dieser muss jedoch zurückspielen und beide Innenverteidiger machen nicht breit, so wird Tah in schlechter Körperstellung nach Wendells Rückpass zu einem weiteren Rückpass zu Leno gezwungen, der den Ball hoch nach vor schlagen muss.

Leverkusen wurde im Aufbau immer wieder auf die Seite gelockt, die Passmuster waren leicht zu erkennen. Dass Tah und Papadopoulos immer recht eng standen half ebenfalls nicht, Calhanoglu bot sich ebenfalls nicht passend an, sodass man die Mitte leicht zustellen konnte. Man war leicht ausrechenbar. Durch weite Bälle auf Kießling und Chicharito wollte man in Gegenpressingsituationen kommen, diese Bälle kamen aufgrund vom ausgeübten Druck Villareals nicht genau genug. Die Spanier hingegen schafften genau das, der ausweichende Soldado und Doppeltorschütze Bakumbu bekamen immer wieder schöne Zuspiele in den Zwischenlinienraum serviert, die sie gut zu verarbeiten wussten.

Disziplinierte Spanier gegen ratlose Werkself

In Halbzeit zwei agierten die Flügelspieler Villareals deutlich breiter und in der Offensive bildete man oftmals ein 4-2-4, jedoch rückte man weiterhin gegen den Ball weit ein, um Kompaktheit zu gewährleisten. Durch diese breite Grundordnung wollte man die Defensive der Leverkusener auseinanderziehen, was jedoch einige Gefahren im defensiven Umschaltmoment mit sich brachte, da man länger brauchte um den Raum zu verengen. Die Zeit dies auszunutzen bekam Bayer jedoch nicht. Zehn Minuten nach Wiederanpfiff traf Bakumbu zum zweiten Mal, als nach einem Corner die Leverkusener Absicherung nicht gut genug war und er über das halbe Feld sprintete und Leno das dritte Gurkerltor in den letzten drei Partien schoss. Kramer musste in Minute 65 vom Feld, er wurde mit dem Ball am Kopf getroffen und musste mit der Trage abtransportiert werden. Für ihn und Kießling kamen Kruse und Frey. Leverkusen agierte nun natürlich höher, Villareal spielte dies aufgrund ihrer Defensivstärke noch mehr in die Karten, die zwei dicht gestaffelten Viererreihen ließen nur wenig zu, Soldado und Bakumbu konnten durch breite Ausweichbewegungen die im Vergleich zu Halbzeit eins natürlich nun zahlenmäßig kleinere Restverteidigung immer vor Probleme stellen. Durch die noch aggressivere Spielweise der Deutschen wurde noch mehr als zuvor schon als Foul gepfiffen, der Spielfluss kam immer wieder ins Stocken.

Im Ballbesitz offenbarten sich die Schwächen der Leverkusener: Wird ihnen der kontinuierliche Spielaufbau aufgezwungen und treffen sie auf eine ähnlich kompakt und intensiv im Gegenpressing agierende Mannschaft kommen sie vor Probleme. Durch die Mitte konnte man Situationen kaum lösen, einzig und allein durch Dribblings des fast ausschließlich im Halbraum und kaum Breite gebenden Wendell konnte man ab und an Dynamik entwickeln. Hier fehlte es jedoch oft an Sauberkeit der Folgeaktionen. Kampl, der wegen Verletzung ausfiel, fehlte als dynamisch antreibender Sechser hier deutlich.

Fazit

Die scheinbare prinzipielle Verweigerung eines kontinuierlichen Spielaufbaus á la Positionsspiel im Spielsystem Schmidts rächte sich. Villareal kontrollierte das Spiel lange Zeit, selbst wenn man fast durchgehend deutlich weniger Ballbesitz hatte. Man leitete den Spielaufbau der Gäste jedoch gut und hielt sie von den gefährlichen Zonen weitestgehend fern. Als Leverkusen gegen Ende mit aufopfernden Einsatz mehr Druck erzeugte geriet man weiterhin nur leicht ins Wanken. Die Schüsse der Leverkusener kamen meist aus ungefährlichen Zonen oder man wurde überhaupt zum Flanken gezwungen. Auf Anpassungen im Rückspiel darf man gespannt sein, denn auf die gleiche Art und Weise, wie man an diesem Tag spielte, wird es sehr schwer einen 0:2 Rückstand aufzuholen.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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