Drei Auswärtstore innerhalb von 20 Minuten – Salzburgs Angriffspressing überrollt Ajax
Europa League 21.Februar.2014 Alexander Semeliker 1
Im Sechzehntelfinale der UEFA Europa League traf Red Bull Salzburg in Amsterdam auf Ajax. Die Niederländer galten als schweres Los, konnten sie in der Champions League doch achtbare Erfolge erzielen – etwa ein Sieg gegen den FC Barcelona, bei dem sie den Gegner mit einem enorm hohen und guten Pressing überraschten. In diesem Spiel wurden sie selbst Opfer eines solchen Angriffspressings.
Nur vier Schüsse gab Ajax während den 94 Minuten ab – ein einziger davon ging auf den Kasten von Peter Gulacsi, in der Nachspielzeit wohlgemerkt. Salzburg hingegen brachte 15 Versuche an, fast die Hälfte davon ging auf das Tor. Eine Statistik, die wohl alles über die Kräfteverhältnisse dieses Spiels aussagt. Trotz 37% Ballbesitz‘ hatten die Mozartstädter die Kontrolle über das Spiel, mit dem Höhepunkt eines herrlichen Treffers zum 3:0 aus über 50 Metern.
Kurzfristige Ausfälle auf der einen, Topelf auf der anderen Seite
Gästetrainer Roger Schmidt konnte personell seine nominell beste Startelf aufbieten, das heißt die Bullen begannen wie üblich in einer 4-4-2-Grundformation mit dem fantastischen Offensivquartett Jonathan Soriano, Alan, Kevin Kampl und Sadio Mane. Sowohl mit als auch gegen den Ball rochierten diese vier Spieler immer wieder, wobei die Flügelspieler wie gewohnt einrückten und die Halbräume und Schnittstellen bespielten. Aufseiten von Ajax musste dessen Trainer Frank de Boer verletzungsbedingt auf drei Positionen umstellen.
Rechtsaußen Lasse Schöne verletzte sich beim Aufwärmen und wurde kurzfristig von Kolbeinn Sigthorsson ersetzt. Dadurch rutschte Bojan Krkic, eigentlich als Mittelstürmer vorgesehen, auf die Seite und der Isländer besetzte das Sturmzentrum. Im Mittelfeld fiel Thulani Serero aus und wurde von Kapitän Siem de Jong ersetzt. Eine Personalie, die ebenso heikel war wie jene links hinten in der Viererkette. Dort begann mit Lerin Duarte ein eigentlicher zentraler offensiver Akteur, der noch dazu wenig Spielpraxis mitbrachte. Zwei potenzielle Schwachstellen, die Salzburg gut ausspielte.
Ajax zunächst mutig, dann verunsichert und ratlos
Dass die Spielphilosophie von Ajax auf Ballbesitz aufbaut und das Spielermaterial dementsprechend ausgelegt ist, erkannte man von Anfang an. Insbesondere die Innenverteidiger gelten als passsicher und wollten dies auch in dieser Partie klarmachen. Obwohl die Salzburger wie erwartet ein hohes Angriffspressing spielten, versuchte Ajax stets von hinten herauszuspielen. Wichtig dafür war wie erwartet Daley Blind im defensiven Mittelfeld, der nach hinten abkippte und vor allem in der Anfangsphase trotz enger Deckung angespielt wurde und den Ball den Umständen entsprechend gut behauptete.
Erste Verunsicherungen konnte man bei Torhüter Jasper Cillessen erkennen, der wie in der Teaminfo erwähnt, im Passspiel nicht vollends überzeugen kann. Nachdem er zu Beginn noch versuchte sich in das Kurzpassspiel seines Teams einzubringen, griff er später zusehends zum langen Ball. Rund 30% seiner Pässe gingen über eine Distanz von mindestens 25 Yards, normal sind es fast 10% weniger. Doch nicht nur bei ihm, auch bei seinen Vorderleuten setzte mit Fortdauer des Spiels immer mehr Ratlosigkeit ein.
Viele Ballverluste und noch mehr Rückpässe
Was die Salzburger besonders gut machten war, dass sie die Passwege ins Zentrum zustellten. Sie formierten sich dabei in einer 4-2-4-Formation, wobei sich die beiden Stürmer relativ eng aneinander positionierten und die Flügelspieler bei Pässen auf die Außenverteidiger schnell zur Seite verschoben. Insbesondere Duarte wurde dabei fokussiert, wie man in der nachstehenden Grafik links erkennt. Des Weiteren gibt die rechte Grafik Aufschluss darüber, wo Ajax seine Aktionen hatte.
Den Großteil des Spiels hielt Ajax den Ball in der Zone vor dem eigenen Strafraum, eben jener Bereich, in dem sich die Aufbauspieler aufhielten. Von dort aus ging es eher auf die Seiten oder es folgte ein Rückpass. So kam Niklas Moisander auf 125 Ballkontakte und Joel Veltman auf 124. Die scheinbar guten Passquoten von 81% bzw. 89% relativieren sich, wenn man sich ansieht, wohin die beiden Innenverteidiger in erster Linie passten.
Hohe Positionen der Achter Hauptproblem im Aufbau
Es wäre allerdings falsch den schlechten Spielaufbau gänzlich auf die aufbauenden Spieler und das starke Pressing der Salzburger umzuwälzen. Ein großes Problem waren die Positionen der beiden Achter. Davy Klaassen und de Jong standen vor allem in der richtungsweisenden Anfangsphase viel zu hoch und waren deshalb kaum anspielbar. Bis ein etwaiges Zuspiel angekommen wäre, wären ihre Gegenspieler bereits zur Stelle gewesen. So hatte Klaassen mit 59% eine elendsschlechte Passquote, wurde dem einrückenden Bojan bei seinen Dribblings insgesamt fünfmal der Ball abgenommen.
Besonders problematisch waren diese hohen Positionen nach Ballverlusten. Mane und vor allem Kampl sind extrem gut im Bespielen von Grauzonen in der gegnerischen Zuteilung. Sie positionieren sich in den Halbräumen, wo sie gegebenenfalls von den Zentrumspielern übernommen werden müssten. Da diese aber zu weit weg standen hatten sie Freiheiten, was Salzburg oft für Diagonalpässe durchs Zentrum nutzte. So ging dem Elfmeter, der zum ersten Tor führte, ein Einwurf voraus, bei dem Soriano und Kampl die Innenverteidiger bzw. den Sechser zur Seite zogen und Mane im Zentrum komplett frei stand. Auch beim 2:0 konnte man diesen Aspekt sehen.
Ajax‘ Anpassungen schlagen fehl
Nach den schnellen Toren schraubten die Salzburger die Intensität ihres Pressings etwas zurück und Ajax nahm die eine oder andere Anpassung vor. So kippte Blind danach ein ums andere Mal auf die linke Seite heraus um Duarte zu entlasten und ließ sich einer der beiden Achter, meist de Jong, weiter zurückfallen. Salzburg beantwortete dies mit nachschiebenden Sechsern, in erster Linie Christoph Leitgeb.
Aber auch die beiden Außenverteidiger, stellvertretend ist Andreas Ulmer in der obigen Grafik erwähnt, verbuchten viele hohe Ballgewinnen. So blieben die Anpassungen und späteren personellen Wechsel ohne Erfolg und Ajax‘ Ausgangsposition vor dem Rückspiel scheint aussichtslos.
Alexander Semeliker, abseits.at
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